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ADB:Maydell, Friedrich Ludwig von

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Artikel „Maydell, Friedrich Ludwig von“ von Leopold von Pezold in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 84–86, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Maydell,_Friedrich_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:13 Uhr UTC)
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Maydell: Friedrich Ludwig v. M. wurde am 29. November (a. St.) 1795 als der Sohn des Landraths Reinhold Gottlieb v. M. auf dessen Gute Stenhusen in Esthland geboren. Nachdem er den ersten Unterricht im elterlichen Hause genossen, wurde er – wie es damals in adligen Familien der Ostseeprovinzen häufig geschah – zu weiterer Erziehung in die Anstalt der Brüdergemeinde nach Neuwied geschickt. Man glaubte, daß in den Schulen der Herrnhuter ein fester religiöser Grund dem heranwachsenden Geschlechte gegeben werde, und M. hat diese Erwartung seiner Eltern nicht getäuscht. Nach sechsjährigem Aufenthalt in Neuwied wurde er 1810 wieder in die Heimath gerufen, um zuerst noch den Unterricht eines Lehrers im elterlichen Hause, dann den der Ritter- und Domschule in Reval zu genießen. Diese älteste Schule in den Ostseeprovinzen – sie beging 1869 ihr 600jähriges Jubiläum – hatte am Anfange dieses Jahrhunderts das Glück, eine ganze Reihe von hochbegabten, strebsamen jungen Leuten in ihren Klassen zu sehen. Es war gerade die damals anwachsende Generation des esthländischen Adels besonders reich an vielversprechenden Jünglingen. Wenige Jahre vor M. hatte Karl Ernst v. Baer, der später berühmte Naturforscher, die Anstalt verlassen. Neben M. saßen junge Männer, die in späteren Jahren der Stolz ihrer Heimath und die Zierden des größeren Reiches werden sollten. Der napoleonische Krieg rief in dieser Jugend eine tiefgehende patriotische Bewegung hervor. Das siegreiche Eindringen des Eroberers bis in das Herz Rußlands erregte die Gemüther auf das Tiefste; versprengte, der Gefangenschaft entronnene Offiziere und Gemeine aus deutschen Ländern trafen sich in den Ostseeprovinzen, und so entstand in Reval eine russisch-deutsche Legion zum Kampfe gegen Napoleon. Auf den schwarzen Marmortafeln im Ritterhause zu Reval lesen wir in der langen Reihe esthländischer Edelleute, die damals sich zum Kriegsdienste meldeten, auch die Namen Ludwig Maydell’s und seines Zwillingsbruders Paul August; ein älterer Bruder Leopold war schon früher eingetreten. Die russisch-deutsche Legion machte die Feldzüge von 1813 und 1814 mit, focht vielfach mit Bravour und wurde 1814 dem preußischen Heere zugezählt. [85] M. trat in das russische Grenadierregiment „König von Preußen“ über, mit dem er 1815 aufs Neue über die Grenze marschirte und endlich in Paris einzog. Nach dem Friedensschluß ließ er sich zur Artillerie überführen. Die beiden Brüder Maydell’s waren indeß der Schwindsucht erlegen. Der Vater fürchtete auch für die Gesundheit Ludwigs und bewog ihn, den militärischen Dienst aufzugeben und sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen. Es war nicht sowol die Jurisprudenz und der juristische Beruf, was ihn anzog, als die Möglichkeit der wissenschaftlichen Fortbildung überhaupt. Auch konnte er sich jenem Fach nicht ganz und ungetheilt hingeben, da die Einkünfte des Vaters durch eine zahlreiche Nachkommenschaft aus einer zweiten Ehe stark in Anspruch genommen waren. Er mußte neben seinem Studium erwerben und trat darum das Amt eines Universitätsarchivars in Dorpat an. Durch seinen Fleiß und Eifer erwarb er sich auf beiden Gebieten dieser Doppelthätigkeit die besondere Achtung seiner Lehrer und seiner Vorgesetzten. Und doch gehörten sein Herz und seine angestrengteste Thätigkeit schon damals der Kunst an. Es war zu jener Zeit für einen esthländischen Edelmann, zumal für einen unbemittelten Edelmann, der nicht zu seinem bloßen Vergnügen malen oder meißeln wollte, sondern es ernst mit dem künstlerischen Beruf nehmen und in demselben auch seinen Lebenserwerb finden wollte, nicht leicht, Vorurtheile