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ADB:Muffel, Nikolaus von

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Artikel „Muffel, Nikolaus“ von Ernst Mummenhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 444–451, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Muffel,_Nikolaus_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 18:47 Uhr UTC)
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Muffel: Nikolaus M., geboren 1410 zu Nürnberg, aus altem Patriziergeschlecht, war der Sohn des Nikolaus M. und der Brigitta Tetzel. 1433 kam er in den Rath ward noch im selben Jahre Pfleger zu St. Egydien, 1440 zu St. Klaren, rückte 1443 zur Stelle eines alten Bürgermeisters, 1445 zu der eines älteren Herrn vor; 1452, als er bei der Kaiserkrönung Friedrichs III. in Rom weilte, wurde er zum obersten Hauptmann ernannt und von der Romreise [445] zurückgekehrt erhielt er gemeiner Stadt Sekretinsiegel und die Schlüssel zum Heiligthum in Verwahr. 1457, erst 47 Jahre alt, stieg er zu der höchsten Stufe der Würden, die die Reichsstadt gewähren konnte, zu der eines Losungers empor; M. war in den Tagen seines größten Ansehens ohne Zweifel die einflußreichste Persönlichkeit der Reichsstadt; sowol bei seinen Mitbürgern und seinen Amtsgenossen, als auch bei Kaiser und Fürsten stand er in Gunst und Ehren. Repräsentations- und Redegabe, sowie staatmännische Eigenschaften und diplomatische Gewandtheit müssen ihm in hohem Grade eigen gewesen sein, da der Rath sich seiner häufig bei schwierigen politischen Sendungen bedient hat. So sandte ihn der Rath 1444 nach Ulm, wo er am 15. December die mit den schwäbischen Städten auf ein Jahr abgeschlossene Einung beschwor. Ebenso wichtig als schwierig war der Auftrag, der ihn 1449 an den königlichen Hof führte. Er blieb daselbst bis in’s Jahr 1450, um während des zwischen Markgraf Albrecht und der Stadt Nürnberg entbrannten Krieges die Interessen der letzteren wahrzunehmen, im April nahm er dann mit den übrigen Nürnberger Abgesandten an den Verhandlungen des Münchener Tages theil. Späterhin und in den folgenden Jahren treffen wir ihn wieder mehrfach als Botschafter am königlichen Hofe. Die ehrenvollste Mission aber war die des Jahres 1452, als er im Gefolge König Friedrichs III. die Reichskleinodien zu dessen Kaiserkrönung im Auftrage seiner Vaterstadt nach Rom zu geleiten hatte. Während der Messe in der St. Peterskirche erwirkte er vor allen Anderen die kaiserliche Bestätigung der Stadtfreiheiten. Papst wie Kaiser zeichneten ihn ganz besonders aus. Am Palmsonntag war er unter denen, die den Himmel über Papst Nikolaus trugen, er ministrirte ihm in der Messe und empfing aus seiner Hand das Abendmahl unter beiden Gestalten. „Item“, schließt M. seinen Bericht, „kein potschaft von den anderen reichstetten wurt also geert, als die stat Nuremberg: die hat den grosten namen.“ 1454 erwirkte er bei König Ladislaus IV. von Böhmen und Ungarn für die Nürnberger Kaufleute die Freiheit, auf ihren Handelszügen von Nürnberg nach Prag keine bestimmte Straße einhalten zu müssen. 1457 vertrat er den Rath bei dem Leichenbegängniß der ersten Gemahlin Markgraf Albrechts von Brandenburg, Margaretha, der Tochter Markgraf Jacobs von Baden, in Kloster Heilsbronn zugleich mit Berthold Pfinzing, Joh. Koler und Jobst Tetzel und wurde im folgenden Jahre mit Franz Rumel auf die Hochzeit Markgraf Albrechts, die dieser am 12. November mit Anna, der Tochter Friedrichs des Sanftmüthigen von Sachsen hielt, von Rathswegen abgefertigt. 