ADB:Nikola, Josef

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Artikel „Nikola, Josef“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 632–634, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nikola,_Josef&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 10:20 Uhr UTC)
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Nikola: Josef N., Wiener Communalpolitiker und Volks-Dramatiker, wurde am 14. Januar 1816 zu Wien geboren. Er absolvirte das Gymnasium und gewann da die Grundlage seiner selbständigen Weiterbildung. Jedoch widmete er sich dem Handelsstande und übernahm 1840 ein Kaffeehausgeschäft auf der Mariahilfer Hauptstraße. Im J. 1847 übersiedelte er damit in die sog. Innere Stadt, nämlich in die Färbergasse, brachte es durch Fleiß und Umsicht in die Höhe und überließ es nach jahrzehntelanger Leitung seinem, dann vor ihm verstorbenen Sohne. Verhältnißmäßig früh trat N. in die Oeffentlichkeit. Schon 1842 finden wir ihn als Oberlieutenant und Adjutant im 2. Wiener Bürger-Regimente. An den Kämpfen des Jahres 1848 nahm er, Hauptmann der Nationalgarde im sog. Wiener Viertel der inneren Stadt, was er bis zu deren Auflösung blieb, lebhaftesten Antheil. Er gehörte zu den überzeugtesten Anhängern der damaligen demokratischen Bewegung in Oesterreich, in der er mitten drin stand, und blieb den 48er Traditionen treu. Während der Reactionsära [633] widmete er sich der Sorge für Familie und Geschäft und begründete in letzterem für später einen behaglichen Wohlstand. Als infolge der politischen Reformen, die nach 1859 im Kaiserstaate durchdrangen, auch die Angelegeheiten der Großgemeinde Wien an eine freigewählte Vertreter-Versammlung übergingen, wählte ihn 1861 der I. Wahlbezirk, die Innere Stadt, in den Gemeinderath. Hier besaß er bald auf Grund seiner Verläßlich-, Ehrenhaftig- und Tüchtigkeit großen Einfluß, den er dann auch für die ihm naheliegenden communalen Vorkommnisse wirkungsvoll geltend zu machen wußte. Ward er allmählich daselbst auch in allen Fragen sattelfest, so war doch die Armenpflege seine unbestrittene Specialität. Eifrig und unermüdlich hat er ihre Hebung betrieben. Zeugniß für seine Menschenliebe legten vielfach die von ihm eingeleiteten Sammlungen zu humanen Zwecken ab, sodann die in den Versorgungshäusern eingeführten Verbesserungen. Das Asyl für Obdachlose mit dem Asylverein rechnet zu Nikola’s segensreichsten Gründungen. Hervorragendes leistete er auch für Waisenpflege und -Verpflegung. Seit 1870 war N. Mitglied des niederösterreichischen Landtags, und zwar wieder als Abgeordneter der „Inneren Stadt“ Wien, seit 1878 außerdem des niederösterreichischen Landesausschusses. Da wurden es nun ihrerseits die Provinzial-Wohlthätigkeitsanstalten, die er sich mit Zeit- und Kraftaufwand zum Felde rastlosen Eingreifens erkor. Gegenstand besonderer Fürsorge dieses stramm freiheitlich gesinnten Politikers war auch die Pflege politischen Pflichtgefühls unter seinen Mitbürgern: in diesem Sinne hat er den ersten politischen Verein in Wien, den der Fortschrittsfreunde, als ausgesprochenen Bürgerverein begründet, der bis heute noch die alte Tendenz verficht. Ein echter Sohn seiner Vaterstadt, ein Wiener von altem Schrot und Korn, von dem fast ausgestorbenen Typus jener gebildeten, wohlwollenden, gemüthvollen und heiteren Naturen – so hat der vortreffliche und schier allbeliebte Mann, trotz seiner ganz populären und offen demokratischen Art mit dem Titel „Kaiserl. Rath“ ausgestattet, unermüdlich und opferwillig seine Ehrenämter in humanitärer und volksfreundlicher Richtung ausgeübt, bis er sie 1890 – 30 Jahre mit ganz kurzer Pause Gemeinderath gewesen – sämmtlich niederlegte, um seine Tage bei voller körperlicher und geistiger Frische in Ruhe zu beschließen. Immer wieder raffte er sich von Kränklichkeit empor, starb aber, nachdem ihm ein Sturz ernste Verletzungen gebracht, an einem Herzschlage am 9. October 1892 in seiner Vaterstadt, wo er ständig gelebt, geschaffen und gewirkt. Unter zahlreichster Theilnahme politischer, staatlicher, städtischer, industrieller, gesellschaftlicher, litterarischer Kreise gingen am 12. October Leichenfeier und Beisetzung des hochverdienten Bürgers und Philanthropen vor sich: man feierte den ausgezeichneten und unantastbaren öffentlichen Charakter.

