ADB:Mylius, Andreas (mecklenburgischer Rat)
Johann Albrechts von Mecklenburg, nimmt in des letzteren Geschichte eine eigenthümliche Stellung ein. Weder Jurist noch auch eigentlicher Geschäftsmann hat er doch unter dem geistig hoch angeregten Fürsten einen sehr bedeutsamen Einfluß geübt, wenn auch die diplomatischen Verhandlungen, zu denen er gebraucht wurde, wenig Erfolg hatten. Man kann ihn des Herzogs wissenschaftlichen, vielleicht auch religiösen Leiter nennen, soweit die letztere Richtung nicht etwa aus des Herzogs Anlage selbst auf ihn erst überging. Sein eigentlicher Name ist Müller, sein Vater war der Maurermeister Peter Müller zu Meißen, wo M. am 30. November 1527 geboren wurde; seine Brüder, die er später nach Schwerin zog, hießen nach wie vor Müller oder auch Möller, so der Steinmetz Peter Müller, der Lehrer an der Fürstenschule Nicolaus, der auch wol Mylius genannt wird, und noch ein Gärtner. An der Fürstenschule zu St. Afra in Meißen war M. Schüler des Matthias Marcus Dabercusius (A. D. B. Bd. IV S. 685), promovierte 1546 zu Leipzig als Baccalar und war 1547 in Wittenberg; in diesem Jahre muß er Magister geworden sein. 1547 traf ihn Johann Albrecht auf einer Reise, 1548 auf der Rückkehr vom Augsburger Reichstag nahm er, damals Herzog von Mecklenburg-Güstrow, ihn am 9. November ohne eigentliche bestimmte Stellung und ohne festes Gehalt, gewissermaßen als vertrauten wissenschaftlichen Berather in seinen Dienst, worin er bis zu des Herzogs Tode blieb. Zunächst leitete er geradezu des Herzogs lateinische, später auch griechische und biblische Studien und wechselte mit ihm eine zahlreiche, stets lateinische Correspondenz, dann übernahm er 1550–51 die Leitung der Erziehung des jungen fürstlichen Bruders Christoph, begleitete 1552 den Herzog auf dem Heerzuge gegen den Kaiser bis Augsburg und scheint dann die herzogliche Bibliothek zunächst verwaltet zu haben, deren Grundstock Johann Albrecht zu Mainz in seinem Quartiere erbeutet hatte. So Studienrath des Herzogs, über alle Angelegenheiten mitredend, ohne Stellung, wurde er natürlich arg angefeindet am Hofe und gerieth bei seines Herrn ständigem Geldmangel auch oft in große Bedrängniß. Er übersetzte auf Wunsch Johann Albrechts jetzt die Psalmen aus Luther's Deutsch ins Lateinische, die vom Herzog mannigfach corrigirt noch vorhanden sind, dann aber führte er die Correspondenz mit Preußen, dem Erzbischof von Riga und dem Könige von Polen, wegen Annahme des Herzogs Christoph als Coadjutor in Riga, ging auch 1554 als Geschäftsträger an den polnischen Hof nach Wilna. Er besorgte ebenso die Correspondenz wegen der Heirath Johann Albrechts mit Anna Sophie von Preußen und hielt bei dieser Vermählung zu Wismar am 24. Februar 1555 die begrüßende Anrede an die Fürstlichkeiten. Am 6. April 1556 gab dann der Herzog seinem Freunde eine feste Bestallung als „Hofrath“, was heute Geheimrath oder Staatsrath heißen würde, nach dem Tode seines Rathes, des Ritters Joachim v. Maltzan. Erst 1558 stellte M. inzwischen den Dienstrevers aus, 1569 erneuerte der Herzog noch einmal ausdrücklich und eigenhändig diese Anstellung. Er hatte M. jetzt gut besoldet, für seine litterarischen Arbeiten machte er noch ganz bedeutende Geschenke, trotzdem jammerte jener ständig über Geldnoth, vielleicht nach dem Zuge der Zeit, vielleicht wegen schlechter Wirthschaft, dennoch hinterließ er später Vermögen. 1558 entwarf er eine höchst merkwürdige Ordnung für die Studien des Herzogs selbst, dann [134] machte er sich daran, für diesen die ganze Bibel, ebenfalls aus Luther’s Uebersetzung ins Lateinische zu übertragen; noch später übersetzte er den Dio Chrysostomus, der auch herausgegeben wurde. 1561–64 finden wir ihn wieder auf Staatsreisen wegen Christophs, auch die unangenehmen Theilungsverhandlungen mit Herzog Ulrich führte er. Seit 1564 war er in der Regierung thätig, 1569 wurde er erster Rath; vermuthlich hat er Johann Albrecht bestärkt, in seinem Testamente, einem der bedeutendsten mecklenburgischen Hausgesetze, die Primogenitur zu bestimmen, noch am Sterbelager des Fürsten vermochte er in dessen Auftrage den Herzog Ulrich zur Uebernahme der Vormundschaft. Auch unter dieser blieb er im Dienste, zumal als Rath der Herzogin Wittwe; und als Johann VIII., dessen wissenschaftliche Erziehung er überwacht hatte, 1585 die Regierung übernahm, mußte er bei diesem zunächst, wenn auch ungern, das Kanzleramt übernehmen, wurde auch 1588, als Johann die Tochter Herzogs Adolf von Holstein, Sophie, heimführte, herzoglich holsteinischer Rath. 1570 hatte ihn der Kaiser bei Gelegenheit einer Gesandschaftsreise in den Adelstand erhoben, doch schrieb er sich auch ferner „Mylius“; Johann Albrecht hatte ihm das kleine Lehngut Gädebehn verliehen, dort lebte er behäbig in seinem Alter, er starb am 30. April 1594. In höheren Jahren schrieb er zwei Mecklenburger wichtige Geschichtswerke: 1) 1571: „Genealogia, der Hertzogen zu Mecklenburg erste Ankunft“, eine kritische, von den Fabeln des Marschalk Thurius gesäuberte Geschichte von Mecklenburg in deutscher Sprache, die erste der Art. Sie fiel dem etwas anrüchigen Pfarrer Caspar Calovius in die Hände, der sie 1599 in Leipzig als seine „Chronica oder Erster Ankunft und Herkommen“ etc. mit des Marschalk Fabeln neu ausgestattet drucken ließ. Sie fand als deutsche Chronik viele Leser. Das Original hat zuerst Gerdes, Sammlung Mecklenburger Urkunden, herausgegeben. Derselbe hat auch 2) des Mylius’ „Annales“, eine Geschichte der Zeit Johann Albrechts, ebenda drucken lassen, deren Original verloren scheint. Verheirathet war M. seit 1551 mit Margarethe, einer Tochter des Bürgermeisters von Schwerin und herzoglichen Rentmeisters Rotermund, deren Schwester Helena dem Astronomen und Kartographen Tilemann Stella sich vermählte. Von Mylius’ Töchtern heirathete Gertrud M. den berühmten Philologen Johann Caselius (A. D. B. Bd. IV S. 40), den sein Schwiegervater an die Universität Rostock zog. Mylius’ Nachkommen nannten sich v. Milies.
Mylius: Andreas M., Vertrauter und Rath Herzog- Lisch, Jahrb., XVIII. Vgl. Register über Bd. 1–30, II. S. 353. – Schirrmacher, Johann Albrecht I., Herzog von Mecklenburg. Wismar 1885, I.