1461 wurde er nochmals an ihn abgesandt, um ihm auf sein Begehren um die Bundesgenossenschaft der Reichsstadt gegen Herzog Ludwig von Baiern eine ablehnende Antwort des Rathes zu überbringen. – An Muffel’s Person knüpft sich ein in hohem Grade tragisches Geschick. Derselbe Mann, der während der langen Dauer von 36 Jahren im Dienste seiner Vaterstadt gewirkt und die höchste Würde im Staat erreicht hatte, fand verurtheilt wegen gemeinen Diebstahls ein schmachvolles Ende durch den Strang. Es ist von jeher die Frage aufgeworfen worden, ob M. nach Recht und Verdienst gerichtet worden, oder ob nicht eine übermächtige und ihm todfeindliche Partei im Rath einen Justizmord schmählichster Art an ihm verübt habe. Schon gleich nach seiner Hinrichtung ließen sich Stimmen zu seinen Gunsten vernehmen. Fast die ganze Bürgerschaft hielt seine Partei, zeitgenössische Chronisten drücken ihre Zweifel an seiner Schuld aus. Ein Lied aus jener Zeit, dessen Verfasser sich Heinz Uebertwerg nennt, bezeichnet ihn ohne Umschweife als das Opfer eines gegen ihn aufsässigen Rathes und einiger ihm todfeindlichen Mitglieder desselben, an den fürstlichen Höfen hatte man bezüglich der Rechtmäßigkeit des Urtheils Verdacht geschöpft und in der folgenden Generation hatte der Glaube an Muffel’s Unschuld selbst in den [446] Kreisen der regierenden Geschlechter allgemein Wurzel gefaßt. Man sieht sich in der That einem psychologischen Räthsel gegenübergestellt, wenn man annimmt, wie es allgemein geschehen, daß sich M. äußerst günstiger Vermögensverhältnisse erfreut habe. Seine Besitzthümer waren allerdings bedeutend. Sie umfaßten die Güter Eckenhaid, Ermreuth, Eschenau, Schoppershof, Schübelsberg, Schloß Burgstall Zehnten zu Eckenhaid und Vockendorf, Besitzungen zu Wendelstein und Bergel, Häuser in Nürnberg, Gärten und Wiesen in dessen Umgebung u. a. Freilich waren die Stammgüter Eschenau, Ermreuth und Eckenhaid Miteigenthum der Jakobinischen Linie, aber deßungeachtet war der Ertrag eines so ausgedehnten Grundbesitzes ein reicher, er mußte, sollte man meinen, genügen, um auch hochgespannte Ansprüche zu befriedigen. Auf der anderen Seite aber darf nicht übersehen werden, daß die Ertragsfähigkeit dieser Güter durch hypothekarische Belastung geschwächt und die noch bleibende Rente durch Muffel’s Schulden und seine unsinnigen religiösen Liebhabereien zum größten Theil aufgezehrt wurde. Es wirft ein bedenkliches Licht auf seine finanzielle Lage, daß er bis zu seinem Tode Frau wie Kindern die ihnen gebührenden Heiraths- und Zuschätze nicht hatte ausfolgen können, daß er großen wie kleinen Leuten bedeutende wie unbedeutende Beträge schuldete, daß ihn endlich seine Nothlage gezwungen, bei den Juden sein Heil zu suchen. Selbst zum Verkauf der Kleinodien seiner Frau hatte er sich verstanden und sie auf seine eigenen verwiesen, die dann auch versetzt wurden und deren Verkauf bevorstand. Nach Allem war Muffel’s Nothlage eine keineswegs vorübergehende. Sie war um so bedrängter, als ihm seine sociale wie amtliche Stellung auferlegte, seine Verlegenheiten zu verbergen und seinem Stand und Amt angemessen, wenn nicht gar glänzend aufzutreten. Charakteristisch für seine Lage sind die vielen kleinen Schulden, von denen er sich nicht befreien konnte, sowie besonders das Verkaufen und Versetzen kostbarer Kleinodien und theurer Angedenken, von denen er sich doch wol erst trennte, als er in seinen Verlegenheiten keinen anderweitigen Ausweg mehr fand. Muffel’s Nothlage ist, wie aus dem Verhörsprotocoll hervorgeht, einmal auf empfindliche Verluste zurückzuführen. Dann