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ADB:Meyer, Georg Theodor

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Artikel „Meyer, Georg Theodor“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 575–576, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meyer,_Georg_Theodor&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 12:01 Uhr UTC)
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Meyer: Georg Theodor M., Sohn des Kämmereisecretärs M. zu Lüneburg, wurde daselbst 1797 geboren und bezog nach Absolvirung des Gymnasiums seiner Vaterstadt die Universität Göttingen, wo er von October 1815 ab die Rechte studirte und den 17. Septbr. 1818 die Doctorwürde erwarb. Er ließ sich dann als Advocat in Lüneburg nieder und trat aus dem zurückgezogenen Leben, das er führte, erst heraus, als er 1831 für Lüneburg in die zweite Kammer der allgemeinen Ständeversammlung gewählt wurde. Auch hier machte er sich weniger in den Debatten des Plenums bemerklich als in den Verhandlungen der Commissionen; und es war kein geringes Zeichen des Vertrauens, wenn man ihn, den politischen Neuling, in die zur Entwerfung des Staatsgrundgesetzes niedergesetzte Commission wählte, welche vom November 1831 bis Februar 1832 arbeitete und so hervorragende Persönlichkeiten wie Dahlmann, Stüve, Rumann, Lüntzel und den Geh. Cabinetsrath Rose, aus der ersten Kammer v. Schele und v. Walmoden zu Mitgliedern hatte. Als dann die Plenarberathungen über den Verfassungsentwurf begannen, wurde M. mit Stüve und Rose in die ständige Conferenz berufen, welche unter Zutritt ad hoc erwählter Mitglieder die Differenzen zwischen den Beschlüssen beider Kammern auszugleichen die Aufgabe hatte. In dieser ganzen Thätigkeit bewährte er sich als ein Vertreter maßvoller liberaler Ansichten; in nationalökonomischen Fragen sah er nicht weiter als die Mehrzahl seiner Gesinnungsgenossen und führte 1835 die Verwerfung der Eisenbahnbauten bezweckenden Anträge mit herbei. Als König Ernst August 1837 das Staatsgrundgesetz umstieß, war M. eines der festesten Mitglieder der Opposition und nahm an allen Schritten derselben Theil, welche zum Schutz des freventlich verletzten Rechts geschahen. 1839 in seiner Vaterstadt zum Senator erwählt, erhielt er die Bestätigung des Ministers des Innern; der König nahm aber davon Veranlassung, seine eigene Verordnung vom 14. Novbr. 1837 abzuändern und die Bestätigung der Magistratsmitglieder für die Zukunft zur Competenz des Cabinets zu ziehen. Auch von den kleinlichen Polizeichicanen der Zeit blieb M. nicht verschont: als er im Juli 1839 gelegentlich einer Reise in der durch die Absetzung des Stadtdirectors Rumann lebhaft erregten Residenz verweilte, erhielt er die Weisung schleunigst die Stadt zu verlassen. Das Jahr 1841 brachte den schlagendsten Beweis von Meyer’s Werthschätzung auf beiden Seiten. Die zweite Kammer der neu einberufenen Ständeversammlung wählte ihn zu ihrem Präsidenten. Da die Regierung Stüve widerrechtlich an dem Eintritt in die Kammer hinderte, so fiel M. die Stellung nicht nur des Leiters, sondern auch oft genug des Wortführers der Opposition zu. Bekannt ist das Wort geworden, das er dem Vorwurf eines Regierungsvertreters, seine Partei verfahre nach dem Grundsatze fiat justitia pereat mundus [576] entgegensetzte: er wolle lieber auf den Trümmern des Vaterlandes mit einem reinen Gewissen sitzen als in der Nähe des Thrones mit einem schuldbeladenen. Das Leben der Kammer währte kaum vier Wochen, ihrer Auflösung folgte eine königliche Proclamation nach, in der die Präsidentenwahl als die erste