Zum Inhalt springen

ADB:Myler ab Ehrenbach, Johann Nikolaus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Myler ab Ehrenbach, Johann Nikolaus“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 130–133, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Myler_ab_Ehrenbach,_Johann_Nikolaus&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 13:44 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Myle, Adrian van der
Band 23 (1886), S. 130–133 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Nikolaus Myler von Ehrenbach in der Wikipedia
Johann Nikolaus Myler von Ehrenbach in Wikidata
GND-Nummer 100225748
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|130|133|Myler ab Ehrenbach, Johann Nikolaus|Johann August Ritter von Eisenhart|ADB:Myler ab Ehrenbach, Johann Nikolaus}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100225748}}    

Myler: Johann Nikolaus M. ab Ehrenbach (ursprünglich Müller), herzoglich württembergischer Vicekanzler, Consistorialdirector und Staatsrechtsgelehrter, geb. zu Urach an der rauhen Alp am 16. März 1610, † zu Stuttgart am 3. October 1677; ein Sohn des dortigen Bürgermeisters Heinrich M., welcher als langjähriges Mitglied der württembergischen Landtage allgemeine Achtung genoß. Günstige Vermögensverhältnisse gestatteten dem strebsamen Sohne außer der Landesuniversität, an welcher er am 2. December 1618 immatriculirt wurde, auch andere Hochschulen, namentlich Straßburg und Basel, zur Fortsetzung des Rechtsstudiums zu beziehen. Mit den neueren romanischen Sprachen gründlich vertraut, ging er hierauf mit zwei jungen Adeligen, welche damaliger Sitte gemäß nach beendeter Universitätszeit unter kundiger Leitung die Hauptbildungsstätten des Auslandes kennen lernen wollten, durch den Nordwesten von Deutschland nach Frankreich und Italien: kaum heimgekehrt wiederholte er in nämlicher Eigenschaft mit zwei anderen Studirenden dieselbe „peregrinatio academica“, und trat sie nach kurzer Pause in gleicher Weise zum dritten Male an. Nach diesen Reisen, auf welchen er den Grund zu seiner an französischen, italienischen und spanischen Fachwerken reichen Büchersammlung legte, schrieb er in Tübingen die Inauguraldissertation „De statibus Imperii eorumque jure“ (Tub. 1640, 4°), erwarb durch dieselbe unter dem Vorsitze Gräber’s nach der Tübinger Doctorenmatrikel am 30. März 1641 (nicht 1640) den Doctorhut. Später erweiterte er seine Dissertation zu dem Tractate „Delineatio de Principum et Statuum I. R. G. praecipuis juribus“ (Stuttgart 1656, 1658. 12°) und besorgte 1659 eine neue, stark vermehrte Ausgabe, welcher 1671 und nach seinem Tode 1685 zu Tübingen zwei weitere folgten. Das vielbenutzte Buch [131] wurde nach Kulpis (Diss. de stud. jur. publ., p. 8) an Fürstenhöfen zur Unterweisung junger Prinzen im deutschen Staatsrechte häufig gebraucht. – Seit 1641 übte M. beim Tübinger Hofgerichte Anwaltspraxis und hielt zugleich an dortiger Hochschule Vorlesungen über Staatsrecht. Durch solch’ wissenschaftliche Thätigkeit zog er die Aufmerksamkeit Herzog Eberhard III. auf sich, der ihn als Regierungsrath 1643 nach Stuttgart in seine Nähe rief und ihn als Abgeordneten öfters zum schwäbischen Kreistage, an auswärtige Fürsten und schon im Jahre der Berufung (1643) an den kaiserlichen Hof nach Wien sandte. – Dorthin ging er auch 1653 als Mitglied der schwäbischen Kreisdeputation und verweilte acht Monate in der Kaiserstadt. Herzog Eberhard, der ihm wegen seines Charakters und seiner Geschäftskenntnisse besonderes Vertrauen schenkte, beförderte ihn 1659 zum Director des Consistoriums und obersten Kirchenrath; außerdem übertrug ihm der wohlgeneigte Fürst die Stelle