aber auf den Umstand, daß er ein schlechter Haushalter war und nicht zu rechnen verstand, was um so schwerer in die Wagschale fiel, als er für eine zahlreiche Familie – 6 Söhne und 3 Töchter – zu sorgen hatte. Hauptsächlich aber war es doch wol sein ungezügelter religiöser Drang zum Erwerb von kostbaren Reliquien, seine krankhafte religiöse Schwärmerei, die, der Zeit überhaupt und ihm in außerordentlichem Maaße eigen, in der unausgesetzten Bethätigung reicher Stiftungen Befriedigung suchte, andererseits aber der gänzlichen Zerrüttung seiner finanziellen Verhältnisse mehr und mehr Vorschub leisten mußte. Es soll an einem anderen Ort gezeigt werden, auf welche Abwege er infolge der religiösen Krankheit seiner Zeit gerieth. M. ist als ein sprechendes Beispiel dafür anzuführen, in welch hohem Grade die damalige Religiösität auf nichtsbedeutenden Aeußerlichkeiten beruhte, in leere Werkheiligkeit ausgeartet und vom krassesten Aberglauben überwuchert war. Mit großer Mühe hat er 308 Heiligthümer zusammengeschachert und bedauert immer noch, daß er noch nicht soviel erworben, um an jedem Tag des Jahres eines Heiligen Gebein verehren zu können. Seine Beschreibung Roms ist ein ununterbrochener Beweis seiner religiösen Ausschweifung, strotzt von Wundermären, die die Legende an die heiligen Orte geknüpft und die er als unanfechtbare Heilswahrheiten hinnimmt, verzeichnet mit peinlicher Sorgfalt die unzähligen und unerschöpflichen Gnaden, die frommer Wahn mit dem Besuche der ewigen Stadt und ihrer heiligen Stätten verbunden glaubte. Seine Religiosität entbehrte des wahren, des inneren Kernes, sie konnte keinen Riegel bilden gegen die That, die ihm den Strang eintrug, ja sie war vielleicht der letzte Grund seines unseligen [447] Endes. Zur weiteren Beurtheilung Muffel’s ist seine Stellung zum Rath von besonderer Erheblichkeit. Sie ist die denkbar ungünstigste. Dadurch daß er seine eigenen Interessen gegenüber denen des Raths fort und fort auf das hartnäckigste und rücksichtsloseste betonte, daß er auch gegenüber den einzelnen Rathsmitgliedern seinen Egoismus nicht zu zähmen, seine Schroffheit und Schärfe nicht abzulegen vermochte, hat er sich mit dem Rath im Ganzen und im Einzelnen auf das unversöhnlichste überworfen. Sein Verhältniß zum Rath war zu einem durchaus unhaltbaren geworden. So trat M., als ihn der Rath als Gesandten zur Beilegung des 1460 zwischen Markgraf Albrecht und Herzog Ludwig von Baiern entbrannten Krieges in Aussicht nehmen wollte, mit einer beleidigenden Schroffheit auf, die aller Beschreibung spottete. Auf seine Schmähreden, womit er den Auftrag von sich wies, ließ ihn der Rath austreten und hielt ihm, der als erster Losunger den Uebrigen ein Vorbild sein sollte, die Ungebühr seines Auftretens in scharfen Worten vor und bemerkte ihm noch, daß er eine große Strafe verdient hätte, die man jetzt nicht über ihn ergehen lassen, aber auch nicht vergessen wolle. Die bestehende Kluft erweiterte sich wesentlich infolge der Haltung des Rathes gegenüber der Bewerbung Muffel’s um die Dompropsteistelle bei St. Stephan zu Bamberg für seinen Sohn Hans, die Berthold von Henneberg, unterstützt von seinem älteren Bruder Wilhelm, gleichfalls erstrebte. In diesem Handel verhielt sich der Rath nach Muffel’s Auffassung zurückhaltender, als letzterer es für angemessen hielt, der Rath hinwieder sah sich tiefer in diese Privatangelegenheit verwickelt, als ihm lieb war, und konnte sich nicht enthalten, M. auf seine Ausfälle wiederholte und scharfe Rügen zu ertheilen. Das Unvermögen