den Charakter feindseliger Gesinnung an der Stirn tragende Handlung und der Präsident selbst als ein Mann stigmatisirt wurde, der sein Bemühen, die untheilbare landesherrliche Gewalt unter ein Mitregiment der Stände zu bringen, schon in der Regierungszeit König Wilhelms IV. dargethan und jetzt wieder seine Befangenheit in Parteiansichten, seine Geringschätzung materieller Interessen, seine Trugschlüsse über die Wahrheitsliebe, Redlichkeit und Geschäftstreue der Minister in die Protocolle der Stände niedergelegt habe. Ganz besonders wird ihm noch vorgeworfen, aus den Worten des Königs in einer ihm gewährten Privataudienz öffentlich Schlüsse gezogen zu haben, zu denen weder Grund noch Anlaß vorhanden gewesen sei. Es bezieht sich das auf eine Aeußerung Meyer’s in der Kammer, er habe die Ueberzeugung gewonnen, der König könne und wolle die Wahrheit hören, habe sie aber bisher nicht vernommen oder sei nicht gehörig über die Rechtsprinzipien aufgeklärt und dafür treffe die Rathgeber die Schuld. Die nächsten Jahre widmete sich M. allein den Communalgeschäften der Vaterstadt, zu deren Syndicus er 1846 bei Einführung der neuen Stadtverfassung gewählt wurde. Das Jahr 1848 brachte ihn nach Frankfurt in die Nationalversammlung, doch gehörte er ihr nur wenige Wochen an, da er am 9. Juni zum Landdrosten von Hildesheim ernannt wurde. Seine Energie und Tüchtigkeit, sein schlichtes, bürgerfreundliches Wesen trugen dazu bei, in dem politisch aufgewühlten Bezirk befriedigende Zustände wiederherzustellen. In die parlamentarische Thätigkeit kehrte M. erst im Herbst 1849 zurück; er wurde einer der Führer der ministeriellen Partei, deren Hauptaufgabe die Vertheidigung der Stüve’schen Politik gegen rechts und links bildete. Als sich im Herbst 1850 das Ministerium gegen die Mißstimmung des Königs und Angriffe bei Hofe nicht länger zu halten vermochte und zu seinem Ersatz das Ministerium Münchhausen am 28. October eintrat, erhielten zwei Lüneburger, nahe Freunde Stüve’s, der Oberbürgermeister Lindemann und M., Portefeuilles, jener das des Inneren, dieser das des Cultus. Das Ministerium hat nicht viel über ein Jahr bestanden, aber es gelang doch in dieser Zeit die wichtigsten Stüve’schen Organisationsgesetze zu publiciren und den Zollvereinsvertrag mit Preußen zu schließen (Bd. VI, S. 283). Am 18. Nov. 1851 starb Ernst August; vier Tage später entließ König Georg die beim Regierungsantritt bestätigten Staatsminister seines Vaters aus ihren Aemtern. Als Mitglied der zweiten Kammer hat M. dann noch den Kampf gegen die immer bedrohlicher heraufziehende Reaction tapfer mitgekämpft, bis ihm auf Grund der königlichen Verordnung vom 14. Januar 1857, welche pensionirte Minister der unmittelbaren Dienstherrlichkeit des Königs unterstellte, so daß sie von ihm die Genehmigung zum Eintritt in die Ständeversammlung einholen mußten, wie allen seinen Collegen der Urlaub verweigert wurde. M. zog sich damit aus der öffentlichen Thätigkeit zurück und lebte in seiner Vaterstadt, wie man ihm nachrühmte, für alles Gute und Edle mit Treue und Aufopferung wirkend. M. starb den 12. September 1870, einer der anspruchslosesten und tüchtigsten Charaktere der staatsgrundgesetzlichen Opposition, der den Kampf gegen den Verfassungsumsturz nicht im Sinne einer politischen Doctrin, sondern als eine Gewissenssache durchgefochten hatte, hier wie überall sich als ein Mann von tief religiösem Ernste bewährend.

Conv.-Lexikon der Gegenwart, Bd. 3, (1840), S. 630. Hannov. Portfolio, Bd. 4 (1841), S. 127 ff. Oppermann, Zur Gesch. des Königr. Hannover, Bd. 1 und 2.