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ADB:Lochner, Georg Wolfgang Karl

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Artikel „Lochner, Georg Wolfgang Karl“ von Ernst Mummenhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 65–67, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lochner,_Georg_Wolfgang_Karl&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:15 Uhr UTC)
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Band 19 (1884), S. 65–67 (Quelle).
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Lochner: Georg Wolfgang Karl L., geb. zu Nürnberg am 29. August 1798, Sohn des Kupferstechers Karl Friedrich L. Seine erste Bildung empfing er von seinem Vater und von Privatlehrern, eine kurze Zeit besuchte er im J. 1807 die Quinta des damals noch in Nürnberg bestehenden alten Gymnasiums, von 1809–15 das neuorganisirte Gymnasium, dessen erster Rector Hegel war. Herbst 1815 bezog er die Universität Erlangen, um Theologie und Philologie zu studiren, welch letzterer Wissenschaft er sich 1817 und 1818 ausschließlich zuwandte. Von Juni 1819 bis Ostern 1823 bekleidete er eine Stelle als Lehrer an einer Erziehungsanstalt zu Nürnberg und war dann bis Ostern 1824 Hauslehrer bei einer adelichen Familie in Württemberg. Nachdem er sich der Prüfung für das höhere Schulamt in München mit vorzüglichem Erfolge unterzogen, war er kurze Zeit als Verweser einer Gymnasialklasse in seiner Vaterstadt thätig. Am 8. Mai 1824 wurde er als der Demagogie verdächtig verhaftet und nach München abgeführt. Am 14. Mai 1825 wieder auf freien Fuß gesetzt übernahm er zunächst eine Privatlehrerstelle in Nürnberg, dann im Sommer 1826 das Lehramt für neuere Sprachen und anfangs 1827 die Verwesung einer Professur am Gymnasium. 1830 wurde er zum obersten Lehrer und Subrector an der lateinischen Schule dortselbst, 1845 zum Verweser des Rectorats und 1846 zum Professor der Oberclasse und Rector der Studienanstalt befördert. Am 10. October 1857 erfolgte Lochner’s Pensionirung, deren Gründe nicht völlig aufgeklärt sind, aber von kleinlicher und persönlicher Natur gewesen zu sein scheinen. L., dessen Leben durch den Tod seiner Gattin (1857) und seiner Tochter (1862) mehr und mehr verödete, empfing neue Anregung und Frische, als ihn der Stadtmagistrat gegen Ende 1864 mit der Einrichtung und Ordnung des neu zu organisirenden städtischen Archivs betraute, das aus allen nicht in die kgl. Archive gekommenen und sonst verstreuten Archivalien gebildet werden sollte. Im November 1866 erkrankte L. ernstlich an [66] einem Brustleiden. Seine Befürchtungen, die sich an diese Krankheit knüpften, bestätigten sich indeß nicht, er erholte sich gänzlich wieder und lebte noch 16 Jahre – er starb am 3. December 1882 – die letzten Lebensjahre ausgenommen in voller und ungetrübter körperlicher und geistiger Frische. L. zeigte von jeher für historische Forschungen eine besondere Neigung und Fähigkeit. Seine ersten geschichtlichen Arbeiten wurden von der Jablonowskischen Gesellschaft 1830 und 1831 durch die goldene Preismedaille ausgezeichnet. Die erste, welche über den Antheil Johann III. Sobieskys, Königs von Polen und Johann Georgs III., Kurfürsten von Sachsen, und ihrer Heere am Entsatze von Wien im J. 1683 handelt, ist bei Campe in Nürnberg erschienen. Lochner’s Bedeutung liegt nicht in jenen Arbeiten, welche der allgemeinen Geschichte angehören, sie ist einzig und allein auf dem Felde der Nürnberger Specialgeschichte zu suchen, wo er alte Irrthümer beseitigt und bisher Unbekanntes erforscht hat. Schon vom J. 1830 an, als er zum Behuf seiner Forschungen in die Praxis am kgl. Archiv eingetreten war, übte das Studium der Geschichte seiner Vaterstadt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf ihn aus. Die Frucht seiner ersten Nürnberger Studien war, kleinere Arbeiten abgerechnet, die Herausgabe der Müllner’schen Annalen bis zum J. 1219 (1833–35). Auf Grund des vorliegenden gedruckten Materials und der archivalischen Quellen konnte L. Müllner’s Angaben vielfach berichtigen und wesentlich ergänzen. Trotzdem läßt sich nicht bezweifeln, daß L. anfangs den Jahrbüchern und Relationen Müllner’s eine übertriebene Bedeutung beigemessen hat. Ohne den Verdiensten Müllner’s um die Historiographie Nürnbergs irgendwie zu nahe zu treten, wird man doch anderer Meinung sein müssen als L. in seiner kurzen Reformationsgeschichte der Reichsstadt Nürnberg, die beiläufig bemerkt wol seine schwächste Arbeit ist. Wenn er hier ausspricht, daß alle Nürnberger Geschichte bis zum J. 1600 auf Johann Müllner’s, des Rathschreibers, Chronik gegründet und sein Werk, wenn auch die neuere Forschung noch eine bedeutende Nachlese halten möge, doch die Grundlage jeder geschichtlichen