Muffel’s, seine Privatinteressen mit den öffentlichen in Einklang zu bringen, erzeugte fortwährend neue Conflikte. Bei Aufführung von Wirthschaftsgebäuden zu Schübelsberg wollte er, der Erste des Raths, sich den zu Recht bestehenden Bauverordnungen nicht fügen. Bei einem Rechtshandel mit einem Hintersassen zu Wendelstein, den das Bauerngericht abgelehnt hatte und der dann beim Rath anhängig wurde, glaubte er sich von letzterem vernachlässigt und beeinträchtigt. Seine unbesonnene Rede, er werde von Seiten des Raths rechtlos gelassen und das sei nun das 38ste Stück, das er aufgeschrieben, worin ihm Widerwille geschehe, rief die äußerste Erbitterung hervor. Durch den älteren Bürgermeister Jobst Tetzel wurde er aufgefordert, die 38 Stücke aufgezeichnet zu übergeben, so wolle sich der Rath nach Befund der Sachen gebührlich halten. Jetzt suchte M. Ausflüchte. Allein, ob er auch betheuerte, er erinnere sich nicht, von der Aufzeichnung der Stücke, sondern nur davon gesprochen zu haben, daß er sie im Gedächtniß behalte, so gab sich doch der Rath damit nicht zufrieden, sondern forderte und erhielt von ihm einen Revers dahin, daß jene Worte „vngeverlich“ gesprochen und er nicht gewillt gewesen, deßhalb Sprüche und Anforderungen an gemeine Stadt zu erheben. Zwei Vorgänge stellen Muffel’s Gewissenhaftigkeit in Verwaltung ihm anvertrauten fremden Gutes in ein höchst zweideutiges Licht. Ein gewisser Trostberger hatte zur Stiftung einer Pfründe im St. Clarakloster 900 fl. gespendet und die Verleihung dem Rath aufgetragen. M., der als Pfleger des Klosters die Fundirung zu bewirken hatte, behielt das Geld für sich, so daß der Priester, der sie zu versehen hatte, beim Rath Klage anbrachte. Dieser sprach sich durch Beschluß vom 7. Juli 1460 dahin aus, es sei seine ernstliche Meinung, daß M. jene 900 fl. mit den Zinsen bis Weihnachten ohne allen Verzug in die Losungstube antworte, damit sie von den Vormündern der Wittwen und Waisen angelegt werden könnten. – Von einer ungenannten Frau hatte er Geld genommen und ihr dagegen ein Leibgeding aufgedrungen. Auf ihre Klage erkannte der Rath am 30. August 1466, da er ein Losunger sei und die Losungstube auch in Mitleidenschaft gezogen werde, solle er Abhilfe [448] schaffen und der Frau ihr Geld zurückgeben. Je größer nach Allem die Voreingenommenheit und Gereiztheit des Rathes gegen M. war, um so nachdrücklicher tritt die Forderung der sorgfältigsten, ja peinlichsten Prüfung und Abwägung der für oder gegen M. sprechenden Momente an den Historiker heran. Muffel’s Veruntreuung kam nach Müllner’s Darstellung im Juni 1468 an den Tag, als ihm beim Hinausgehen aus der Losungstube eine Anzahl Goldstücke aus dem Aermel fielen. Etwa 14 Tage darnach vermißte man, wie Müllner weiter erzählt, einen Sack mit 1000 Goldgulden und legte dessen Fehlen gleichfalls M. zur Last. Das Aelterncollegium, dem Muffel’s College Ant. Tucher Bericht erstattet, beschloß, vorerst noch Schweigen zu beobachten. Erst im Februar 1469, als M. noch der Bruch des Amtsgeheimnisse nachgewiesen war, wurde er aus der Rathsstube verhaftet und der peinlichen Untersuchung unterstellt. Die lange Zeit von 9 Monaten hatte man demnach mit dem Einschreiten gezögert. Es wird nicht gesagt, warum das geschah. Man wird aber wol kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß der Rath bei den großen Sympathien, die M. sowol beim Volke als auch bei Kaiser und Fürsten genoß, Ungelegenheiten und ein Eintreten zu seinen Gunsten besorgte, wie dies auch eine Bemerkung im Verhörsprotokoll zu verrathen