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ADB:Meißner, Karl Friedrich

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Artikel „Meißner, Karl Friedrich“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 246–248, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mei%C3%9Fner,_Karl_Friedrich&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 17:06 Uhr UTC)
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Meißner: Karl Friedrich M. (Meisner), geb. zu Bern den 1. November 1800, † zu Basel am 2. Mai 1874, hat auf dem Gebiete der beschreibenden Botanik mehrere bedeutende Arbeiten geliefert. Seine erste Erziehung genoß er auf Privatinstituten in Yverdun und Vevey und erlangte hier die Fähigkeit, sich in der deutschen wie in der französischen Sprache mit gleicher Gewandtheit auszudrücken. Später lernte er auch englisch, das er ebenfalls mit großer Fertigkeit sprach und schrieb. Seine wissenschaftlichen Studien machte er in Wien, Paris und Göttingen. Von letzterer Universität 1824 zum Dr. med. promovirt, ging er zunächst wieder nach Bern, wo er kurze Zeit als Lehrer der Naturwissenschaften wirkte. Bald aber zog ihn der Ruf von August Pyramus Decandolle nach Genf. Der Einfluß und die Unterstützung dieses berühmten Botanikers bestimmten nunmehr ganz und gar die Richtung seiner botanischen Arbeiten. Im J. 1828 berief ihn die Universität Basel auf einen medicinischen Lehrstuhl. Diese Stellung entsprach indessen nicht seinen Neigungen, die fast ausschließlich der Botanik angehörten und so begrüßte er es mit Freuden, als er schon 1830 seine medicinische Professur mit derjenigen der Botanik vertauschen konnte, welche durch Röper’s Abgang nach Rostock frei geworden war. Zugleich erhielt M. das Directorat über den botanischen Garten. In diesen Stellungen verblieb er bis zum Jahre 1866, als ein heftiges asthmatisches Leiden ihn zwang, sich in den Ruhestand zurückzuziehen. Es war ihm nur acht Jahre lang beschieden, sich der wohlverdienten Ruhe zu erfreuen. Gleich durch seine erste größere Arbeit vom Jahre 1826: „Monographiae generis Polygoni prodromus“ bewies M. sein entschiedenes Talent zum systematischen Botaniker. Der eiserne Fleiß, mit dem das behandelte Material herbeigeschafft und gesichtet worden ist, die Uebersichtlichkeit in der Disposition und die Exactheit und Klarheit des Ausdrucks geben davon Zeugniß, Offenbar macht sich schon hier der Einfluß seines berühmten Lehrers Decandolle geltend, von dessen Geist alle späteren Monographien Meißner’s in noch höherem Grade durchweht sind. Unter den letzteren ragen durch ihre Bedeutung die Arbeiten für den Decandolle’schen prodromus systematis naturalis regni vegetabilis und für die flora Brasiliensis hervor. Für das erstgenannte große Werk, bekanntlich von fundamentaler Bedeutung für die systematische Botanik, verfaßte M. die Monographien der Polygonaceen, Protoaceen und Thymeleaceen, die im 14. Bande enthalten sind und die der Lauraceen und Hernandiaceen im 15. Bande. Wenn man erwägt, daß die Zahl der Pflanzengattungen in den von M. bearbeiteten Familien schon 164 beträgt, die der species aber in manchen Familien über 1000 steigt, so ist in der That der Fleiß des Bearbeiters anzuerkennen, der die Fülle [247] des Materials mit stets gleicher Sorgfalt auch in allen Einzelheiten durchdringt. Daß der Decandolle’sche prodromus ein unentbehrliches Hülfsmittel für jede systematische Untersuchung geworden ist, verdankt er eben dem Umstande, daß seine Bearbeiter mit gleicher Gewissenhaftigkeit wie Meißner ihrer großen Aufgabe obgelegen haben. Die von ihm verfaßte Arbeit über die Thymeleaceen wurde mit dem Decandolle’schen Preise gekrönt. In der Flora Brasiliensis veröffentlichte M. neben den für den prodromus bearbeiteten Familien monographische Abhandlungen über die Convolvulaceen und Ericaceen. Auch dieses botanische Riesenwerk, behufs Erforschung der gesammten brasilianischen Pflanzenwelt zuerst von Karl Martius, später von A. W. Eichler unter Beihülfe anderer Gelehrten herausgegeben und noch jetzt im Erscheinen begriffen, stellt an seine Mitarbeiter hinsichtlich der Genauigkeit der Untersuchung nicht geringe Ansprüche. Ist auch der Kreis des behandelten Materials naturgemäß ein beschränkterer, wie im prodromus so ist er immerhin doch noch groß genug, da er nahezu das ganze Südamerika umfaßt, wozu noch kommt, daß die vielen neugefundenen Pflanzenarten dem Untersucher manche schwierige Aufgabe entgegenbringen. Die Meißner’schen Arbeiten aber gehören mit zu den Zierden der Flora Brasiliensis. Wohl die meiste Arbeitskraft hat M. an die Herstellung eines Werkes gesetzt, das ihn 7 Jahre lang beschäftigte, ohne