ADB:Lorenz, Johann Michael

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Artikel „Lorenz, Johann Michael“ von Hermann Baumgarten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 179–180, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lorenz,_Johann_Michael&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 23:07 Uhr UTC)
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Lorenz: Johann Michael L., Professor der Geschichte und Beredtsamkeit an der Universität Straßburg. Ueber seine äußeren Lebensumstände liegt nur eine biographische Notiz seines Collegen Oberlin vor in dem Magasin encyclopédique VIIe année, t. 6 p. 220 ss. (Paris 1801), deren Angaben leider nicht durchweg den Eindruck der Zuverlässigkeit machen. Danach wurde er 1723 in Straßburg als Sprößling einer angesehenen Familie geboren, erhielt an dem dortigen Gymnasium seine erste Bildung und bezog schon mit 12 Jahren die Universität. Er wurde hier besonders von den Vorträgen Schöpflin’s gefesselt, welche er acht Jahre lang besucht haben soll. Schöpflin habe ihm dann auch die Unterweisung verschiedener vornehmer junger Herren verschafft, welche ja damals Straßburg besonders gern besuchten. 1748 vertheidigte er unter dem Vorsitz von Scherz seine Dissertation „De antiquo coronae Gallicae et Carolingorum Franciae regum in regnum Lotharingiae jure“. 1749 wurde er auf Schöpflin’s Empfehlung zum Hofmeister der Prinzen von Nassau-Usingen gewählt, mit welchen er fast drei Jahre die Universität Utrecht besuchte. Da er noch in dieser Stellung war, wurde er 1752 zum außerordentlichen Professor der Geschichte an seiner heimischen Universität gewählt, besuchte aber mit seinen Zöglingen noch Paris und trat erst im Sommer 1753 seine Professur an. Schon 1754 ernannte man ihn zum Professor der Beredtsamkeit. Seitdem verband er Vorlesungen über lateinischen Stil mit denen über alle Theile der Geschichte. Nach Schöpflin’s Tode im J. 1771 übernahm er die ordentliche Professur der Geschichte. Schon vorher war er zum Stiftsherrn bei St. Thomas und zum Bibliothekar der Universität ernannt worden. Er starb am 2. April 1801. Seine meisten historischen Publicationen („Epitome rerum Gallicarum“, 1762; „Tabulae temporum fatorumque orbis terrae“, 1762; „Tabulae temporum fatorumque Germaniae“, 1763; „Elementa historiae universae“ 1772; „Annales breves regum Merovaeorum“, 1773; „Elementa historiae Germanicae“, 1776; „Urbis Argentorati brevis historia“, 1789) tragen den Charakter von Lehrbüchern, welche eine eigenthümliche Neigung zu trockener Schematisirung verrathen. Am deutlichsten tritt seine Art wol in dem umfassendsten seiner Werke hervor, der vierbändigen „Summa historiae Gallo-Francicae, civilis et sacrae“, welche er 1790 [180] bis 1793 herausgab. Er verwendet da z. B. 87 Seiten auf die Regierung Franz I., gibt aber, da er Alles unter höchst complicirten Formeln rubricirt, nicht einen zusammenhängenden Satz, schreibt nichts als eine den Leser förmlich erdrückende Fülle zerrissener Einzelnheiten. Mit großer Sorgfalt ist er bemüht jedes Datum quellenmäßig zu belegen; da er aber jeden Vorgang in seine kleinsten Glieder zerlegt, so führt das zu endlosen Wiederholungen. Man kann kein frappanteres Gegenstück zu dieser ganz äußerlichen Schematisirung finden als Spittler’s Entwurf der europäischen Staatengeschichte, welcher fast gleichzeitig erschien. Die Straßburger Universitätsbibliothek besitzt die französische Uebersetzung einer von L. im lateinischen Manuscript hinterlassenen Geschichte Straßburgs bis zum J. 1800, worin eine gewisse fortlaufende Erzählung versucht wird. Aber auch hier zerbröckelt Alles in zusammenhanglose und überdies schlecht geordnete Details, welche auch nicht die schwächste Vorstellung von dem historischen Leben der Stadt erwecken. – L. hat auch einige theologische Schriften veröffentlicht, unter welchen die „Annales Paulini“ (1769) die meiste Anerkennung gefunden haben. – Noch ein Umstand verdient erwähnt zu werden. Schon in seiner ersten Schrift suchte L. gegen die damaligen deutschen Publicisten das alte Recht Frankreichs auf Lothringen nachzuweisen. Mit höchst überraschender Stärke tritt aber der französische Standpunkt in einer Rede hervor, welche L. am 29. September 1781 vor den versammelten Ständen zur Feier des 100jährigen Jubiläums der „Wiedervereinigung“ Straßburgs mit Frankreich hielt und in welcher er seinem „Jubelgefühl“ einen geradezu überschwänglichen Ausdruck gab. „So kam endlich“, heißt es unter Anderem, „die verlohrene Tochter in die offenen Arme der Mutter zurück. So ward aller Furcht, Angst, Noth, allem hundert-, vielhundertjährigen Elend und Jammer auf einen Tag, in einer Stunde ein ewiges Ziel gesetzet.“ Keiner von den vielen Rednern jener Tage ist gegen die deutsche Vergangenheit der Stadt so maßlos ungerecht gewesen. Da L. viele Jahre hindurch der officielle Festredner der Universität war, so kann der Einfluß derartiger Anschauungen nicht gering gewesen sein.