Zum Inhalt springen

ADB:Mohl, Hugo von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Mohl, Hugo“ von Anton de Bary in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 55–57, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mohl,_Hugo_von&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 10:57 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Mohl, Julius
Band 22 (1885), S. 55–57 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Hugo von Mohl in der Wikipedia
Hugo von Mohl in Wikidata
GND-Nummer 118830538
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|22|55|57|Mohl, Hugo|Anton de Bary|ADB:Mohl, Hugo von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118830538}}    

Mohl: Hugo M. wurde am 8. April 1805 zu Stuttgart geboren als Sohn des damaligen württembergischen Regierungsraths, späteren Staatsministers, Oberconsistorialpräsidenten etc. Benjamin Ferdinand v. M. Er war der vierte von fünf hochbegabten Brüdern, von denen der jüngste nach eben vollendetem Universitätsstudium einen frühen Tod fand, die drei älteren, Robert, Julius und Moriz in hervorragende Stellungen gelangten. Die Jugenderziehung wurde vorwiegend von der Mutter, einer Schwester des Tübinger Mediciners Autenrieth, geleitet, welche als vorzüglich tüchtige Dame gerühmt wird. Nachdem M. das Stuttgarter Gymnasium 12 Jahre lang besucht hatte, bezog er in seinem 19. Lebensjahre, im Herbst 1823, die Tübinger Universität, um sich dem Studium der Medicin zu widmen. Er verbrachte dort die ganze Zeit seiner Studien und schloß diese im August 1828 mit einem glänzenden Staats- und Doctorexamen ab. Eine zur weiteren Ausbildung geplante mehrjährige Reise führte ihn zuerst nach München, und hier wurde er durch das für die damalige Zeit bevorzugt reiche wissenschaftliche Material und durch den Verkehr mit gleichstrebenden Männern festgehalten, so daß aus dem beabsichtigten Besuch ein mehrjähriger, nur durch Alpenreisen unterbrochener Aufenthalt wurde. Die Münchener Arbeiten sollten 1831 unterbrochen werden durch eine Berufung als erster Adjunct an den kaiserlichen botanischen Garten in Petersburg. M. trat in diese Stelle jedoch nicht ein, sondern zog es vor, im J. 1832 einem Rufe als Professor der Physiologie an die damalige Akademie zu Bern zu folgen. 1834 an die neu begründete Berner Universität übergegangen, kehrte er schon im Frühjahr 1835 als Professor der Botanik an die Tübinger Hochschule zurück. In dieser Stellung verblieb er, manche an ihn im Laufe der späteren Zeit ergangene glänzende Berufung ausschlagend, bis zu seinem Lebensende, hochgeachtet als Gelehrter, als Lehrer und College, ausgezeichnet durch die höchsten wissenschaftlichen und socialen Ehrenbezeugungen, von welchen ihm die Verleihung des württembergischen Kronordens 1843 den Personaladel ertheilte. Er starb plötzlich. Am Abend des ersten Ostertags 1872 verkehrte er munter mit Bekannten; am folgenden Morgen, den 1. April, fand man ihn todt im Bette. Von der Jugendzeit an führte M. ein stilles Gelehrtenleben, während der Studienzeit blieb er allem studentischen Treiben fern, in den späteren Lebensstellungen hielt er sich einsam, zurückgezogen, in einfachsten und streng regelmäßigen Gewohnheiten. Er blieb unverheirathet. Geselligen Verkehr mied er nicht gerade, und im Freundeskreise und in den regelmäßigen Erholungsstunden, die er nach schwäbischer Sitte im Wirthshause zubrachte, ließ er gerne an Stelle des ernsten Gelehrten den heiteren, anregenden, vielbelesenen Gesellschafter treten, der die Unterhaltung in die Hand nahm und beherrschte. Seine Thätigkeit concentrirte sich lediglich auf den Beruf des Universitätslehrers und Forschers.

[56] In ersterer Beziehung widmete er zunächst den Angelegenheiten der Tübinger Universität lebhaftes Interesse und Theilnahme. Er war es z. B. vorzugsweise, der die Begründung der dortigen naturwissenschaftlichen Facultät betrieb, und die im Druck erschienene Eröffnungsrede derselben, welche er als ihr erster Decan im J. 1863 hielt, gibt seiner Befriedigung über das erreichte Ziel Ausdruck. – Die eigentliche Lehrthätigkeit hatte sich in Bern auf die Physiologie des Menschen und die Botanik erstreckt, in Tübingen blieb sie auf letztere beschränkt. Ueber die gewissenhafte Abhaltung der Collegien dehnte sich dieselbe kaum je aus; Schüler heranzuziehen und zum eigenen Arbeiten anzuleiten hat M. stets vermieden und verweigert, mit der einzigen Ausnahme, daß er in späteren Lebensjahren einmal einen schwedischen Botaniker bei sich als Praktikanten zuließ. Freundliche Förderung und Unterstützung jüngerer Forscher war durch jene Abstinenz nicht ausgeschlossen.