scheint. Jetzt hatte sich aber eine geeignete Handhabe zum Einschreiten, worauf der Rath vielleicht gewartet, wie von selbst dargeboten. Das Verfahren beim Zeugenverhör war allem Anscheine nach ein blos mündliches. Erst nach Muffel’s Hinrichtung sind die Aussagen der bei dem ersten Vorgange Anwesenden, des Losungers Ant. Tucher, des Handwerkerlosungers Ant. Tallner, sowie der beiden Losungschreiber zu Protokoll genommen worden. Hinsichtlich des Thatbestandes sind die Aussagen übereinstimmend, nur bezüglich der Zeit des Diebstahls ergibt sich eine Differenz von wenig Tagen, die indeß nicht auffallen kann, wenn man bedenkt, daß das Zeugenprotokoll vom 28. November 1469, 9 Monate nach der Hinrichtung und 1½ Jahre nach dem Diebstahlsversuch, datirt ist. Der Rath hatte, wie schon bemerkt, sich zunächst an der mündlichen Zeugschaft genügen lassen und erst später scheint er es für rathsam erachtet zu haben, die Zeugnisse schwarz auf weiß und notariell beglaubigt in seinem Besitz zu wissen. Nach diesen Zeugenaussagen entfielen M. anfangs Mai 1468 oder auch einige Tage später, als er vom Tisch in der Losungsstube sich erhoben und durch die Stube ging, eine Anzahl Goldgulden aus dem Aermel auf den Estrich, so daß sie laut erklangen. Als Tucher sich umsah und in die Worte ausbrach: „Wie geht das zu?“, erschrak M. und antwortete, die Gulden wären nicht sein, sondern gehörten in den Beutel. Tallner und Joh. Rynolt waren ihm beim Auflesen behilflich. Als dann über eine Weile M. die Stube verließ, äußerte sich der Losungschreiber Martin Vischer Tucher gegenüber, nicht um 10,000 fl. möchte er, daß M. von ihm gesehen hätte, was er von jenem, denn „er müßt erhangen werden, daz daz land an ihm stände“. Am 1. Juni 1468, am Tage der Spitalrechnung, erregte M. außerdem noch den Verdacht des Ant. Tallner und Johann Rynolt, wie deren weitere Aussagen bezeugen. Nach Ablegung der Rechnung im Spital zum heiligen Geist war er und Joh. Rynolt in die Losungstube gegangen, während Tucher und Vischer bei den Wählern im Spital geblieben waren. In der Losungstube war noch Ant. Tallner anwesend. M. trug den beiden auf, Münze in Säcklein zu zählen, er selbst aber öffnete die äußere Thür des Gewölbes, wo in einer eisernen Büchse Säcklein mit je 1000 Gulden lagen. Nach Tallners Bericht, womit der des Rynolt im wesentlichen übereinstimmt, öffnete er die eiserne Büchse, breitete seine Kleider auf das weiteste darüber aus und stand, nachdem er sich eine gute Weile mit der Lade zu schaffen gemacht, auf, ging aus der Stube und kam nach einiger Zeit wieder zurück. Wenn nun [449] auch die beiden Zeugen von einem durch M. begangenen Diebstahl nicht sprechen, so ist doch immerhin der schwere Verdacht, den M. durch sein höchst fragwürdiges Gebahren erwecken mußte, aus ihren Aussagen herauszulesen: sie hielten ihn allem Anschein nach des Verbrechens schuldig, das er später im gerichtlichen Verhöre eingestand. Das Verhör, dem M. im Lochgefängniß unterstellt wurde, dauerte vom 16. bis 23. Februar. Am ersten Tage gestand er vor wie nach der Folter nur, daß er in Konrad Goldasts und Hans Müllers Sachen dem Abt von St. Egydien gegenüber das Rathsgeheimniß gebrochen habe. Am 18. Februar gestand er hinsichtlich des mißlungenen Diebstahls, obschon er mehr als einmal Gulden in seinem Aermel verborgen, so seien sie ihm doch nur einmal herausgefallen. Weiter bekannte er, hier wie vorhin ohne Folterung, am Tage der Spitalrechnung 1000 Gulden gestohlen und das Säcklein in seine Tasche geschoben zu haben. Auf die Frage des Niklaus Groß, wie