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ADB:Meyer, Gottlob Wilhelm

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Artikel „Meyer, Gottlob Wilhelm“ von Carl Gustav Adolf Siegfried in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 577–578, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meyer,_Gottlob_Wilhelm&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 21:30 Uhr UTC)
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Meyer: Gottlob Wilhelm M., geb. am 29. Novbr. 1768 zu Lübeck, war seit 1801 Repetent zu Göttingen und zweiter Universitätsprediger, seit 1805 Professor der Theologie zu Altdorf und Archidiaconus daselbst, 1813 Dr. theol., Professor und Stadtpfarrer zu Erlangen, woselbst er am 9. Mai 1816 starb (Winer, Handb. d. th. Litt. II, 667). – Von früheren Arbeiten sind zu nennen die „Commentatio de notione orci apud Hebraeos“, 1793; „Diss. foederis cum Jehova notionem in V. T. scriptis frequentissime obviam illustrans“, 1797. Sein erstes größeres Werk „Versuch einer Hermeneutik des A. Testamentes“, 2 Bde., 1799, 1800, zeigt sogleich die eigenthümlichen Verdienste und Mängel der litterarischen Thätigkeit des Verfassers. Aeußerste Sorgfalt in der Ansammlung des Materials, Zuverlässigkeit hinsichtlich der einzelnen Angaben, Besonnenheit im Urtheil, überhaupt Gründlichkeit in der Behandlung der gestellten Aufgabe: andererseits eine eintönige Breite der Darstellung und, trotz redlichen Bestrebens der eigenthümlichen Größe und Schönheit des A. T’s. gerecht zu werden, doch eine gewisse Flachheit der eigenen geistigen Natur, an welcher jenes scheitert. Das Werk selbst zerfällt in zwei Haupttheile (vgl. Rosenmüller, Hdb. f. d. Lit. d. bibl. Krit. u. Exeg., Bd. 4, S. 140–144), deren erster von den Mitteln zur Erlangung des richtigen Verständnisses der Worte handelt, und darstellt, inwieweit dasselbe aus der hebräischen Sprache selbst, aus den verwandten Dialekten, aus den Uebersetzungen, aus den bisherigen Lexicis und Grammatiken gewonnen werden könne, wozu in Bd. 2 ein Nachtrag kommt, der von den fachlichen (historischen, geographischen, archäologischen) Kenntnissen handelt, welche zur richtigen Auslegung des A. T’s. unentbehrlich sind. Der 2. Haupttheil (die specielle Hermeneutik) faßt die einzelnen Litteraturgebiete des A. T’s. ins Auge und sucht Regeln für die Auslegung der historischen, poetischen und prophetischen Bücher festzustellen, wobei es nur verfehlt war, die Besprechung der von M. sogenannten „philosophischen Reste“ der hebräischen Litteratur in einem besonderen Abschnitt anzuhängen und Spruchweisheit und Koheleth von Hiob und anderen didaktischen Stücken loszureißen. Außerdem sind in einem letzten Theile des Werkes gewisse Darstellungsformen der hebräischen Litteratur behandelt, wobei sich aber weder ein durchgreifendes logisches noch ästhetisches Princip zu erkennen giebt. – So Manches hiernach noch in dem in Rede stehenden Buche zu wünschen übrig bleibt, so zeigt doch schon ein Blick auf die in Diestel’s Gesch. des A. T’s. S. 626–635 dargestellte Weiterentwicklung der alttestamentlichen Hermeneutik, daß man wohl über die theologischen Principien der Auslegung mit mehr oder weniger Glück weiter nachgedacht hat, daß aber die sprach- und realwissenschaftliche Grundlage unseres Fachs noch keinen Darsteller gefunden hat, der für unsere Zeit das geleistet hätte, was M. für die seinige leistete. – Als Fortsetzung erschien: „Grundriß einer Hermeneutik des Alten und Neuen Testamentes“, 1801. – Bald ließ der fleißige Mann weitere Früchte seiner Studien in Göttingens unerschöpflichen Büchermassen folgen. Von 1802 bis 1809 erschienen seine 5 Bände einer „Geschichte der Schrifterklärung seit der Wiederherstellung der Wissenschaften“. Das von 1453–1800 reichende Werk zeichnet sich von der ungefähr gleichzeitigen Historia interpretationis librorum sacrorum in ecclesia Christiana, 1795–1814, 5 voll. von Rosenmüller, vor allen Dingen dadurch aus, daß es wirklich eine Geschichte und nicht wie jenes nur aneinandergereihte Bruchstücke von Lesefrüchten aus den Auslegern nebst gelegentlichen Anmerkungen über dieselben giebt. Es ist freilich eine etwas trockene Lectüre, aber ein Biographienschreiber über alttestamentliche Gelehrte würde einen Akt der höchsten Undankbarkeit begehen, wenn er nicht die Vollständigkeit und Zuverlässigkeit dieser so oft [578] benützten Fundgrube in warmen Worten anerkennt. Wenn auch die Referate über Personen und Bücher, welche M. giebt, nicht überall genügen, brauchbar sind sie immer und erleichtern jedenfalls durch ihre Hinweise und Anführungen die Arbeit. Die Litteraturmassen welche M. bewältigt hat, sind ganz außerordentliche und nach dieser Seite verdankt Diestel’s schönes oben angeführtes Werk, welches freilich diesen Vorgänger durch Geist und Urtheil weit überragt, demselben innerhalb der oben bezeichneten Zeitgrenze manche stoffliche Zufuhr. Es ist nicht nur die eigentliche Auslegungsgeschichte dargestellt, sondern auch eine Geschichte der Bibel (ihres Textes, ihrer Uebersetzungen, der biblischen Lexikographie und Grammatik sowie der orientalischen Hülfswissenschaften) wird in dem Buche gegeben mit vielen bibliographischen Angaben und sehr gut ausgewählten wörtlichen Citaten besonders charakteristischer Ansichten einzelner Gelehrten, über die auch oft biographische Data eingefügt sind (vgl. sonst noch C. Siegfried, Die Aufgabe der Geschichte der alttestamentlichen Auslegung in der Gegenwart, 1876, S. 17). – In den durch die Kritik Vater’s und de Wette’s neu angeregten Streit über die historische Glaubwürdigkeit des Pentateuchs griff M. mit ein durch seine „Apologie der geschichtlichen Auffassung aller historischen Bücher des Alten Testamentes, besonders des Pentateuchs“, 1811, worin er namentlich der bloßen damals sogenannten mythischen Deutung des letzteren entgegentrat. – Seine obenerwähnte „Dissertatio foederis“ etc., 1797, steht dagegen ganz auf dem Boden der damaligen mythisirenden Auffassung des Rationalismus, welcher keine Ahnung von dem ideellen Gehalt dieser religiösen Anschauungen hat.

Vgl. Eichhorn, Allg. Bibl. d. bibl. Lit., Bd. 8, S. 70–77. Andere Schriften praktisch-theologischer Art s. bei Meusel, Gel. T. Bd. 14, S. 560.