ADB:Schöpflin, Johann Daniel

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Artikel „Schoepflin, Johann Daniel“ von Wilhelm Wiegand in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 359–368, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%B6pflin,_Johann_Daniel&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 05:39 Uhr UTC)
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Schoepflin: Johann Daniel S., Historiker, wurde am 6. September 1694 zu Sulzburg in der damaligen Markgrafschaft Baden-Durlach als der Sohn eines niedern markgräflichen Beamten geboren. Man könnte versucht sein, für sein späteres Lebenswerk, das in der Geschichte der oberrheinischen Lande gipfelte, schon darin eine glückliche Vorbedeutung zu erblicken, daß er väterlicherseits [360] dem rechtsrheinischen Lande angehörte, während seine Mutter, Anna Margaretha Bardolle, aus Colmar im Elsaß stammte, wenn das Jahrhundert des Weltbürgerthums es überhaupt gestattete, den landschaftlichen Wurzeln der Abstammung einen solchen Werth beizulegen. Wenn wir auch Näheres über die Gesinnungs- und Denkweise der Schoepflin’schen Eltern nicht wissen, aus dem Lebensgang ihrer Kinder, die soweit uns bekannt, alle eine gesicherte Stellung errangen, und aus dem gesammten Familienverhältniß dürfen wir jedenfalls entnehmen, daß kein schlechter Geist im Hause waltete. Frühzeitig ließen sie sich die geistige Ausbildung ihres Sohnes, dessen besondere Begabung offenbar war, trotz beschränkter Mittel angelegen sein, erst sechs Jahre alt gaben sie ihn auf das markgräfliche Gymnasium in Durlach, das er in raschem Laufe durcheilte, mit 11 Jahren sandten sie ihn zur Vollendung seiner Gymnasialbildung nach Basel und mit 13 Jahren bezog S. bereits die dortige Universität. Er hörte in der philosophischen Facultät bei S. Battier Griechisch, bei J. Bernouilli Mathematik und Physik, aber sein ganzes Interesse fesselte J. Christoph Iselin, der Vertreter der Geschichte und Alterthumswissenschaft. Unter seiner Führung lernte er alte Handschriften lesen und Inschriften entziffern. Mit einem wahren Feuereifer warf sich der Jüngling auf die antiquarischen Studien, unterstützt durch die reichen Schätze der Baseler Universitäts- und Iselin’s Privatbibliothek, und unter der Leitung seines Lehrers, sub praesidio, wie der technische akademische Ausdruck damals lautete, vertrat er 1711 in öffentlicher Disputation seine erste antiquarische Abhandlung, welche eine Triestiner Inschrift aus der Zeit des Kaisers Augustus behandelte. Wenn sich auch sein eigener geistiger Antheil an dieser Arbeit von demjenigen Iselin’s nicht scharf trennen läßt, jedenfalls offenbart sie die Richtung seiner Studien schon in eigenthümlicher Weise und bezeugt, daß er sich auf dem Gebiete der römischen Staats- und Sacralalterthümer gründlich orientirt hatte. Daß diese Dissertation gewissermaßen den Abschluß seiner Baseler Lehrjahre bezeichnen sollte, ist unzweifelhaft, ob dem Moment auch äußerlich durch Verleihung eines akademischen Grades Ausdruck gegeben wurde, ist sehr unsicher.

Im Sommer 1711 bezog S. die Universität Straßburg, wo er sich bei der theologischen Facultät einschreiben ließ. Aller Wahrscheinlichkeit nach war dieser Wechsel mit dadurch veranlaßt, daß sein Vater gleichzeitig seinen Wohnsitz von Sulzburg nach Reichenweier im Oberelsaß verlegt hatte in der Hoffnung, dort in der Stellung als protestantischer Kirchenschaffner sich ein einträglicheres Einkommen zu sichern. Es war eine entscheidende Schicksalswendung für S. Nicht bloß, weil Straßburg ihn bis an sein Lebensende festgehalten hat, sondern weil auch die Wurzeln, die er im elsässischen Leben zu schlagen begann, für seine weitere Entwicklung durchaus bestimmend wurden. Wir sind über seine akademischen Studienjahre in Straßburg ein wenig besser unterrichtet, wie über die Baseler Zeit. Wir wissen, daß er bei Professor Barth Kirchengeschichte hörte, bei Scherz Moralphilosophie und bei Boecler Staatsrecht und daß er zu dem ersten in einem intimern Verhältniß stand, so daß ihm Barth zu einer