und Befürchtungen niederzukämpfen. Und um so schwerer wurde dem Ostseeprovinzialen dieser Beruf, als es innerhalb der Provinzen an künstlerischen Lehrkräften und Lehrmitteln fehlte. Der Dichter Kotzebue hatte beispielsweise für die Ausbildung seiner Kinder nicht blos einen Musik-, sondern auch einen Zeichenlehrer aus Sachsen berufen müssen. Auch in Dorpat war M. mehr auf das Selbststudium als auf künstlerische Anleitung angewiesen. Seine Liebe zur Kunst wuchs unter Erschwerung und Hindernissen, bis es ihm gelang, die unentbehrliche Einheit der Thätigkeit sich zu schaffen. Die Vielseitigkeit seiner Beschäftigung hatte ihn nicht zur Zersplitterung seiner Kräfte geführt. Als es ihm möglich geworden war sich ganz der Kunst zu widmen, mußte er das ernste Studium derselben in der Ferne suchen. In Rom war die Kunst neu erstanden. Dorthin zog es ihn vor Allem, dort fand er im Kreise der deutschen Nazarener, namentlich unter Overbeck’s Einfluß und Leitung, seine besondere Richtung auf historische und religiöse Malerei. Hier war es auch, wo er innige, andauernde Freundschaft mit Ludwig Richter schloß, der von ihm schrieb: „Ich meine, daß der liebe Gott aus uns beiden (zusammengenommen) einen excellenten Kerl hätte machen können.“ Nach sechsjährigem Studium kehrte er in die Heimath zurück und gründete seinen Hausstand, vorerst noch auf dem Gute seines Vaters. Das erste größere Werk, das er in der Heimath ausführte, war die Illustration des Hohenliedes. Bald darauf wurde ihm der Auftrag, ein Altarblatt und andere Arbeiten in der St. Olaikirche in Reval auszuführen. Er hatte hier zu malen, architektonisch zu componiren, Modelle zu Statuen und Reliefs zu machen. Die Kirche, die aus der Ruine neu erstanden war, in die sie ein Blitzstrahl verwandelt hatte, erhielt von seiner Hand eine höchst wirkungsreiche, schöne innere Ausstattung. Andere Aufträge zu Altargemälden folgten: in den Landkirchen von Saara (Christus am Oelberg), Rujen (Kreuzigung), Pölwe (auferstandener Christus), Stenhusen (Christus von Engeln umgeben) und in der Johanneskirche zu Dorpat (Kreuzigung, Gefangennehmung, Altarblatt und Kanzel) finden sich bedeutende Werke seiner Hand. Ein Altarbild für eine zweite Kirche in Dorpat blieb unvollendet. Auch an kleineren Aufgaben fehlte es nicht: Zeichnungen zu Diplomen und Ehrengeschenken, Zeichenvorlagen und vor Allem Illustrationen nahmen seine Kraft vollauf in Anspruch. Von den letzteren seien hier genannt „Zar Barandin“, ein russisches Märchen, „Undine“ und „Nal und Damajanti“, von dem russischen Dichter Shukowski bestellt, „Der Prediger Salomo“, „Neun Compositionen zu dem Hohenlied“, „Die [86] Jungfrau von Orleans“ und namentlich die fünfzig Bilder zur livländischen Geschichte, von denen jedoch nur die ersten zwanzig im Druck erschienen sind. Es herrschte über vielen dieser Arbeiten ein Unstern: die Verleger ließen sich für derartige Werke, da sie nicht mit einem schon berühmten Namen gedeckt waren, schwer finden, und mehrere von ihnen setzten die begonnenen Unternehmungen nicht fort, andere machten bankrott. Die Originalzeichnungen gingen von einer Hand in die andere über, sie sind zum Theil verschwunden. Als Bildhauer war es M. nur vergönnt, eine einzige Büste selbst in Marmor auszuführen. – Es war ihm kein leichtes fröhliches Künstlerleben zugefallen. Die Heimath, der er mit vollem Herzen anhing, konnte ihm an Anregungen und Aufgaben wenig bieten; der schaffende Künstler lebte in den Ostseeprovinzen isolirt, an fördernden Ausstellungen und Kunstvereinen fehlte es ganz, oft auch an Verständniß. Der Kampf mit der Noth des Lebens war namentlich für den Künstler schwer und hart. Es bedurfte der strengsten Arbeit und unermüdlicher Hingabe, um aus der Kunst den unentbehrlichen Erwerb zu ziehen. Trotz all dieser Erschwerungen und Entbehrungen verlor M. die Begeisterung nicht; er war mit Herz und Sinnen ganz der Kunst ergeben, ein Gemüth von seltener Tiefe und Reinheit, ein religiöser, liebenswerther und liebenswürdiger Mann. Der Tod ereilte ihn unerwartet. Er starb am 6. September 1846 in Reval.