Zum Inhalt springen

ADB:Maier, Julius Joseph

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Maier, Julius Joseph“ von Eugen Schmitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 154–155, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Maier,_Julius_Joseph&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 19:07 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Maier, Peter
Band 52 (1906), S. 154–155 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Julius Joseph Maier in der Wikipedia
Julius Joseph Maier in Wikidata
GND-Nummer 116687991
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|154|155|Maier, Julius Joseph|Eugen Schmitz|ADB:Maier, Julius Joseph}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116687991}}    

Maier: Julius Joseph M., Bibliothekar und Musikgelehrter, wurde geboren am 29. December 1821 zu Freiburg in Baden. Nachdem er die ersten Schulstudien in Karlsruhe absolvirt hatte, bezog er 1840 die Universität zu Freiburg in Baden, um sich der Rechtswissenschaft zu widmen; 1843 siedelte er nach Heidelberg über und beschloß in Karlsruhe 1846 mit einem ausgezeichneten Staatsexamen seine juristischen Studien. Noch in dem gleichen Jahre fand er eine Anstellung als Assessor und rückte 1849 sogar zum Secretär im Ministerium des Innern auf. Allein gleich seinem vertrauten Studienfreund Victor v. Scheffel fühlte er sich trotz seiner guten Erfolge in der juristischen Laufbahn nicht glücklich; seine Herzensneigung zog ihn zu der von Jugend auf eifrig gepflegten Tonkunst. Noch während seiner juristischen Studienzeit trat er mit musikalischen Publicationen an die Oeffentlichkeit; so veröffentlichte er 1843 in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung eine kleine historische Arbeit über Palestrina’s Nachfolger und 1845 erschien seine Mendelssohn gewidmete Sammlung älterer vokaler Kirchenwerke für Männerchor bearbeitet. 1849 nun sagte er sich definitiv von der Jurisprudenz los und zog als Contrapunktschüler zu Moritz Hauptmann nach Leipzig. Wie rasch seine Fortschritte hier waren, geht daraus hervor, daß er nach nur dreivierteljähriger Arbeit als Contrapunktlehrer an die Münchener Musikschule berufen wurde. In diesem Amte wirkte er bis 1857; unter seine Schüler gehörte auch Josef Rheinberger. 1857 kam er als Conservator der sehr reichen Musikabtheilung an die Münchener Staatsbibliothek. Volle 30 Jahre stand er auf diesem, seinen Fähigkeiten wie seinen Neigungen gleich gut zusagenden Posten, still und bescheiden wirkend im Dienste der jung aufblühenden musikalischen Forschung. In diese Zeit fällt sein „Katalog der Münchener musikalischen Handschriften bis zum Ende des 17. Jahrhunderts“ (1879), ein Werk, welches seinem Namen in den musikwissenschaftlichen Fachkreisen weite Verbreitung und dauernde Anerkennung erwarb. Sonst trat M. nur sehr selten noch als Schriftsteller an die Oeffentlichkeit und dann meist ebenfalls mit kleinen bibliographischen Arbeiten, so z. B. mit einem Aufsatz über unbekannte Sammlungen deutscher Lieder in den Monatsheften für Musikgeschichte Bd. 12, S. 6 ff. Ein besonderes Interesse wandte er zeitlebens dem Studium des Volksliedes aller Länder zu und bearbeitete selbst nach dem Zeugniß seines Schülers Rheinberger viele Melodien in mustergültiger Weise im vierstimmigen Tonsatz. Indessen war seine Begabung in erster Linie doch eine mehr theoretisch-kritische als schöpferisch-compositorische. Ein schweres körperliches Leiden zwang den Unermüdlichen im J. 1887 in den Ruhestand zu treten; zwei Jahre später, am 21. November 1889 ereilte ihn der Tod.

Seine musikwissenschaftliche Stellung hat sich M., wie erwähnt, durch seinen „Katalog der musikalischen Handschriften der Münchener Bibliothek“ erworben. Leider scheint man in den maßgebenden Kreisen dem Unternehmen Maier’s nicht in der wünschenswerthen Weise entgegengekommen zu sein, denn es erschien nur ein Theil des geplanten Werkes, der die Handschriften bis zum Ende des 17. Jahrhunderts umfaßt, und auch dieser ist in seiner Durchführung theilweise durch auferlegte Raumbeschränkungen beeinträchtigt. Allein auch so wie er vorliegt, ist der Katalog nicht nur ein für den Musikforscher hochwichtiges Hülfsbuch, sondern in seiner ganzen Anlage auch ein bibliographisches Musterwerk, das den zahlreichen in den beiden letzten Decennien [155] des 19. Jahrhunderts zu Tage tretenden Arbeiten gleicher Art als Vorbild gedient hat. Neben einer genauen Beschreibung der einzelnen Codices nach ihrer Herkunft, ihrer äußeren Beschaffenheit und ihrem Inhalte, werden Nachweise gegeben bezüglich des Vorkommens einzelner Stücke in alten oder neuen Drucken, die Identität gleichlautender Compositionen, die nur textlich verschieden sind, wird festgestellt, für anonyme Werke der Autor nachgewiesen und bei weniger bekannten Tonsetzern biographische Notizen aus den Hofzahlbüchern gegeben. – Von Maier’s sonstigen Publicationen hat in erster Linie seine „Auswahl englischer Madrigale“ (1863; drei Hefte, 19 Nrn.) Verbreitung gefunden. Wenn auch die Publication modernen Ansprüchen bezüglich ihrer Editionstechnik nicht mehr entspricht, da sich der Herausgeber, wie er in der Vorrede bemerkt, aus praktischen Rücksichten zu Aenderungen der Originale verleiten ließ, so war doch diese Sammlung s. Z. für die Verbreitung des erwachenden musikgeschichtlichen Interesses von großer Bedeutung; freilich wurde sie – ein charakteristisches Zeichen der Zeit – von manchen hochweisen Recensenten auch als Curiosum belächelt. Der musikalische Theil der Arbeit, der die Beifügung von Vortrags- und Phrasirungszeichen etc. in sich begreift, ist ganz vorzüglich ausgefallen; das gleiche kann man von den erwähnten Männerchorbearbeitungen alter Kirchenwerke sagen (1845; drei Hefte, Stücke von Palestrina, Lasso, Anerio, Josquin etc.). Mit Geschick sind hier solche Stücke gewählt, welche die Uebertragung vom gemischten Chor auf den Männerchor ohne allzugroße Eingriffe zulassen; wo doch Aenderungen des Originals nöthig wurden, sind sie mit Pietät und musikalischem Geschmack gemacht. Beide Publicationen, von 1845 und 1863, beweisen, daß M. ein tüchtiger Musiker war und damit eine der wichtigsten Vorbedingungen zur Bethätigung als Musikforscher besaß.

Vgl. die kurzen Nekrologe in der Münchener Allgem. Zeitung vom 23. Nov. 1889 (von J. Rheinberger) und in den Monatsheften f. Musik-Gesch. Bd. 22, S. 108 (nach Angaben der Wittwe), ferner Riemann’s Musiklexikon. – Im einzelnen: Allgem. Musikzeitung 1863, S. 765 ff. und Ambros, Musikgeschichte Bd. 3, S. 471 über die Madrigalpublication; Monatshefte f. Musikgeschichte Bd. 11, S. 150 u. 182 über den Katalog.