Pariser Studienreise verhelfen wollte, die jedoch nicht zur Ausführung kam. Den größten Einfluß indeß gewann auf ihn Johann Kaspar Kuhn, der Professor für Eloquenz und Geschichte, der die Arbeit Iselin’s an seinem Schüler in erweitertem und vertieftem Maßstabe fortsetzte. S. schloß sich auf das Innigste ihm an, er wurde sein Hausgenosse und zugleich der Lehrer seines kleinen Sohnes. In dieser vertrauten Stellung blieb er nahezu neun Jahre, dieselben sind für die Richtung seiner Studien ausschlaggebend geworden. Nicht nur, daß er an seinem Lehrer die universale Gelehrsamkeit und die Genauigkeit seiner historischen Forschung so hochschätzte, glühender noch bewunderte er die Gabe seiner Beredsamkeit, [361] den Schwung und Glanz der Ciceronianischen Phrasen, mit denen Kuhn den Geburtstag des großen Königs Ludwig XIV. in öffentlicher akademischer Rede zu feiern pflegte, immer an die politischen Tagesereignisse anknüpfend. Diesem Meister dereinst gleichzukommen war seine brennendste Sehnsucht und der Lorbeer des Rhetors war auf lange Zeit hinaus sein höchster Ehrgeiz. Ihn zu pflücken versuchte er im November 1717 zum ersten Mal, wo er von seinem Lehrer geleitet und eingeführt im Brabeuterium, der Universitätsaula, das Lob des Germanicus verkündete, den er seinen Hörern zeichnete als rarum principis ad spem imperii nati exemplar. Zum zweiten Male betrat er zwei Jahre später die Rednertribüne, um die Leichenrede auf Professor Barth zu halten. Wenn uns auch heute diese lateinischen Phrasenergüsse kalt lassen, welche die wenigen Gedanken unter einem Schwall von Worten begraben, und wenn wir darin die wissenschaftliche Würdigung eines Mannes wie Barth und später Kuhn’s gänzlich vermissen, so haben sie doch damals eine andere Wirkung gehabt und auf den jungen Redner frühzeitig die Erwartung und Hoffnungen der akademischen Welt gelenkt. Ihnen entsprach auch seine erste größere geschichtliche Arbeit, die „Diatriba de origine, fatis et successione regni Navarrae“, welche er sub praesidio Kuhnii im Beginn des Jahres 1720 nebst 12 Thesen aus dem Gebiet der lateinischen Litteratur und der alten wie mittelalterlichen Geschichte in öffentlicher Disputation vertheidigte. Entstehungsweise und Zweck der Arbeit sind charakteristisch für S. und den damaligen Betrieb der Straßburger Studien überhaupt, welche nach Goethe’s Zeugniß eine stete Richtung auf das Praktische hatten. Eben damals war eine französische Armee in Navarra eingedrungen, und S. suchte nun zu beweisen, daß die Ansprüche Frankreichs auf dieses Land gegen Spanien wohlbegründet seien. Dennoch ist seine Arbeit weit mehr als eine politische Gelegenheitsschrift, sie ist eine ernsthafte, gründliche, auf Quellenstudien gestützte Untersuchung. Viel rascher, als er erwartet hatte, erntete er die Frucht seines unablässigen Strebens und seines ersten erfolgreichen akademischen Auftretens, für das der städtische Magistrat ihm bereits ein Gratiale, ein kleines Geldgeschenk zugebilligt hatte. Als im October 1720 ganz unerwartet Professor Kuhn starb, richteten sich aller Blicke auf seinen jugendlichen Lieblingsschüler, als auf seinen berufenen Nachfolger. Mit Uebergehung anderer formeller Bewerbungen beschloß die philosophische Facultät einstimmig, „obschon man nur äußerlich vernommen, daß H. J. D. S. gleichfalls ambire“, denselben für die erledigte Professur in Vorschlag zu bringen. Dieser Vorschlag fand die Bestätigung der Universitätsbehörden und am 22. November 1720 wurde S., nachdem er zuvor seinem geliebten Lehrer die akademische Leichenrede, die parentalia gehalten hatte, zum professor historiarum et eloquentiae ernannt. Wenn man weiß, ein wie engherziger, beschränkter, oft nur dem Familieninteresse dienender Geist an der Straßburger Universität und in dem ganzen städtischen Behördenorganismus, in den Kammern der Dreizehner, Fünfzehner und Einundzwanziger waltete, welcher Nepotismus bei der Besetzung der Stellen herrschte, erst dann ermißt man die Größe des durchschlagenden Erfolgs, welchen der 26jährige, fremde Gelehrte errungen hatte.

