ADB:Müller, Fooke Hoissen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Müller, Fooke Hoissen“ von Klaus Groth in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 525–527, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Fooke_Hoissen&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:29 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Müller, Ernst
Band 22 (1885), S. 525–527 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Fooke Hoissen Müller in der Wikipedia
Fooke Hoissen Müller in Wikidata
GND-Nummer 10426442X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|22|525|527|Müller, Fooke Hoissen|Klaus Groth|ADB:Müller, Fooke Hoissen}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=10426442X}}    

Müller: Fooke Hoissen M., dessen Fachwissenschaft die Mathematik war, nimmt in der neuplattdeutschen Litteratur durch seine „Döntjes un Vertellsels“ (kleine Lieder und Erzählungen) einen ehrenvollen Platz ein. Er wurde geboren zu Aurich in Ostfriesland am 15. Juli 1798 als Sohn eines Kaufmanns. Er besuchte in seiner Vaterstadt eine Schule, in der neben etwas Latein auch Physik und Mathematik gelehrt wurde. Diese reizten den Knaben und bestimmten seinen Lebensgang. Seine Neigung zu mechanischen Arbeiten hatte zunächst den Vater bestimmt, ihn frühzeitig zu einem Uhrmacher in die Lehre zu geben. Aber diese Beschäftigung genügte ihm nicht und auf seine Bitte wurde er wieder in die Schule geschickt, deren Mängel er durch eifriges Selbststudium ergänzte. Dabei zeichnete er, zimmerte, drechselte, löthete, schmiedete, baute sich physikalische Instrumente, stach sogar in Kupfer, radierte und ätzte Landschaftsbilder, die er auf einer selbstgebauten Presse druckte. Auch Musik lernte und betrieb er in dieser autodidaktischen Weise und spielte mehrere Instrumente, z. B. eine Harfe die er in späteren Jahren selbst gebaut. Seine Schularbeiten litten darunter nicht. Damals schon, in den Jahren 1813–15, zeigte M. auch poetisches Talent, indem er patriotische Gedichte ohne Namen in die Ostfriesische Zeitung gab, die Aufsehen erregten. Auf Anrathen von Freunden und Lehrern, welche den talentvollen Knaben auszeichneten, schickte ihn der Vater nach Oldenburg aufs Gymnasium, wo er besonders eifrig das Studium der Mathematik fortsetzte; als Broterwerb betrieb er Philologie und muß auch darin wohl etwas bedeutendes geleistet haben, da er seine Abschiedsrede mit Beifall in griechischer Sprache gehalten hat. Zur Theologie konnte sich der gewissenhafte junge Mann, trotz der [526] Mahnungen seines Vaters, sein Fortkommen zu bedenken, nicht entschließen. Er studirte dann vier Jahre in Göttingen mit großem Fleiße und erwarb sich glänzende Zeugnisse und den Dr. philosophiae. Damit kehrte er nach Aurich zurück, wo ihm die Regierung die Erlaubniß ertheilte am Gymnasium Unterricht in der Mathematik zu ertheilen, ohne ihm Apparate zu liefern, die er sich selbst bauen mußte, und ohne feste Anstellung, denn die Mathematik war damals in hannoverschen Gymnasien noch kein officieller Lehrgegenstand. M. machte auf diesen Mangel aufmerksam und drang auf Errichtung einer Navigationsschule in Emden als dringendes Bedürfniß für Ostfriesland mit seiner großen Handelsflotte. Aber dafür war bei der Regierung kein Gehör zu finden, dafür gebrach es an Geld. So mühte sich denn M. jahrelang in unwürdiger Lage ab und wäre darin vielleicht verkümmert, wenn nicht ein Freund und Landsmann von ihm, ein bedeutender Mathematiker Dirksen gekommen und ihn herausgerissen hätte. Dirksen, in Berlin angestellt, nahm ihn fast gewaltsam mit, rieth ihm zunächst in Halle zu versuchen einen Lehrstuhl zu bekommen. Dies gelang, und bald und durch Empfehlung gewichtigster Männer wie Kanzler Niemeyer, wurde M. als Lehrer der Mathematik am königlichen Pädagogium Halle ernannt. Wenige Jahre später wurde er an das Gymnasium und die Kriegsschule in Torgau versetzt, vier Jahre darauf als Subrector des Gymnasiums nach Brandenburg, endlich 1842 als Professor an das Gymnasium zum grauen Kloster in Berlin. So war das Ziel erreicht, das dem treuen Arbeiter in weiter Ferne gewinkt hatte. – M. war zwei Mal glücklich verheirathet, mußte aber zwei Mal geliebte Frauen zu Grabe geleiten. Ihn selbst ereilte nach schweren, mit Standhaftigkeit ertragenen Leiden der Tod am 8. October 1856.