Daß Josef Nikola sich schon so früh der wärmsten Sympathien seiner Mitbürger erfreuen durfte, beruht zweifellos mit auf den schriftstellerischen Erfolgen seiner Jugend. Der 24jährige „Kaffeesieder“ brachte als Erstling seiner dramatischen Muse „Eine Alpenblume“ auf die Bretter: 46 Mal mußte dies Stück wiederholt werden. Hatte sein Interesse für das Theater N. auf das dramatische Gebiet geführt, so sein angeborener Witz und sein frohes Temperament zu Volksstück und Posse. Hat er sich doch bis ins hohe Alter glücklichen Humor, unverwüstliche Heiterkeit, sowie einen kaustischen Spott bewahrt, der im Gemeinderath nicht wenig gefürchtet war: manchen unglücklichen Redner machte ein hingeworfenes Wort Nikola’s zum Gegenstande homerischen Gelächters, und manches Scherzwort, das in Wien von Mund zu Munde lief, dankte ihm den Ursprung. So nimmt es denn angesichts seiner volksthümlichen, naiven und lustigen Ader nicht wunder, daß N. in den vierziger und [634] fünfziger Jahren des Jahrhunderts – unter dem Pseudonym N. J. Kola – auf den Wiener u. a. Vorstadtbühnen ein fruchtbarer, viel gespielter, äußerst beliebter Theaterdichter war. 20 Volksstücke hat er geschrieben und sie haben sich lange auf dem Repertoire deutschösterreichischer Volkstheater erhalten. Neben das genannte Zaubermärchen traten mit noch durchschlagenderem Erfolge, derselben Gattung angehörig: „Krone und Herz“ und seine überaus bekannt und beliebt gewordene Glanznummer „Der letzte Zwanziger“, als Zug- und Cassenmagnet des Wiener „Theaters in der Josefsstadt“ 150 Mal aufgeführt. Auch die Posse „Die Steinbrüderln“, auf demselben, und „Cagliostro“, auf dem Theater an der Wien zur Darstellung gebracht, erzielten beim Publicum sehr starke Sympathien. Daß seine Volksmuse, nachdem sie Jahre lang den Spielplan geradezu mit beherrscht hatte, ihre Wirkung und damit ihre Stellung infolge gänzlich veränderter Zeit-, Bildungs- und Theaterzustände völlig eingebüßt hat, benimmt ihr keineswegs den Werth für eine weniger anspruchsvolle Periode, der österreichischen Kaiserstadt zumal, untrügliche Dokumente des Bühnen- und Unterhaltungsgeschmacks geliefert zu haben.

Wurzbach XX (1869), 356 (citirt M. Bermann u. Frz. Evernbach, D. neuen Väter d. Großcommune Wien, 1861, S. 13); L. Eisenberg, D. geistige Wien, I (1893), 381 f. Hauptquelle: N. Fr. Pr., Nr. 10 104 Abdbl. S. 3; 10 105 Mrgnbl. S. 7; 10 107 Mrgnbl. S. 6 (mit Matzenauer’s Grabrede); 10 107 Abdbl. S. 1. In Ferd. Groß’ Ueberblick „Der Wiener Witz“ im Buch „Was die Bücherei erzählt“ (1889), S. 275 fehlt er. Gemäß Frdr. Schlögl, Vom Wiener Volkstheater (1883), S. 87 „Der letzte Zwanziger“ Haupt- u. Cassestück d. Josephstädter Theaters in Wien 1848–53.