In den ersten Jahrzehnten seines akademischen Wirkens legte S. das Schwergewicht seiner Thätigkeit auf die Vorlesungen und Unterweisungen in der Eloquenz. Cicero und Quintilian wurden gelesen und an ihnen der lateinische Stil gelehrt, in praktischen Uebungen gebildet. S. leitete die öffentlichen Redeproben seiner Schüler und war selbst bei allen feierlichen Anlässen der berufene Sprecher der Universität. So hat er von 1722 ab bis 1745 nicht weniger als zwanzigmal die Festrede an Königs Geburtstag gehalten und auch andere freudige Ereignisse in der königlichen Familie begleitete er mit seinen oratorischen Ergüssen. [362] Bei der Hochzeitsfeier Ludwig’s XV. mit Marie Lesczinska im J. 1725 hatte er nahezu zehn Ansprachen zu halten, die ihm denn auch von König Stanislaus das Lob eintrugen, er sei ein zweiter Cicero. Ein gewisses Interesse bieten diese Reden auch heute noch, weniger ihrer Form als ihres Inhalts wegen. Für Schoepflin’s geistige und speciell oratorische Gewandtheit legen sie ein bedeutsames Zeugniß ab, allerdings nicht in gleichem Maaße für seinen historischen Sinn und für die Wahrheit seiner Empfindung. Gleich seinem Meister und Vorgänger Kuhn knüpft er überall an die augenblicklichen politischen Ereignisse an, so bespricht er in der Rede von 1722 die Quadrupelallianz, das Ende des Nordischen Kriegs und den Law’schen Finanzschwindel, 1723 die Krönung zu Rheims, 1734, 1735 und 1736 die Wendungen des Polnischen Erbfolgestreits, 1741–1745 die Entwicklung des Oesterreichischen Erbfolgekriegs. Die wahrlich nicht kleine Aufgabe, Ludwig XV. als den großen Herrscher im Frieden wie im Kriege zu preisen, löst er mit unleugbarem Geschick, allerdings blind dabei gegen die ernste Wirklichkeit der Dinge. Die französischen Könige erscheinen ihm als die starken Stützen der europäischen Ordnung, als die treuen, besorgten Hüter für Deutschlands Frieden und Wohlfahrt. 1733 spricht er über das Thema Felix Borboniis Alsatia. Elsaß vergleicht er dabei mit Campanien, während es im Mittelalter nur Unglück und Zerstörung gesehen habe, habe sich ihm erst seit der Vereinigung mit Frankreich die schöne Blüthe materiellen Gedeihens und geistiger Cultur erschlossen. Man mag der schwierigen Aufgabe des Festredners und dem kalten Pathos der fremden Sprache noch so viel zu gute halten, der historische Sinn Schoepflin’s, seine Fähigkeit, den Zusammenhang der geschichtlichen Entwicklung zu ergreifen, erscheint doch in sehr wenig günstiger Beleuchtung.

In den Hintergrund trat zunächst der geschichtliche Unterricht, bei dem es darauf ankam, die Studirenden mit den ersten wissenschaftlichen Grundzügen vertraut zu machen. Er beschränkte sich auf die Erklärung einiger antiker Historiker und auf eine kurze Uebersicht über die allgemeine Weltgeschichte wie der europäischen Staatengeschichte nach elementaren Leitfaden. Dabei wußte aber S. seine Hörer, wenn auch vorerst nicht zu selbständiger Forschung, so doch zu lebendigem Interesse anzuregen und schon in jenen ersten Jahren seiner Lehrthätigkeit entstand eine Reihe von historischen Dissertationen, die von seinen Schülern vertheidigt allerdings nach damaliger Sitte zum größten Theil auf Schoepflin’s eigene Arbeit zurückgehen. Sie behandeln zumeist Vorwürfe aus der römischen und frühmittelalterlichen Geschichte, wie die Origines Romanae oder die Alemannicae antiquitates, und zeigen schon ganz die Art des Meisters, die einzelne geschichtliche Erscheinung in ihrer Ueberlieferung zu prüfen mit Heranziehung des gesammten Quellenmaterials und der darüber entstandenen Litteratur, die historische Thatsache an und für sich reinlich herauszuschälen ohne besondere Berücksichtigung ihrer Stellung und Bedeutung im causalen geschichtlichen Zusammenhang. Näher lag ihm am Herzen die gründliche Auseinandersetzung mit den Ansichten Andrer, die mit peinlichster Sorgfalt sämmtlich wiedergegeben und beleuchtet werden. Schoepflin’s Ruf als Lehrer und Forscher muß sich rasch verbreitet haben, schon 1723 erhielt er eine Berufung an die Universität in Frankfurt a. d. Oder, die er ablehnte, und 1725 bot ihm Kaiserin Katharina I. die Vertretung der Geschichte an der Petersburger Akademie und die Stellung eines russischen Hofhistoriographen an. Dies Anerbieten wurde für S. die Ursache einer wesentlichen pecuniären Aufbesserung seiner Professur und gab den Anlaß, daß ihm der Rath der Stadt einen längeren Urlaub und eine beträchtliche Unterstützung für eine Studienreise nach Frankreich und Italien gewährte. Der hierüber geschlossene Contract hat dann S. für immer an Straßburg gebunden [363] und später die ehrenvollsten Berufungen nach Upsala, Wien und Leyden scheitern lassen.