eines Vicekanzlers, eines Lehenpropstes nebst der Oberaufsicht über die Universität Tübingen und die hiermit verwandten Anstalten. Der erfahrene und einsichtsvolle Mann hat sich durch zweckmäßige Einrichtungen um dieselbe viele Verdienste erworben und den durch den unheilvollen 30jährigen Krieg sehr herabgekommenen Stand der Hochschule wesentlich gehoben. Die zahlreich eingegangenen Lehrstellen wurden neu besetzt, die geschmälerten Gehalte besser regulirt, das theologische Stift vergrößert, das Studium gefördert und zu diesem Behufe die Zahl der Stipendien vermehrt, wobei M. durch Gründung solcher für Uracher Theologen mit edlem Beispiele voranging. Als er sich nach dem Tode Kaiser Ferdinand III. (2. April 1657) abermals an das kaiserliche Hoflager begab, um zu Preßburg von dem neuerwählten Kaiser Leopold I. die württembergischen Lehen für seinen Herrn, den Herzog, zu empfangen (worüber M. selbst in P. 3. c. 91. § 8 am Ende seines Tractates „De principibus etc.“ des Näheren berichtet), erhob ihn Kaiser Leopold I. 1661 in den erblichen Adelstand des Reiches mit dem Prädicate „ab Ehrenbach“. Zu einer vierten 1663 unternommenen Wiener Reise gaben Differenzen zwischen den Fürsten Georg Christian von Ostfriesland und Hartmann von Liechtenstein Anlaß, welche ihn im folgenden Jahre (1664) zu Fürst Georg Christian selbst führten, und blieb sein Rathschlag auf die Beilegung der streitigen Sache nicht ohne Einfluß. M. war indeß zugleich ein fruchtbarer Schriftsteller auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes. Wie aus dem ihm am 5. Juni 1662 ertheilten kaiserlichen privilegium impressorium hervorgeht, trug er sich mit dem Gedanken, über einzelne Materien des Reichsstaatsrechtes Abhandlungen unter besonders gewählten Namen zu schreiben, welche in ihrer Vereinigung ein zusammenhängendes „opus de jure publico imperii Romano-Germanici“ bilden sollten. Ein großartig angelegter Plan, an dessen Ausführung er sofort die Hand legte; denn schon im folgenden Jahre 1663 erschien die erste Abhandlung: „Archologia s. de principum et statuum prisca origine“, Tub. 4°, 2. Aufl. ibid. 1683; dieser folgten in Zwischenräumen „Nomologia s. de statuum imp. obligatione legali“ (Tub. 1663 4°); „Etologia s. de jure concedendi veniam aetatis“ (Stuttg. 1664, 4°), 2. Aufl. Tub. 1706, 4°; „Gamologia s. de causis matrim. personarum illustrium“ (Stuttg. 1664, 4°); „Metrologia s. de jure statuendi mensuris etc.“ (Stuttg. 1666, 4°); „Asylologia s. de jure asylorum etc.“ (Stuttg. 1663, 2. Aufl. Tüb. 1687). – Die siebente Abhandlung „Hyparchologia s. de officialibus, magistratibus et administris“ war nahezu druckfertig vollendet, als er von einer in Stuttgart herrschenden Epidemie ergriffen und schon nach wenigen Tagen, am 3. October 1677, hinweggerafft wurde. Die Cotta’sche Buchhandlung veröffentlichte das Werk so, wie es der Verfasser hinterlassen hatte (Stuttg. 1678, 4°, 2. Aufl. 1710), und zählt es trotz des unfertigen [132] Zustandes zu den vorzüglichsten in dem betreffenden Fache. – Aus Myler’s litterarischem Nachlasse besorgte Professor J. Dav. Mögling die Herausgabe der „Stratologia, seu militandi libertas Germanorum“ (Ulm 1722, 4°), welcher in der Vorrede eine kurze Lebensskizze des Verfassers beigegeben ist. Von vorstehenden Abhandlungen wurde zu Tübingen 1693 unter dem Titel „Opera jurid. politica, sive heptas Tractatuum de jure Statuum publ. Imperii R. G.“, eine aus zwei Bänden bestehende Gesammtausgabe veranstaltet. Unter Myler’s größeren Arbeiten sind noch die umfassenden „Additiones ad Rumelini Dissertat. ad auream bullam“ (Stuttg. 