das möglich sei, da doch er nicht soviel in seine Tasche zu bringen vermöchte, antwortete M., seine Tasche sei groß, wie das sein Schwager Hier. Kreß wol wisse, und er könne bequem wol 6 große Aepfel hineinschieben. Dann fügte er noch hinzu, als Tallner einige Zeit nach diesem Diebstahl ein Säcklein gebracht, habe ihn Tucher gefragt, wie viel denn noch da seien. Auf die Antwort, es seien noch drei da, habe Tucher erwiedert, es müßten noch vier sein, wo denn das eine hingekommen; worauf M. entgegnet, man hätte es dem Wechsler Tyrolt gegeben. Die Geständnisse vom 20. wiederholen in Kürze schon früher Gesagtes und sind im Uebrigen für uns ohne Interesse. Ohne gefoltert zu sein bekennt er am 21. Februar wieder den 1000 Guldendiebstahl und sagt außerdem, die nächsten Pfingsten würden es 2 Jahre, daß er zu stehlen angefangen und der ersten gestohlenen Gulden seien, wie er sich deß wohl erinnere, nicht über 16 gewesen und im Ganzen betrüge die Summe der im Aermel entwendeten Gulden 90 bis 100. Bezüglich des Bruches des Amtsgeheimnisses, der in späteren Chroniken so dargestellt wird, als habe M. die Kaufbriefe über die Burg und den Reichswald an Markgraf Albrecht ausgeliefert, gesteht er, diesem mitgetheilt zu haben, daß die Stadt dem Bischof 1000 fl. nachgelassen und ihm weitere 1000 fl. um eine Verschreibung des Guldenzolls gegeben habe. Die Bekenntnisse vom 22. und 23. Februar, die er gleichfalls ohne vorhergegangene Tortur ablegt, wiederholen im Wesentlichen, was er vorher wegen seiner Veruntreuungen ausgesagt hatte. Neu ist nur die Eröffnung, daß man die Aufzeichnung der erwähnten 38 Stücke, deren Existenz er früher auf das hartnäckigste geläugnet, in „seinem gewalt“ finden werde. Am Schluß der Protokolle der letzten 3 Verhörstage werden ihm seine Aussagen von Wort zu Wort, von Artikel zu Artikel vorgelesen und ihm von den Schöffen die Frage vorgelegt, ob Alles und Jedes also ergangen. Nikolaus Groß ermahnt ihn beim allmächtigen Gott, der Jungfrau Maria, allen Heiligen und dem jüngsten Gericht, den Schöffen und sich selbst Recht zu thun, wie er es gegen Gott und am jüngsten Tage verantworten könne, zu bekennen, ob er zu viel oder zu wenig oder unrecht ausgesagt oder ob irgendwie zu viel oder zu wenig aufgeschrieben worden. Man wolle ihn hören, und wie er es aufschreiben heiße, so wolle man es ausrichten, mit der Vertröstung, daß deßhalb keine Marter mehr über ihn verhängt werden solle. Aber er antwortete stets, er habe das Alles also bekannt und sei leider wahr. Man hat nun freilich eingewendet, daß diese Geständnisse keine zuverlässigen Beweismomente für eine objective Beurtheilung des Thatbestandes darbieten können. Die durch die Anwendung der Folter oder auch nur durch die Furcht und Angst vor ihren Qualen erpreßten Aussagen haben nachgewiesener Maaßen den Sachverhalt nicht selten verdunkelt, ja in sein volles Gegentheil verkehrt. In unserem Falle aber verhält [450] sich die Sache doch wesentlich anders. Die Aussagen Muffel’s sind ganz danach angethan, das gegen ihn abgelegte Zeugniß seiner Amtsgenossn zu unterstützen. Das für den Diebstahlsversuch sprechende Indicium ist so schwerwiegender Art, daß es selbst einem Beweis fast gleichzusetzen und hinsichtlich der Entwendung der 1000 fl. wird M. durch die Zeugenaussagen und das eigene, den ausgesprochenen Verdacht bestätigende Bekenntniß schwer belastet. Aber davon ganz abgesehen: durch den Mund seines Beichtvaters, des Augustiners Simon Lindner, hat M. dem Rath Ersatz anbieten lassen. Es liegt darüber ein in einer