Im April 1726 trat S. seine Reise an. Er ging zunächst nach Paris, wo er im anregenden Verkehr mit den ersten Gelehrten Frankreichs, wie Bignon, Hardouin, Martene u. A., vor allem mit dem großen Mauriner Montfaucon sich in die Schätze der Pariser Bibliotheken wie des königlichen Münzcabinets vertiefte und eine Reihe persönlicher wie geselliger Beziehungen anknüpfte, die für ihn und Andre sehr fruchtbar werden sollten. Er legte großen Werth darauf, bei Hofe und bei hohen einflußreichen Persönlichkeiten eingeführt zu werden und auch in diesen Kreisen nicht unbemerkt zu bleiben. „Gesellig und gesprächig von Natur, so hat ihn Goethe treffend gezeichnet, verbreitet er sich wie im Wissen und Geschäften so auch im Umgange, und man begriffe kaum, wo er alle Zeit hergenommen, wüßten wir nicht, daß eine Abneigung gegen die Frauen ihn durch sein ganzes Leben begleitet, wodurch er so manche Tage und Stunden gewann, welche von frauenhaft Gesinnten glücklich vergeudet werden“. Im September 1726 verließ er Paris und ging über Lyon, Turin, Verona, Padua, Venedig, Ravenna, Spoleto nach Rom, wo er am Ende des Jahres, eintraf. Wie die Fülle der lebendigen Eindrücke in der ewigen Stadt auf ihn wirkte, das lassen wir ihn am besten durch seinen Bericht an den Straßburger Rath selbst bezeugen. „Die vortrefliche Reste des römischen Alterthums, so schreibt er im April 1727, die Menge der schönsten Monumenten, Statuen, Inscriptionen, so bereits gefunden und noch täglich entdeckt werden, die berühmte vaticanische, barberinische und ottobonische Bibliotheken, die viele Galerien und Cabinets geben mir in der Historie ein so großes Licht, daß Eurer Gnade zu versichern mich unterstehe, daß ich in 4 Monate in Rom mehr profitirt, als ich durch Lesen in vielen Jahren würde gelernt haben“. Im engen Verkehr mit den beiden jungen Grafen Harrach, denen er über historische und archäologische Gegenstände bezahlte Vorlesungen hielt, gewann er Eintritt in die Kreise der Römischen Aristokratie und lernte einige der Kunst und Wissenschaft liebenden Cardinäle näher kennen wie Albani, Corsini, Imperiali. Er nahm an den großen Ausgrabungen theil, die damals unter Papst Benedict XIII. mit erneutem Eifer wieder aufgenommen wurden, und begann selbst durch einzelne glückliche Ankäufe den Grund zu seinem reichen Antikencabinet zu legen. Nachdem er Ostern 1727 Neapel und seiner Umgebung einen kurzen Besuch abgestattet hatte, trat er Ende Mai die Rückreise über Florenz an. Zu Parma suchte er den bedeutendsten italienischen Historiker seiner Zeit Muratori auf und über Genua begab er sich dann in die Provence, wo er ebenfalls die Ueberreste des römischen Alterthums studirte. In Paris erwartete ihn der Auftrag des damaligen elsässischen Gouverneurs, des Marschalls d’Huxelles, eine diplomatische Sendung nach England zu übernehmen, und über die durch den Tod König Georg’s I. geschaffene politische Lage einen eingehenden Bericht zu erstatten. Für Frankreich war es bei seinen damaligen intimen Beziehungen zu England von Werth, vollständige Informationen darüber zu erhalten, wie sich Ministerium und Parteien unter Georg II., der in heftigster Opposition immer gegen seinen Vater gestanden hatte, stellen würden. Für S. aber war dies jedenfalls eine willkommene Aufgabe, da eine politische Rolle zu spielen immer seinen Ehrgeiz gestachelt hatte. Sein Bericht scheint ganz kürzlich erst im Pariser Archiv wieder aufgefunden worden zu sein, läßt jedoch nach den kurzen Auszügen, die uns bis jetzt mitgetheilt sind, nicht erkennen, ob S. mit Scharfblick die großen Veränderungen im innern Leben Englands, die wachsende Macht des Unterhauses, die Corruption der obern Gesellschaftsschichten erfaßt hatte. Um in Robert Walpole den fähigsten Minister, den das Land besitzen könne, zu finden, dazu gehörte keine außergewöhnliche Beobachtungsgabe. Den Winter von 1727/28, [364] den S. in England zubrachte, benutzte er auch dazu Verbindungen mit Oxford anzuknüpfen und die Bekanntschaft verschiedener Gelehrter, vor allem des großen Philologen R. Bentley zu machen. Im Frühjahr 1728 verließ er England, kehrte über die Niederlande nach Paris zurück, wo er über seine Mission Bericht erstattete, und traf im Mai wieder in Straßburg ein. Von seinen spätern Bildungs- und Studienreisen verdienen hauptsächlich zwei noch eine ausführlichere Erwähnung. Im Jahr 1731 besuchte er in Begleitung des Grafen Thun Holland, wo er zu Utrecht Drakenborsch, zu Leyden u. A. Boerhaave und Vitriarius kennen lernte und auf des letztern Veranlassung einen Vortrag über die Entwicklung der deutschen Reichsverfassung hielt, der nicht blos den Beifall der Menge, sondern auch des ausgezeichneten Staatsrechtslehrers fand. Auf der Rückreise berührte er Paris, wo er in der Akademie der Inschriften, deren correspondirendes Mitglied er 1729 geworden war, über ein Monument der achten römischen Legion bei Straßburg las. Seine dritte Reise im J. 1738 war im wesentlichen eine Recognoscirung der deutschen Universitäten und Fürstenhöfe. Von den erstern besuchte er u. A. Gießen, Marburg, Jena, Halle, Leipzig, Würzburg, ohne daß er von ihrem Studienbetrieb besonders lebhafte und günstige Eindrücke empfing, unter den letztern waren es nahezu alle süd- und mitteldeutschen Höfe, bei denen er sich einführen ließ, um das verwickelte deutsche Staatsrecht in der Praxis und an seinem Ursprung kennen zu lernen. Ueber Dresden und Prag ging er nach Wien, wo er durch die Vermittlung des allmächtigen Bartenstein, eines gebornen Straßburgers, wiederholte Audienzen beim Kaiser und der Kaiserin erhielt und namentlich den erstern durch seine geschickte genealogische Lehre von der Abstammung der Habsburger und Lothringer von der elsässischen Herzogsfamilie der Etichonen zu fesseln und zu gewinnen wußte. Von allen Seiten, namentlich auch in den aristokratischen Kreisen, brachte man dem gefeierten Gelehrten Huldigungen und Auszeichnungen dar und dieser Wiener Aufenthalt sollte nach mancher Richtung hin von Bedeutung für Schöpflin’s ferneres Schicksal werden.