Mohl’s Hauptbedeutung liegt auf dem Gebiete der streng wissenschaftlichen Forschung und zwar erstreckte sie sich über die gesammte Botanik und die in Beziehung zu derselben stehende, zumal mikroskopische Technik. Seine Thätigkeit ist dadurch charakterisirt, daß er mit äußerster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit an den Arbeiten und Fortschritten, welche Andere brachten, Antheil und dabei dunkel gebliebene Fragen zur Bearbeitung in die Hand nahm. Das gewonnene Resultat wurde dann in klarster, sorgfältigster Darstellung publicirt, mit fast ängstlicher Vermeidung aller über die strengen Grenzen des Sachlichen gehenden Ausschreitungen, und nur Fertiges wurde publicirt. Daher denn auch fast jede seiner Arbeiten einen dauernden Fortschritt brachte, neues Licht verbreitete auf dem Specialgebiete, welches sie behandelte. Neue, ungeahnte Dinge, sogenannte glänzende Entdeckungen, hat M. kaum zu Tage gefördert. Eine Menge Gegenstände seiner Arbeiten waren vor ihm von Anderen längst gefunden, untersucht und weitläufig besprochen, erst die vollendete Beobachtung und Darstellung Mohl’s brachte aber die klare, sichere Kenntniß. Aus dem angegebenen Gang des Arbeitens erklärt sich die Art der Publication Mohl’s. Fast alle seine Arbeiten wurden, sowie sie fertig und reif waren, in Form monographischer Aufsätze veröffentlicht; die meisten als Dissertationen und in Zeitschriften, zumal in der seit 1843 bestehenden „Botanischen Zeitung“, deren Mitherausgeber er bis an sein Ende war. Nur zwei zusammenfassende kleine Bücher hat er geschrieben, die „Mikrographie“, eine Anleitung zur Kenntniß und zum Gebrauche des Mikroskops (1846), und die „Anatomie und Physiologie der vegetabilischen Zelle“, eine aus R. Wagners Handwörterbuch der Physiologie abgedruckte klassische Uebersicht der pflanzenphysiologischen Kenntnisse jener Zeit (1851). – Andere geplante größere Bücher blieben unausgeführt, theils wol aus Bequemlichkeit, anderentheils aber auch, weil er sich in die Nothwendigkeit nicht finden mochte, unerledigte Fragen als solche darzustellen oder gar das Gebiet hypothetischer Erledigung zu betreten. – von den Einzelaufsätzen, welche bis 1845 erschienen waren, sind die meisten in den im besagten Jahre erschienenen „Vermischten Schriften“ vereinigt.

Mohl’s Arbeiten erstrecken sich über fast alle Specialgebiete der Botanik. Die meisten und hervorragendsten liegen aber auf jenem der Anatomie und Physiologie. Diese Disciplinen waren zur Zeit, als M. zu arbeiten anfing, mehr als andere unfertig und der Förderung in klare Fragestellung und Bearbeitung bedürftig, und mehr hierin als in rein persönlichem Geschmack dürfte der Grund liegen, daß er sie vorwiegend in die Hand nahm und darin behielt. Die erste klassische Arbeit auf diesen Gebieten ist die Schrift über den Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen, welche der 22jährige Student in Beantwortung einer von der Tübinger medicinischen Facultät gestellten Preisfrage (1827) [57] lieferte. Eine gleich tüchtige Bearbeitung der Frage hatte Palm geleistet und diesem wurde durch das Loos der Preis zu Theil. Die physiologischen Resultate jener Arbeit wurden von den Fachgenossen meist erst 30 Jahre später, manche erst in der allerjüngsten Zeit, richtig verstanden und gewürdigt. Während der Münchener Zeit erschienen sodann die epochemachenden stattlichen Arbeiten „De Palmarum structura“ (1831); „Ueber den Bau des Cycadeenstammes“ (1832) und „Ueber den Bau des Farnstammes“ (1833). Dieselben wurden zum Theil auf Martius’ Veranlassung unternommen, die erste und dritte auch als Theile Martius’scher Werke veröffentlicht. Sie waren es vorwiegend, welche Mohl’s Ruf begründeten.

Wenn diese Jugendarbeiten ihre Entstehung zum Theil von außen empfangener Anregung verdankten, so ging M. bei seinen übrigen hierher gehörigen Hauptarbeiten ganz seinen eigenen Weg. Die Ermittelung der „Structur der Pflanzensubstanz“, wie er es nannte, die Histologie der Pflanzen und die Vervollkommnung der zu ihrer Bearbeitung erforderlichen mikroskopischen Technik bilden den Gegenstand derselben. Sie beginnen mit der im J. 1828 erschienenen Doctordissertation „Ueber die Poren der Pflanzenzellen“ und gehen durch sein Leben fort, die letzten fanden sich unvollendet in seinem Nachlasse. Sie haben zwar nicht die Zelle entdeckt, aber die heutige Zellenlehre fest begründet, das mag am besten dadurch veranschaulicht werden, daß das Protoplasma von M. zuerst erkannt und benannt wurde.

Ein ferneres Eingehen auf die Details von Mohl’s Leistungen wäre hier wol nicht am Platze und möge daher, mit Verweisung auf Sachs’ Geschichte der Botanik, unterbleiben. Ein vollständiges Verzeichniß seiner Arbeiten findet sich in Nr. 31 der Botanischen Zeitung, Jahrgang 1872.