Rathssitzung am 7. März 1469 ausgestelltes Notariatsinstrument vor. Danach hat er in seiner letzten Beichte wiederholt auf das ernstlichste darum gebeten, wenn er von der Welt abgeschieden, aber nicht früher, solle jener seinem Weibe und seinen Kindern auftragen, daß sie einem Rath in die Losungstube eine merkliche Summe Geldes, dessen Höhe er benannt, erstatten sollten. Zugleich aber möge er selbst oder durch Vermittlung eines Andern sich bei den älteren Herren oder dem Rath verwenden, damit den Seinen die Rückerstattung erlassen oder doch eine Frist gewährt werde. Muffel’s letztem Wunsche wurde willfahrt. Im Auftrage des Aelternkollegiums verfügte sich Simon Lindner zu den Brüdern Nikolaus und Hans Muffel, während er einen Besuch bei der Wittwe vermied, und überbrachte ihnen den Verzicht auf den Ersatz des veruntreuten Geldes. Wichtig für die Beurtheilung der Schuldfrage ist die Antwort, die Nikolaus Muffel, der Sohn, Simon Lindner ertheilte, und die dahin lautete, sein Vater habe „sein sachen durch sein selbst aigen furnemen und kopf gehandelt“ und ihrer Keinen einiger Handlung seiner Güter und Geschäfts wissen lassen und gethan, daß sie ihm nicht danken könnten und wie er gehandelt, also sei ihm widerfahren. Da kann doch kein Zweifel mehr darüber bestehen, wie der Sohn vom Vater dachte. Am 28. Februar 1469 wurde M. vor Gericht gestellt, das der vollversammelte Rath bildete. Hier aber wiederrief er das im Lochgefängnisse abgelegte Bekenntniß, daß er sich durch die unerträgliche Tortur abgedrungen erklärte. Da standen die beiden Lochschöffen Nikolaus Groß und Hans Imhof auf und sagten bei ihrem Eide aus, daß er Alles ohne Marter bekannt hätte. So Müllner. Aber auch schon aus einem gleichzeitigen amtlichen Schriftstück geht hervor, daß M. den ihm zur Last gelegten Diebstahl an jenem Rechtstage geläugnet hat. Wilhelm Löffelholz bemerkt in der Unterredung mit Pfalzgraf Friedrich bei Rhein, worin er diesem über den ganzen Hergang die erwünschten Aufklärungen ertheilte, weßhalb M. vor Gericht „in lawgen gestanden“, wisse er nicht zu sagen. Sein Widerruf habe dahin gelautet, daß er die 1000 fl. nicht gestohlen, aber mit seinen sonstigen Missethaten und Vergehen (vbel) den Tod wol verdient habe. Und so er die Rückerstattung geleistet, fügt Löffelholz hinzu, möchte er wol die Meinung geschöpft haben, so daß er den 1000-Guldendiebstahl abgeläugnet. Offenbar will Löffelholz sagen, M. habe die Entnahme der 1000 fl., die er zu ersetzen beabsichtigte, nicht für einen Diebstahl gehalten. Im Verhör hatte er betheuert, er hätte „allewegen willen gehabt, solich gestohlen gulden in der losung, oder wa in sunst got beriet, das sein sach besser würde, wider zu geben und die nicht zu behalten.“ Einem absoluten Widerruf Muffel’s aber steht andererseits der seinem Beichtvater im Angesicht des Todes gegebene Auftrag der Wiedererstattung und das darin bestimmt enthaltene Schuldbekenntniß entgegen, das doch schwerer wiegt, als die vor seinen früheren Amtsgenossen, Feinden und Richtern, denen gegenüber sich immer noch der alte Stolz und Groll aufbäumen mochte und mit Rücksicht auf Weib und Kinder erfolgte Zurücknahme seines früheren Geständnisses. M. wurde nach gesprochenem Todesurtheil noch am 28. Februar dem Nachrichter übergeben, in der schamlotenen Schaube zum Hochgericht hinausgeführt und durch den Strang vom Leben zum Tode gebracht. [451] Nach gleichzeitigen Berichten und Müllner’s Darstellung wurde er nach 3 Tagen um Mitternacht durch 12 Reiter vom Galgen herabgenommen und nach Eschenau