Während er nach Straßburg von seinen Reisen zurückgekehrt seine früheren Studien zur römischen und mittelalterlichen Geschichte wieder aufgenommen hatte u. a. die Apotheose der römischen Kaiser, das römische Auspicienwesen, die Entwicklung des burgundischen Reichs bis zum Ende der Karolingerzeit bearbeitete, und diese Untersuchungen 1741 in seinen „Commentationes historicae et criticae“ zum größten Theil gesammelt herausgab, während er sich schon mit den Plänen und den Vorbereitungen zu seinem großen elsässischen Geschichtswerk trug und dafür Archivreisen in die Schweiz und in die Freigrafschaft machte, erlitt er in seiner Stellung an der Universität eine Reihe von bittern Verdrießlichkeiten, die nicht zum wenigsten sein stetig wachsendes Ansehen heraufbeschwor. An Anerkennung von Seiten des französischen Hofes hatte es nicht gefehlt, 1740 war S. von Ludwig XV. zum königlichen Rath und Historiographen von Frankreich ernannt worden; den städtischen Behörden aber, vor allen den Scholarchen, wurde die größere Selbständigkeit, die freiere Sicherheit ihres Professors unbequem. Ueber Form- und Taktfragen gelegentlich der lateinischen Festreden, die S. zu halten hatte, entspann sich ein Zwist zwischen ihm und dem städtischen Rath, der dazu führte, daß ihm anfangs 1746 die Königsgeburtstagsrede dauernd entzogen und einem jüngern Collegen und Schüler, einem Extraordinarius übertragen wurde. Dieser Zwist wurde durch den königlichen Prätor, den Herrn v. Klinglin, für die Verwaltung Straßburgs traurigen Angedenkens, mit Absicht geschürt. Letzterer wandte sich sogar mit einer directen Anklageschrift gegen S. an den Kanzler in Paris, d’Aguesseau, in der er ihn der Unfähigkeit und Nachlässigkeit für seine Amtsverrichtungen, sowie österreichischer Sympathien, die stark an Hochverrath streiften, bezichtigte. Zum Glück war der Kanzler ein maß- und [365] einsichtsvoller Mann, dem S. durch eine Reise nach Paris und Vorlage seiner Arbeiten leicht den Ungrund aller Vorwürfe klarlegen konnte, so daß der Prätor mit Schärfe in seine Schranken zurückgewiesen wurde. Aber die leidige Spannung dauerte doch bis zum Sturze Klinglin’s im J. 1752 an. Von diesem Jahre ab datirt auch eine tiefgreifende Wandlung in der akademischen Stellung und Lehrthätigkeit Schoepflin’s. Bis dahin hatte er sich in seinen Rechten und Pflichten von keinem seiner Collegen an der Universität unterschieden. Das Decanat der Facultät führte er elfmal und das Rectoramt bekleidete er zweimal in den Wintersemestern 1728 und 1736, auch eine Canonicatspfründe von St. Thomas hatte er wie üblich bekommen und im Capitel dieser Kirche stieg er allmählich zum Senior und Decan auf. Keiner der damit verbundenen Verpflichtungen hatte er sich entzogen, seine öffentlichen und privaten Vorlesungen hatte er gehalten und bei den Promotionen wie bei allen andern akademischen Acten mitgewirkt. Wiederholt war er für die Interessen der Universität in sehr wirksamer Weise eingetreten, die in ihrer ganzen Organisation und in ihrem Lehrgang den deutschen Hochschulen verwandt dem französischen Geiste ferne stand und die in ihrer streng abgeschlossenen protestantischen Haltung den Mißmuth der Katholiken erregte. So war es ihm geglückt, das Verlangen der letztern, es solle auch bei der Besetzung der Professuren wie bei den städtischen Aemtern die Alternative eintreten d. h. ein Katholik mit einem Protestanten wechseln, im J. 1751 durch seine persönliche Intervention beim französischen Hofe zur Ablehnung zu bringen. Wie mannigfache Verdienste er sich mithin schon um die Universität erworben hatte, sie sollten durch seine veränderte Lehrthätigkeit noch eine bedeutende Steigerung erfahren. Indem er sich von den gewöhnlichen geschichtlichen Vorlesungen entbinden und dieselben einem seiner Schüler, dem Extraordinarius Lorenz übertragen ließ, indem er demselben bald darauf auch die Professur der Eloquenz abtrat, beschränkte er sich darauf, einem Kreise bevorzugter Hörer die diplomatische Geschichte der letzten Jahrhunderte, Staatsrecht und verwandte Disciplinen vorzutragen. Unterstützt von seinem Schüler Koch (s. A. D. B. XVI, 371), der später sein Werk fortsetzte, schuf er so an der Universität eine kleine diplomatische oder staatswissenschaftliche Schule, die bald Ruf durch ganz Europa gewann und der junge Adlige aus allen Ländern zuströmten, vor allem aus Oesterreich, wo S. in den aristokratischen Kreisen im guten Andenken stand, und aus Frankreich, wo der Minister Choiseul die besten Zöglinge der Militärschule nach Straßburg sandte. Cobenzl, Metternich, Montgelas, die Grafen Rasumofski, der Graf de Ségur, die Barone Bignon und Bourgoing u. a. haben, wenn auch nicht alle schon zu Schoepflin’s Zeiten, hier ihre Ausbildung erhalten. Die Universität gewann wieder wie in den Tagen Johann Sturm’s nahezu den Charakter einer europäischen Ritterakademie, der Glanz, der ihren Namen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts umstrahlt, geht fast ausschließlich auf S. zurück.