Er hinterließ an wissenschaftlichen Werken: „Elemente der Arithmetik und Algebra“ u. s. w. 1839. Zweiter Theil 1840; kurz vor seinem Tode beendet: „Arithmetik und Algebra für Gymnasien“ u. s. w. 1857. Neben seinen Fachstudien beschäftigte sich M. immerfort, lesend und selbst dichtend mit der Poesie. Sein Gesang begleitete alle freudigen und schmerzlichen Ereignisse seines Lebens. Doch eignen sich diese Ergüsse seines Talentes nach dem Urtheile seiner Kinder nicht für die Oeffentlichkeit. „Als 1852 Klaus Groths Quickborn erschienen war, fahren diese in ihren Mittheilungen fort, kam er auf den Gedanken, ein ähnliches Werk in dem weit markigeren (sic!) ostfriesischen Platt müsse auch ansprechen.“ Schrieb ihm doch auch sein Bruder nach Lesung des Quickborn aus der Heimath: Das können wir Ostfriesen auch! Dazu müsse er helfen. In dem hierauf entstandenen Briefwechsel äußert sich unser M. im Hinblick auf die dann eben erschienenen Läuschen und Rimels von Fritz Reuter: „Ich glaube, wer es mit der plattdeutschen Sprache gut meint, muß nicht blos zu Schnurren sie verbrauchen. Leider ist der gebildeten Welt fast nicht anderes in ihr geboten. Dieser ist sie dadurch vorzugsweise die derbe Possenreißersprache geworden, während sie doch, wo sie noch lebendig ist, für Ernst und Weh, für Klage und Idylle ebensogut Klänge hat, wie jede andere.“ In diesem Sinne entstanden, gerade in den Leidensjahren des Verfassers, seine Gedichte in plattdeutscher ostfriesischer Mundart. Doch konnte er, sich immer nicht entschließen die fertigen Sachen drucken zu lassen; selbst auf Drängen seines Bruders, der ihn in seiner Krankheit in Berlin besuchte, erwiederte er: es sei zu wenig für ein anständiges Buch und er fürchte die Kritik, die einem Mathematiker nicht zutrauen würde zugleich Poet zu sein. Erst wenige Wochen vor seinem Tode entschloß er sich, das Epos „Tjark Allena“ nebst einigen anderen kleineren lyrischen Gedichten drucken zu lassen. Er sollte nicht die Freude erleben seine „Döntjes un Vertellsels“ seilig zu sehen. „Tjark Allena“ ist sein Hauptwerk, kraftvoll, wie der Volksstamm, eigenthümlich in Auffassung und Darstellung eines eigensinnigen [527] Ostfriesen. Unter den lyrischen Sachen zeichnen sich die Ballade „Könk (König) Helgo’s Oog“ und das Lied „Wat sück de Schwaalkes (Schwalben) vertellen“ aus. M. war ein ganzer Mann, einfach, bieder, voll sittlichen Ernstes, fast zu bescheiden, dabei voll tiefen Gemüthes, das aber nur Vertraute kennen lernten; Fernerstehenden erschien er nur als der strenge, verschlossene Gelehrte. Eine neue Auflage der „Döntjes un Vertellsels“ ist in Vorbereitung.