1635, 4°, 3 Thle.) hervorzuheben, welche von Gabriel Schweder 1655 und 1702 neu aufgelegt wurden. Praktische Behandlung des Stoffes und gründlichste Kenntniß des deutschen Staatsrechtes sowie der deutschen Fürstenhöfe bilden zwei hervorragende Merkmale der Myler’schen Schriften. Staunenswerthe Belesenheit verleitete den Verfasser bisweilen, Fernliegendes herbeizuziehen; dagegen liegt der Hauptgrund der häufig bemerkbaren Beurtheilung staatsrechtlicher Verhältnisse des deutschen Reiches nach römisch-rechtlichen Principien weniger beim Autor, als in dem Umstande, daß die Staatswissenschaften zu jener Zeit in Deutschland auf eine höhere Stufe der Entwicklung und Durchbildung noch nicht gelangt waren. Myler’s Name hatte bei den Fachgenossen den besten Klang; namentlich behauptete Joh. Peter v. Ludewig, der mit fremdem Lobe ziemlich karge Kanzler von Halle, daß „dieser tapfere und gelehrte Mann seines Gleichen in Deutschland nicht gehabt“ habe, indem „seinen vor unentbehrlich zu achtenden Büchern, absonderlich den aus seiner Zeit geschriebenen, nichts gleich komme, daß daher diesem nützlichen und berühmten Autor die deutschen Staatsrechte gar vieles zu danken haben“ (Vorrede zum 2. Theile der Erläuterungen zur goldenen Bulle, S. 7, § 10). M. starb in einem Alter von 67 Jahren 61/2 Monaten und wurde am 10. October 1677 in der Spitalkirche zu Stuttgart bestattet. Die (bei Mögling a. a. O. abgedruckte) Inschrift auf dem dort errichteten Steindenkmale führt die Hauptepochen seines Lebens auf, während die in Münch’s amtlicher Leichenrede aufgenommenen Angaben über die Person des Verewigten den wesentlichsten Stoff zu den späteren Biographien liefern. Obwol M. zweimal verheirathet war, hinterließ er doch keine Leibeserben; die erste Ehe schloß er 1641 mit der Hofgerichtsadvocatens Wittwe Anna Maria Zobel geb. Bayer († 1674), die zweite, hochbetagt (1676) mit der Amtmannstochter Ursula Veronika Luz v. Schorndorf, welche schon vor Jahresfrist Wittwe wurde. Die aus erster Ehe hervorgegangenen Kinder starben frühzeitig; die zweite, ohnedies sehr kurze Verbindung blieb ohne Nachkommenschaft. Mag auch der gelehrte Mann, wie Gundling erzählt, von Jugend auf ein warmer Verehrer des Sorgenbrechers gewesen sein und einen tüchtigen Abendtrunk geliebt haben, Berufstreue, Fleiß und Pflege der Wissenschaft erlitten hierdurch sicherlich keinen Abbruch. – Was M. für die Landesuniversität gethan, daß er mit 4400 Speciesthaler zehn Stipendien für Uracher Theologen und Orientalisten stiftete, ist bereits hervorgehoben. Außerdem verschönerte er aus eigenen Mitteln den botanischen Garten. Ein tüchtiger Numismatiker, besaß er eine hübsche Münzsammlung; von besonderem Werthe aber war seine mit großem Verständnisse angelegte, an seltenen und kostbaren Werken reiche Bibliothek, welche er letztwillig dem Stuttgarter Justizcollegium vermachte. Schon bei Lebzeiten um seiner Vorzüge willen hochgeachtet, nahm er den Ruhm ins Grab, in dem mit verdienten Männern gesegneten Lande einer der verdientesten gewesen zu sein. Ein Gemälde G. Paul Hopffer’s (Brustbild) hat Joh. Frank zu einem Kupferstiche in Medaillonform und phantastisch-allegorischer Umrahmung (kl. Fol.) benutzt. Der mit gerunzelter Stirne etwas ernst blickende Gelehrte ist in seinen mittleren Jahren in der Amtstracht eines württembergischen Consistorialbeamten dargestellt. Unter dem Porträt [133] das Myler’sche Wappen. Ein Verzeichniß der Schriften nebst deren kurzer Besprechung gibt Jugler, Beiträge etc., Bd. V, St. 1, S. 224–229.

N. Myleri Stratologia cum praefat., in qua authoris vita recensetur adaucta a J. D. Möglingio.Clemii novae amönit. literar. I, p. 66 u. ff. in der Note. – Jugler a. a. O. S. 220 u. die dort Citirten.