Zugleich sicherte er sich durch diese Entlastung von den akademischen Verpflichtungen die Muße, welche er für die Vollendung seiner großen geschichtlichen Arbeiten dringend nothwendig hatte. Wenn wir einer Andeutung von S. in der Vorrede seiner „Alsatia illustrata“ folgen dürfen, so hat er den Plan zu dieser großen Publication, welche eine geschichtliche Beschreibung des Elsaß von der ältesten Zeit bis auf seine Tage werden sollte, kurz nach der Rückkehr von seiner ersten großen Studienreise, also schon im J. 1729 gefaßt, offenbar angeregt durch die gewaltigen Unternehmungen der französischen und italienischen Gelehrten, eines Hardouin, Martene, Muratori und Montfaucon. Mehr als zwei Jahrzehnte waren dann über der Sammlung, Sichtung und Verarbeitung des Materials vergangen, als endlich im J. 1751 der erste Band der „Alsatia illustrata“ ans Licht trat, der die keltische, römische und fränkische Zeit umfaßte. [366] 1761 folgte der zweite Band,. welcher die mittelalterliche und neuere Geschichte des Elsaß behandelte. Ein ursprünglich in Aussicht genommener dritter Band, der die „Alsatia sacra et litterata“ bringen sollte, blieb aus. Der Plan, den einst U. Obrecht (s. A. B. XXIV, 119) schon gefaßt hatte, ist hier zur Ausführung gekommen, ohne daß irgendwie nennenswerthe Vorarbeiten den Weg gewiesen hätten. Wenn man irgend einer gelehrten Arbeit die Bedeutung zuerkennen darf, daß sie für die fernere wissenschaftliche Forschung grundlegend geworden sei, so darf die „Alsatia illustrata“ für die elsässische Geschichte diese Werthung sicher beanspruchen. Noch heute sind wir nahezu in allen territorialgeschichtlichen und genealogischen Fragen gezwungen, auf ihre Angaben zurückzugehen und vielfach ihnen allein zu folgen. Mehr als der zweite Band hat selbstverständlich der erste an Bedeutung eingebüßt, weil große Theile darin naturgemäß von der Forschung längst weit überholt und jetzt ganz veraltet sind, wie z. B. die Darstellung der keltischen Periode. Aber schon für die römische Zeit ist die Arbeit noch in den meisten Punkten brauchbar, während für die fränkische Epoche wiederum die wissenschaftliche Untersuchung seitdem andere Bahnen eingeschlagen hat. Die Disposition des Stoffs ist allerdings nicht glücklich und zwingt namentlich im ersten Bande zu lästigen Wiederholungen. S. behandelt z. B. in der Römerzeit nacheinander die Geographie des Landes, die Straßen und Niederlassungen mit ihren Alterthümern, die Civil- und Militärverwaltung, Culturgeschichte, Anfänge des Christenthums, gibt dann eine fortlaufende Jahresgeschichte und schließt endlich mit einer genauen Beschreibung aller Alterthümer und sorgfältigen Wiedergabe der Inschriften. Im zweiten Bande, wo das Ganze beinahe in der Weise eines modernen historisch-statistischen Wörterbuchs angelegt ist, wirkt die Gruppirung vortheilhafter und praktischer, sie entspricht übrigens durchaus der geistigen Art Schoepflin’s und der Natur des Stoffes, da eine zusammenhängende Geschichte des Elsaß im Mittelalter und der Neuzeit von einheitlichem Gesichtspunkte aus zu schreiben, zu den allerschwierigsten historischen Aufgaben, wenn nicht zu den Unmöglichkeiten zählt. Als eine Nebenfrucht seiner großen Arbeit dürfen wir die „Alsatia diplomatica“ betrachten, deren beide Bände allerdings erst nach seinem Tode 1772 und 1775 von seinem Schüler Lamey (s. D. A. B. XVII, 568) besorgt erschienen, obschon der Druck, dessen Kosten der Kurfürst von der Pfalz trug, bereits 1761 begonnen hatte. Ein überaus reichhaltiges urkundliches Material zur Geschichte des Elsaß vom Jahre 660 an bis zum Jahre 1773, nahezu 1600 Urkunden und Actenstücke, von denen viele seitdem im Original unwiederbringlich verloren sind, ist hier in einer für die damalige Zeit vortrefflichen Art und Weise bearbeitet und herausgegeben. Auf Vollständigkeit macht die Publication natürlich keinen Anspruch, und wenn auch ihre Sorgfalt selbstverständlich den Anforderungen, die wir heutzutage mit Recht und mit Unrecht an archivalische Editionen stellen, nicht völlig