ADB:Loën, Johann Michael von

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Artikel „Loën, Johann Michael von“ von Wilhelm Stricker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 86–88, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lo%C3%ABn,_Johann_Michael_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 13:15 Uhr UTC)
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Loen: Johann Michael v. L. war geboren in Frankfurt a./M. am 11. December 1694 und starb am 24. Juli 1776. Er stammte aus einer angesehenen reformirten niederländischen Familie, welche seit 1623 nach Frankfurt übergesiedelt war; seine Mutter gehörte der noch hier blühenden, gleichfalls reformirten, aus Frankreich eingewanderten Familie Passavant an. Gut vorgebildet bezog er schon 1711 die Universität Marburg, 1712–15 studirte er in Halle. Auf beiden Hochschulen widmete er sich außer dem Rechtsstudium auch den schönen Wissenschaften und Künsten. Nach kurzem Aufenthalt in der Vaterstadt ging er im Herbst 1715 nach Wetzlar, um sich mit dem Reichskammergerichtsproceß bekannt zu machen, oder, wie er selbst sagt, „den Kammerschlender“ kennen zu lernen. Im Frühling des Jahres 1716 trat er eine mehrjährige Rundreise durch Deutschland und die Niederlande an; den Winter 1717/18 brachte er in Berlin zu, den nächsten Frühling und Sommer in Dresden. Von beiden so [87] sehr contrastirenden Höfen hat er in seinen Schriften interessante Schilderungen hinterlassen. – J. M. v. Loen’s Mutter war schon 1697 gestorben; durch den am 7. December 1718 erfolgten Tod seines Großvaters Passavant wurde er in ganz unabhängige Vermögensverhältnisse versetzt und machte abermals ausgedehnte Reisen, die nur durch kurzen Aufenthalt in der Heimath unterbrochen waren. Sie erstreckten sich auf die Schweiz, Frankreich, die Niederlande, Deutschland und Oberitalien und dauerten bis 1724. Nun, erst 30 Jahre alt, zog er sich in seine Vaterstadt zurück, sammelte Bücher und Kunstwerke und wurde bald der Mittelpunkt einer gebildeten Geselligkeit. Im J. 1729 verheirathete sich L. mit Katharina Sibylla Lindheimer, der Schwester von Goethe’s Großmutter Textor, wodurch er also Goethe’s Großoheim wurde. 1729 wurde Loen’s Vermögen noch vermehrt durch den Tod seines einzigen Bruders und 1733 kaufte er das Gut Mörfelden, um noch ungestörter seinen Studien nachhängen zu können, als dies in der Stadt möglich war. Wer hätte erwarten sollen, daß dieser Mann in vorgerückten Jahren eine Stellung von solcher Unabhängigkeit aufgeben würde, zumal da er in seinen Schriften es immer für Thorheit erklärt, ohne Noth seine Freiheit zu opfern, um Aemter anzunehmen? Dennoch folgte er 1752 dem Ruf des Königs Friedrich II. von Preußen und übernahm die Stelle als Regierungspräsident der Grafschaften Lingen und Teklenburg mit dem Wohnsitz in Lingen. – Verdrießlichkeiten, welche die irenische Tendenz seiner auf Versöhnung zwischen Lutheranern und Calvinisten gerichteten Schriften ihm in Frankfurt zugezogen, erklären vielleicht diesen Entschluß. Die ersten Jahre in Lingen verliefen angenehm, aber der siebenjährige Krieg brachte große Leiden. L. wurde von den französischen Truppen als Geisel nach Wesel gebracht und dort in dem „allerelendesten und unanständigsten Zimmer“ vier Jahre lang (von 1757–1761) in Verwahrung gehalten. Zwar gab man ihn endlich frei, doch mußte er einen seiner Söhne bis zum Friedensschluß an seine Stelle treten lassen. Nach seiner Freilassung blieb er nur noch vier Jahre in seinem Amt und trat dann in den Ruhestand. Er erblindete fast vollständig; Jung-Stilling operirte ihn ohne Erfolg. L. starb im 82. Lebensjahr, am 24. Juli 1776. – Einer von Loen’s Söhnen, Johann Jost, geb. 1737 in Frankfurt, vermählte sich 1779 mit der Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau. Ueber einen Ende 1796 in Dessau bei dieser Familie abgestatteten Besuch berichtet Goethe in den „Annalen“ 1797. Mit Joh. Mich. v. Loen’s gleichnamigem Enkel erlosch die Familie in Frankfurt 1797; in Pommern blüht sie noch, fortgepflanzt von dem Dessauer Zweig. – Loen’s von 1724–1768 verfaßte Schriften belaufen sich auf 37. Sie sind meist in deutscher, einige in französischer und lateinischer Sprache verfaßt und erstrecken sich auf die verschiedensten Gegenstände. Sie berühren Religion, Staatskunst, die Verhältnisse des Adels und der Höfe, Militärverfassung, Geschichte, Biographie, Reisen, Philosophie etc.; es sind Uebersetzungen, Sammelwerke, Gedichte, Romane und Satyren dabei mit manchen culturhistorisch interessanten Mittheilungen. Es durchweht diese Schriften ein wohlthuender Geist der Toleranz und Freisinnigkeit; natürlich ist alles in dem zahmen Ton verfaßt, welchen allein die Zeitverhältnisse gestatteten. Besonders zu erwähnen sind: „Der redliche Mann am Hofe oder die Begebenheiten des Grafen von Rivera, nebst beygefügten freyen Gedanken von der Verbesserung eines Staats“, 1740. Diese Schrift erlebte verschiedene Auflagen und wurde auch ins Holländische übersetzt. „Die einzige wahre Religion, allgemein in ihren Grundsätzen, verwirret durch die Zänkereyen der Schriftgelehrten, zertheilet in allerhand Secten, vereiniget in Christo“, 2 Thle., 1750 und 1752. Neue veränderte Auflage 1756. Dieses ins Lateinische und Holländische übersetzte Buch machte großes Aufsehen und erweckte dem Verfasser viele Gegner. Loen’s „Gesammelte Schriften“ erschienen in vier [88] Theilen zu Frankfurt 1749–1752. Darin ist besonders interessant eine auch im „Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, N. F. III“ abgedruckte Schilderung von Frankfurt um 1741; sie ist wichtig für die Kenntniß der Frankfurter Verhältnisse zur Zeit vor Goethe’s Geburt.

Goethe, Aus meinem Leben, Buch I und II. Ed. Heyden im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Neue Folge III. 534 (1865).