indeß, infolge ungünstiger Umstände, die verdiente Würdigung und Verbreitung gefunden zu haben. Es ist das ein in Folioformat in 2 Theilen 1836–43 erschienenes Buch: „Plantarum vascularium genera secund. ordines naturales digesta eorumque differentiae et affinitates tabulis diagnosticis expositae“. Der erste Theil enthält die Classification und die Charaktere aller damals bekannten Gattungen der Phanerogamen; der zweite, Commentar betitelt, in fast ebenso ausgedehntem Texte die Synonyma und viele Erklärungen zu den Charakteren. Der hohe Preis des Werkes, das wenig handliche Format, vor allem aber das gleichzeitige Erscheinen von Endlicher’s: „Genera plantarum“ haben es wol veranlaßt, daß Meißner’s Arbeit nicht die verdiente Verbreitung im botanischen Publicum gefunden hat. Dennoch besitzt das Buch, selbst Endlicher’s großem Werke gegenüber, manche Vorzüge. Als solcher ist beispielsweise zu bezeichnen, daß M. die Familien zweifelhafter Verwandtschaft auch als solche gekennzeichnet und ihnen einen Platz nicht inmitten der sicheren Familien angewiesen hat. Ferner legte er der Anordnung der genera das bewährte und allen Botanikern geläufige, auch im prodromus befolgte Decandolle’sche System zu Grunde, während Endlicher ein neu von ihm aufgestelltes benutzt hat. Die große Sorgfalt und Genauigkeit, mit welcher M. arbeitete, offenbart das genannte Werk schon in der rein äußerlichen Anlage seines Manuscripts. Die Schrift in demselben soll ausnehmend klar gewesen und sich wie Druck gelesen haben. Ebenso war sein Herbarium in ausgezeichnetem Zustande. Er bereicherte es mit den Mitteln, welche ihm die Reisenden lieferten, für deren Collectionen er arbeitete. Nach seinem Tode hat es das (College Columbia in New-York käuflich erworben, während seine Bibliothek in Basel veräußert wurde. Zwischen den größeren Arbeiten hindurch zieht sich eine ansehnliche Reihe von Publicationen, welche M. in den verschiedensten botanischen Zeitschriften der deutschen, französischen und englischen Litteratur erscheinen ließ. Auf die Bearbeitung außereuropäischer, durch Reisende ihm übergebener Pflanzengruppen beziehen sich folgende Aufsätze: „Synopsis Thymelearum, Polygonearum et Begoniacearum Africae australis imprimis a Drege lectarum“ (Linnaea 1840) – „Leguminosae et Polygoneae plantarum Kegelianarum surinamensium“ (ibid. 1848) – „Plantae Muellerianae“ (ibid. 1853) – Ueber die ostindischen Thymeleen“ (Regensb. bot. Zeit. 1841) – „Bemerkungen zu den von Behr in Südaustralien gesammelten Pflanzen“ (Bot. Zeit. 1848) – [248] „Hepaticae javanicae a Zollingero collectae“ (ibid.) – „Leguminosae quaedam australasicae novae a Drummond collectae“ (ibid. 1855) – „Plantae Kraussianae ex Africa australi“ (Flora 1844 sqq.) – „Contributions towards a flora of South-Africa“ (Hooker’s Journal of botany 1842) – „A list of Proteaceae collected in South-western Australia by Drummond“ (ibid. 1852) – „New Proteaceae of Australia“ (ibid. 1855). – Auch für die von J. G. Ch. Lehmann herausgegebenen Plantae Preissianae bearbeitete M. die neuholländischen Leguminosen, Proteaceen, Thymeleen und Polygaleen 1844 u. 45). Morphologisch-systematische Detailfragen an einzelnen Pflanzen behandeln folgende Arbeiten: „Ueber Blattbulbillen“ (Verh. d. naturf. Gesellschaft in Basel 1836) – „Note sur le Polygonum Owenii“ (Ann. des sc. nat. 1837) – „Bemerkungen über Lycopodium lepidophyllum“ (Linnaea 1838) – „Musa Cavendishii“ (Naturf. Gesellsch. in Basel 1851) – „Muehlenbeckia varians et polyclados“ (Bot. Zeit. 1852. 1865) – „Ueber eine wahrscheinlich neue Orobanche“ (ibid. 1867). Endlich verfaßte M. auch noch einige ornithologische Abhandlungen über den gemeinen Wasserschmätzer (Naturf. Gesellsch. in Basel 1835 und Bibliothèque universel 1836) und schrieb eine treffliche Denkschrift auf den Botaniker C. Fr. Ph. v. Martius (Münch. Akad. d. Wissensch. 1869). Diese zahlreichen, mit ausdauerndem Fleiße geschaffenen Publicationen werden Meißners Namen in der botanischen Wissenschaft erhalten, wenn er auch den Glanz anderer Koryphäen auf systematischem Gebiete nicht erreicht hat. Durch Naturanlage und häusliche Sorgen zum Ernst gestimmt, zeigt sich Meißner’s stiller, nur der speciellen Forschung sich hingebender Charakterzug auch in seiner litterarischen Thätigkeit. Al. Braun nennt in einem seiner Jugendbriefe M. „ein feines, glattes Männlein, das in hohem Tone spricht und sich nie zum Spaße herabläßt“. Seine Herzensbildung war vortrefflich. Bescheiden für sich, wohlwollend gegen andere und treu in der Freundschaft, hat er die mit ihm Vertrauten eng an sich zu fesseln gewußt. (Bulletin de la société botanique de France 1874.)