genügt, so ist sie doch von derartigen Flüchtigkeiten frei, wie sie Grandidier’s urkundliche Veröffentlichungen aufweisen. Gesammelt hatte S. ferner noch, wie wir aus späteren Ankündigungen wissen, die bedeutenderen elsässischen Chroniken und Annalen aus dem Mittelalter und der Reformationszeit, die als „Scriptores Alsatiae“ erscheinen sollten. Ihre Ausgabe hat der Ausbruch der Revolution verhindert, und zugleich ist damit jede Spur dieser Arbeit verloren gegangen, was um so mehr zu bedauern ist, als sie für manche Quellen, wie z. B. die Dominicaner-Annalen von Colmar bessere, heute verschollene Vorlagen benutzt zu haben scheint. Die ebenfalls geplante „Alsatia litterata“, deren Bearbeitung S. Oberlin anvertraute, ist nicht über die ersten von ihm gegebenen Grundzüge und über einige kleine Bruchstücke, Dissertationen von Oberlin’s Schülern, hinausgediehen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhange noch Schoepflin’s 1760 erschienene Schrift „Vindiciae typograhicae“, in der er auf [367] Grund neu gefundener Actenstücke mit Erfolg den Beweis führte, daß Straßburg recht eigentlich der Ruhm gebühre, die Wiege der Buchdruckerkunst genannt zu werden, in der er den Mentel-Cultus seiner Landsleute (s. A. D. B. XXI, 370) zerstörte, um den Mainzer Gutenberg und seine Erfindung der beweglichen hölzernen Lettern für Straßburg in Anspruch zu nehmen. Wenn nun freilich auch dies Resultat vor der neueren Untersuchung nicht mehr bestehen kann und Gutenberg’s Beschäftigung in Straßburg wieder in Dunkel gehüllt ist, immerhin ist die Summe der Verdienste, welche sich S. durch alle jene Arbeiten um die elsässische Geschichte erworben hat, auch heute noch so gewaltig, daß kein einziger der vor- und nachlebenden Forscher auf diesem Gebiet die seinigen dagegen in die Wagschale werfen kann. Und auch unter den gleichzeitigen Unternehmungen auf dem Felde der deutschen Landesgeschichte ist keine, die an methodischer Führung und dauernder wissenschaftlicher Bedeutung neben die „Alsatia illustrata“ gestellt werden könnte, selbst die besten wie Eckhart’s Geschichte von Ostfranken und Herrgott’s Untersuchungen zur Geschichte der Habsburger nicht ausgenommen. Wenn wir auch die heute längst völlig antiquirte Abhandlung über die „Keltischen Alterthümer“, die 1754 erschienenen „Vindiciae Celticae“ übergehen können, so verdient doch die letzte große Arbeit Schoepflin’s, in der er seinen Dank gegen sein Geburtsland abtrug, noch eine ausführliche Erwähnung: die „Historia Zaringo-Badensis“, welche er auf Anregung des badischen Markgrafen Karl Friedrich in der kurzen Zeit von drei Jahren, von 1763–1766, in sieben Bänden zum Abschluß brachte. Die Geschichte der Herzöge von Zähringen und Teck, sowie der älteren badischen Markgrafen ist im ersten Bande behandelt, die Christophinische Zeit im zweiten, die Geschichte der Bernhardinischen Linie, der Markgrafen von Baden-Baden füllt den dritten, die des Ernestinischen Zweigs, der Markgrafen von Baden-Durlach den vierten Band, dessen Schluß die gesegnete Regierung Karl Friedrich’s preist, welche von der dankbaren Nachwelt den Beinamen aurea Badensium aetas erhalten werde. Die letzten drei Bände enthalten die Urkundenbelege, wie denn überhaupt nach Schoepflin’s Art das archivalische Material breit in den Vordergrund gerückt ist, namentlich bei den zahlreichen genealogischen Fragen, und der Fluß der geschichtlichen Erzählung oft ins Stocken geräth. An wissenschaftlicher Bedeutung steht das Werk hinter der „Alsatia illustrata“ weit zurück, man kann nicht verkennen, daß hier rasche und bestellte Arbeit vorliegt, wenngleich auch sie die Signatur trägt, welche Goethe der ganzen historischen Richtung Schoepflin’s gegeben, wenn er von ihm sagt: „Er gehörte zu den glücklichen Menschen, welche Vergangenheit und Gegenwart zu vereinigen geneigt sind, die dem Lebensinteresse das historische Wissen anzuknüpfen verstehen.“