Arbeit über Nürnberg, sei es über das Ganze oder über Einzelnes bilde, so ist er späterhin bezüglich der Bedeutung, Gründlichkeit und Glaubwürdigkeit des Nürnberger Rathschreibers zu Ergebnissen gelangt, die die vorhin angeführten Eigenschaften oft auf höchst bedenkliche Proben stellen. In seiner Stellung als städtischer Archivar fand L. Gelegenheit, seine reichen Kenntnisse in der Nürnberger Localgeschichte zu jenem Umfange und zu jener Tiefe zu erweitern, die Jeder, der ihm näher stand, so oft zu bewundern Anlaß nehmen konnte. Seine überaus zahlreichen Schriften und Artikel, die er im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, in den historisch-politischen Blättern und anderen Zeitschriften, dann dem Korrespondenten von und für Deutschland, an dem er von Ende December 1857 bis Ende Juni 1860 als Hülfsarbeiter thätig war, sowie anderen Nürnberger Localblättern veröffentlichte, werden ihm ein bleibendes Angedenken sichern. In dem Labyrinthe der Nürnberger Genealogie, die in ihm einen unermüdlichen Förderer fand, war er wie kein Anderer heimisch. Mit unablässigem Fleiße hatte er eine Revision von Biedermann’s Geschlechtsregistern des Patriciats zu Nürnberg vorgenommen, Berichtigungen und Ergänzungen zusammengetragen, die der Verstorbene dem Referenten selbst gezeigt: eine Arbeit von außerordentlicher Bedeutung für die Localforschung. Unter seinem Nachlasse haben sie sich nicht vorgefunden. Wo sie jetzt auch sein mögen, sicher ist es ein berechtigter Wunsch auf der einen Seite, dem auf der anderen eine unabweisliche Pflicht gegenübersteht, diese wichtigen Arbeiten der Oeffentlichkeit nicht vorzuenthalten. Sind sie in ihrer dermaligen Fassung für den Druck nicht geeignet, so ist ohne Zweifel die Nürnberger Stadtbibliothek der Ort, wohin sie gehören. [67] Mit dem gleichen nachhaltigen Eifer, wie die Familiengeschichte, hat L. das Feld der historischen Topographie, sowie das der Kunst- und Litteraturgeschichte gepflegt, manchmal allerdings mit einer peinlichen Gründlichkeit. So trocken nun auch diese Abhandlungen nicht selten erscheinen mögen: bei dem Localforscher und dem Geschichtsforscher überhaupt werden sie stets als wichtige Grundlagen rückhaltlose Anerkennung finden. Man darf wol sagen, noch auf lange hinaus wird L. auf dem Gebiete der Geschichte seiner Vaterstadt ein unerreichter Führer bleiben, dessen Fußstapfen man sich nicht wird entziehen können. Dem Magistrat der Stadt Nürnberg fällt das Verdienst zu, seine Schriften, soweit sie sich noch in seinem Nachlasse vorfanden, erworben zu haben. Zunächst eine umfängliche auf Grund der Quellen geschriebene Chronik, jetzt auf der Stadtbibliothek befindlich, eine höchst werthvolle Acquisition, die mit der L. eigenen Gründlichkeit die Geschichte der Stadt bis zum J. 1530 behandelt. Wer sich eine Vorstellung machen will von der gründlichen und eingehenden Art, mit welcher er die Geschehnisse und Zustände früherer Jahrhunderte zu schildern liebte, der lese seine Geschichte der Reichsstadt Nürnberg zur Zeit Karls IV., welche sich als einen Abschnitt seiner chronikalen Darstellung erweist. Weiter erwarb der Stadtmagistrat für sein Archiv eine von L. angelegte diplomatisch getreue Abschrift der Nürnberger Rathsbücher von 1441–1532 in 15 starken Quartbänden, sowie einen Auszug des reichsstädtischen Briefbuches vom J. 1502. Diese mit seltener Ausdauer hergestellten Abschriften bildeten ohne Zweifel Vorarbeiten für die erwähnte Chronik, deren Plan allerdings erst nach seiner Quiescirung im J. 1857 eine bestimmte Form gewann und in den 60er Jahren ins Leben trat. L. spricht in den kurzen Nachrichten, die er über sein Leben aufgezeichnet, davon, daß er seit jener Zeit „in der Absicht ein größeres Werk über Nürnberg zu schreiben, sich ausschließend mit darauf bezüglichen Studien beschäftigt habe“. Da nun seitdem die Bearbeitung der Chronik einen Zeitraum von beinahe 10 Jahren ausfüllt, so wird wohl diese auch als jenes „größere Werk“ in Anspruch genommen werden dürfen und für die weitere Annahme, daß er „eine Geschichte Nürnbergs in großem, vielleicht zu großem Maßstabe“ geplant habe, gebricht es an weiteren Anhaltspunkten, abgesehen davon, daß sie auch an sich bei dem schon vorgerückten Lebensalter Lochner’s wenig für sich hat. Lochner’s wissenschaftliche Thätigkeit entbehrte auch nicht der Zeichen äußerer Anerkennung. Abgesehen von den Auszeichnungen, die ihm die Jablonowski’sche Gesellschaft zu Theil werden ließ, ehrte ihn die philosophische Facultät der Universität Erlangen am 14. August 1854 durch Ertheilung des Doctorgrades und König Max II. von Baiern am 22. Januar 1856 durch Verleihung des St. Michaelsordens erster Classe.

Nach einer von L. herrührenden kurzen Lebensskizze.