hinübergeführt, wo er in der Sacristei seine Ruhestätte fand. Nachmals soll er wieder nach Nürnberg übertragen und vor dem Beinhaus bei St. Sebald, dem er selbst viele Ablässe verschafft, beigesetzt worden sein. Die Execution war eine überaus schleunige. Sie ruft ganz den Eindruck hervor, als habe man im Rath die Besorgniß gehegt, M. könne bei längerem Zuwarten der über ihn verhängten Strafe noch entgehen. Und das dürfte in der That der Fall gewesen sein. Bei der hohen Gunst und dem bedeutenden Ansehen, das M. augenscheinlich bei Markgraf Albrecht, bei den Sympathien, die er bei dessen Gemahlin Anna, die sich ja persönlich für ihn beim Rath verwandte, ferner bei dem Pfalzgrafen Friedrich und gewiß noch bei anderen Fürsten bis hinauf zum Kaiser genoß, besorgte der Rath ohne Zweifel Interventionen zu Muffel’s Gunsten, denen er sich wohl kaum hätte gewachsen zeigen können. Das Eintreten der Markgräfin hat Muffel’s Tod wol nur beschleunigt. Man wollte, da die Schuld erwiesen, dem strengen Recht seinen Lauf lassen dem hochmüthigen und rücksichtslosen Manne gegenüber, der im amtlichen wie im privaten Verkehr sich mit seinen Amtsgenossen entzweit hatte. Man ergriff mit Begier die Gelegenheit, um den Mann zu verderben, wie er es nach des Raths einhelligem Urtheil verdiente. So kann die schleunige Urtheilsvollstreckung nicht auffallend erscheinen, wie man sie gefunden, ebensowenig als die schnelle Wiederbesetzung der durch Muffel’s Tod erledigten Aemter, die am 4. März erfolgte. Die Wiederbesetzung von Rathsämtern ist auch in anderen Fällen ebenso schnell, ja noch schneller geschehen. Ich erinnere an die Wiederbesetzung der durch den Tod des Losunger Ruprecht Haller († 1489), Nikolaus Groß († 1491), Gabriel Nützel († 1501), erledigten Aemter, die nach 4, 2 und 5 Tagen stattfand. Incorrectheit des Verfahrens läßt sich überhaupt nicht dem Rath zum Vorwurf machen. Wenn M. sein Verbrechen mit der Betheurung beschönigte, er habe das gestohlene Geld wieder ersetzen wollen, sobald er sich aus seiner bedrängten Lage wieder emporgearbeitet, so konnte der Rath nicht beurtheilen, ob eine solche Aussage mehr werth als eine eitle Ausrede, konnte sie nicht als mildernden Umstand gelten lassen. Bei Muffel’s wirthschaftlichem Nothstande war es sogar viel eher wahrscheinlich, daß er, um auch fernerhin den Ausfall in seinem Bedarf zu decken auch weiter kein Bedenken getragen haben würde, sich an den ihm anvertrauten Staatsgeldern zu vergreifen, wenn auch stets mit dem selbstbeschönigenden Gedanken einer nachmaligen Ersetzung.

Criminalakt N. Muffel im k. Kreisarchiv Nürnberg, Rathsbuch I und die einschlägigen Briefbücher daselbst. Testament M.’s v. J. 1462 im germanischen Nationalmuseum. – Chroniken der deutschen Städte Bd. 10, wo die Chronik Heinr. Deichslers und Bd. 11, wo Hegels Abhandlung „Nic. Muffel’s Proceß und Verurtheilung“ S. 753 ff. und Muffel’s Gedenkbuch S. 787 ff. nachzusehen. – M.’s Beschreibung von Rom in der 128. Publication des Litt. Vereins in Stuttgart, veröffentlicht von W. Vogt. – R. v. Liliencron, die histor. Volkslieder der Deutschen Bd. I. S. 363–365. – A. Würfel, Histor., geneal. und diplomatische Nachrichten etc. Bd. 1, S. 426, 427. – Endlich sei noch auf 2 in Nr. 103 und 104 der „Nürnberger Presse“ Jahrg. 1881 erschienene Artikel hingewiesen, worin auf Grund der allgemeinen, aber irrigen Voraussetzung der glänzenden Vermögensverhältnisse Muffel’s der vergebliche Versuch gemacht wird, die gegen ihn sprechenden Zeugnisse zu entkräften und ihn von jeglicher Schuld reinzuwaschen.