In die letzten Lebensjahre Schoepflin’s fallen wissenschaftliche Bestrebungen besonderer Art. Den Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz veranlaßte er 1763 zur Gründung einer Akademie in Mannheim, bei deren Taufe er recht eigentlich Pathe stand. Er leitete nicht bloß ihre Organisation, als ihr Ehrenpräsident nahm er auch regelmäßig an ihren beiden feierlichen Sitzungen im Jahr gewissenhaft theil und förderte ihre Arbeiten durch eine Reihe von Beiträgen aus der römischen und mittelalterlichen Geschichte der Rheinlande. In gleicher Weise gelang es ihm in den Niederlanden, wo die Studien tief darniederlagen, das Feuer der Wissenschaften wieder zu entzünden, indem er hier für die Gründung der Brüsseler Akademie bei den österreichischen Staatsmännern sich aufs lebhafteste verwandte und dieselbe auch im J. 1771 durchsetzte. Und wie in der Ferne so stiftete auch in der Heimath sein Wirken überall Segen. Seine kostbare Bibliothek, die nach seinem Tode mehr als 11000 Bände zählte, sein Antikencabinet, das werthvolle, zum Theil einzige Monumente, Marmorwerke, Vasen, Münzen und Medaillen enthielt, alle seine Sammlungen, die er in liberalster [368] Weise stets der allgemeinen Benutzung geöffnet hatte, vermachte er noch zu Lebzeiten gegen eine bescheidene jährliche Rente für sich und seine Schwester, die ihm den Haushalt führte, in wahrhaft vornehmer Gesinnung der Stadt und Universität Straßburg, weil er hier sein zweites Vaterland gefunden habe, und weil Straßburg als das Auge vom Elsaß dasjenige besitzen solle, was der ganzen Provinz nützen und Ehre bringen könne. In der Unglücksnacht des 24. August 1870 sind leider alle diese Schätze in den Flammen zu Grunde gegangen. Von allgemeiner Liebe und Verehrung umgeben, von allen Seiten ausgezeichnet durfte S. noch im November 1770 sein 50jähriges Professorenjubiläum feiern. Nach dem Festactus in der Universität und dem Bankett im Capitelssaale von St. Thomas brachten ihm die Studirenden in dem mit Linden überwölbten Hofe seines Stiftshauses am Thomasplatz ein Fackelständchen, unter ihnen der jugendliche Goethe, der sich ihm nur in dieser Nacht genähert hat. „S. trat unter uns, so erzählt er, und hier war er recht an seinem Platze. Der schlank- und wohlgewachsene heitere Greis stand mit leichtem freiem Wesen würdig vor uns und hielt uns werth genug, eine wohlgedachte Rede ohne Spur von Zwang und Pedantismus väterlich liebevoll auszusprechen, so daß wir uns in dem Augenblicke etwas dünkten, da er uns wie die Könige und Fürsten behandelte, die er öffentlich anzureden so oft berufen war.“ Und wie Goethe ihn uns hier schildert, mit schlanker Gestalt, freundlichen Augen, redseligem Mund, so zeigen ihn uns auch die erhaltenen Bilder. Ein heiterer Geist thront auf seiner Stirn und die außerordentlich ausdrucksvoll geformten Lippen verrathen den immer bereiten Redner. Als er am 7. August 1771 nach kurzer Krankheit die Augen schloß – noch für das kommende Wintersemester hatte er eine Vorlesung über die europäischen Friedensverträge angekündigt –, da war die Trauer in Straßburg, im Elsaß und in der gelehrten Welt allgemein. Der Rath beschloß seine Beisetzung in der Thomaskirche; das schönste und dauerndste Monument aber neben seinen großen wissenschaftlichen Werken setzte ihm der Dichterjüngling mit jenen Worten aus Wahrheit und Dichtung: „Auch ohne nähere Berührung hatte derselbe bedeutend auf mich eingewirkt; denn vorzügliche mitlebende Männer sind den größeren Sternen zu vergleichen, nach denen, so lange sie nur über dem Horizont stehen, unser Auge sich wendet und sich gestärkt und gebildet fühlt, wenn es ihm vergönnt ist, solche Vollkommenheiten in sich aufzunehmen.“

Fr. D. Ring, Vita Joannis Danielis Schoepflini, Carolsruhae 1767. – J. Friese, Kurze Schilderung des Lebens Schoepflin’s und Herrmann’s. Straßburg, o. D. – L. Spach, Oeuvres choisies I, 143 ff. – Ch. Pfister, Jean Daniel Schoepflin in den Annales de l’Est I u. II, die neueste, nach Acten gearbeitete, zuverlässige Biographie. – Vergl. Martin u. Wiegand, Straßburger Studien II, 440 ff. und Bulletin du musée historique de Mulhouse t. VIII, p. 1 ff. mit Briefen von Schoepflin.