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ADB:Nostitz, Kaspar von

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Artikel „Nostitz, Kaspar von“ von Karl Lohmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 663–665, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nostitz,_Kaspar_von&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 18:00 Uhr UTC)
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Nostitz: Kaspar von N., aus einem in Oberschlesien und der Lausitz angesessenen altadligen Geschlechte entsprossen, auf dem väterlichen Stammgute Lampersdorf (Kreis Steinau) im J. 1500 geboren, langjähriger Kammerrath des Herzogs Albrecht von Preußen, † zu Königsberg i. Pr. am 22. März 1588. In der berühmten schlesischen Schule zu Goldberg vorgebildet, hatte er sich zu Krakau, Wien und Wittenberg vorzugsweise dem Studium der Rechte gewidmet, da er aber als jüngerer unter mehreren Brüdern an das Erbe väterlicher Güter nicht gut denken konnte, mußte er in fremde Dienste treten und ging, dem vielfach bemerkbaren Zuge der Zeit folgend, zum ersten, neuen Herzog von Preußen. Vom Jahre 1534 ab erscheint er dort zuerst vier Jahre lang als Hausvogt auf dem Schlosse zu Königsberg, wobei ihm auch die Verwaltung der zur Unterhaltung des Hofes nöthigen benachbarten Güter und Fischteiche oblag; dann wurde N. in die herzogliche Rentkammer berufen, welcher die Verwaltung der aus den zahlreichen herzoglichen Gütern (Höfen), Wäldern, Mühlen u. s. w. erfließenden Einnahmen sowie der Ueberschüsse der nicht erst von ständischer Bewilligung abhängenden Abgaben oblag, und blieb in dieser Stellung bis 1577. Zuerst durch Heirath, weniger durch Kauf, ganz besonders aber durch herzogliche Begnadigung gelangte er mit der Zeit zu einem im Lande zerstreut liegenden Grundbesitz von nicht weniger als etwa 300 Hufen; wenn er dennoch dem grundbesitzenden Adel des Landes fernblieb, so ist das zum guten Theile seiner für jene Zeit so seltenen gewissenhaften Auffassung seines Amtes und seiner Amtspflichten zuzuschreiben. Daher ist es denn auch durchaus erklärlich, wenn sein Name im Zusammenhange der schweren politischen Kämpfe, unter denen das Land in den folgenden Jahrzehnten fast immerfort zu leiden hatte, beinahe nie genannt wird. Um so mehr aber lagen ihm die kirchlichen Angelegenheiten am Herzen, und hierin nahm er so entschieden für das ursprüngliche Lutherthum ohne jeden [664] Rückhalt Partei, daß er ohne jedes Bedenken auch dem Herzog selbst entgegentrat; dieser aber hat, so schwer auch bisweilen sein Tadel ausfiel, nicht einen Augenblick die hohen Verdienste seines Kammerraths um die Erhaltung und Förderung der Einkünfte vergessen, und Annäherung und Aussöhnung erfolgten immer wieder sehr bald. Nur ganz kurze Zeit gehörte N. im J. 1566 als Oberburggraf zur höchsten Behörde der Oberräthe und wurde ebenso im folgenden Jahre von der Herzogin zum Stellvertreter ihres verreisten Hofmarschalls und Hofmeisters ernannt. Erst als unter der Regierung des Nachfolgers, des bald in Irrsinn verfallenen jungen Herzogs Albrecht Friedrich, die ständische Partei für geraume Zeit die Oberhand gewann und dem Kammerrath vielfach ihre Ungnade zu erkennen gab, legte dieser im J. 1578 sein Hauptamt nieder.

Bei genauerm Zusehen wird man bald gewahr, daß N. zu denjenigen gehört hat, welche zu der alten byzantinisch-normännischen Art der Verwaltung, durch die sich der Deutschordensstaat von Anbeginn vor den anderen mittelalterlichen Staaten Europas ausgezeichnet hatte, gerade damals die moderne französisch-burgundische, durch Oesterreich, Baiern, Franken u. s. w. in das weitere Deutschland eingedrungene Weise hinzugebracht haben. In seiner amtlichen Thätigkeit hat sich N. nicht bloß auf die laufende Verwaltung der oben bezeichneten herzoglichen Einkünfte beschränkt, sondern in fast noch höherm Maße auf die Sicherung und „Mehrung“ derselben seine Aufmerksamkeit gerichtet. In dieser letzten Richtung hat er sich ganz besonders die Rodung ertragloser und sonst überflüssiger Wälder, die Austrocknung zahlreicher Moore und Sümpfe, die Anlegung und Aufbesserung von Dörfern, Gütern, Wassermühlen und Fischteichen in den verschiedensten Gegenden des Herzogthums angelegen sein lassen; ebenso erfahren wir auch von vielfacher Aufräumung und Besserung flößbarer und schiffbarer Gewässer; von Städten verdankt nur eine einzige, Goldap, dem Kammerrath N. ihre Begründung, während er bei anderen damit nicht zum Ziele gelangt ist. Die gewöhnliche Erzählung übrigens, N. wäre die Einführung der Karpfenfischerei in Preußen zuzuschreiben, ist längst als eine unbegründete Fabel erwiesen.

Zur Einsetzung neuer Hauptleute sowie zur Beaufsichtigung und Controlirung dieser und anderer Beamten und zur Hebung hier und dort hervortretender Mißstände hat der Kammerrath gar häufig die verschiedensten Gegenden des Fürstenthums bereisen müssen und dabei überall mit offenen Augen und mit gewissenhafter Beobachtung alle in den Bereich seiner Amtsthätigkeit fallenden Verhältnisse wahrgenommen. Alles, was auf diese Weise N. offenbar wurde, sei es als mehr oder weniger dringendes Bedürfniß, als wohlgelungene Einrichtung und Besserung oder auch als unausführbar oder als böses Versehen, wurde sofort verzeichnet, und aus diesen umfangreichen Notizen hat er dann nachher jenes Buch zusammengetragen (zum guten Theile auch als eigene Rechtfertigungsschrift), welches uns noch heute als „Haushaltungsbuch des Fürstenthums Preußen, 1578“ in seiner eigenen Handschrift vorliegt. Im ersten Theile desselben ist der Stoff nach den Hauptämtern vertheilt, in dem andern hat Alles seinen Platz gefunden, was der Verfasser über die einzelnen hervorragenderen Persönlichkeiten, auch über den Herzog Albrecht und seine zweite Gemahlin, und über die höheren Aemter sich aufgezeichnet hatte. Man hat in dieser vollständig erhaltenen Zusammenstellung eine so eigenartige und wichtige Quelle zur Erkenntniß der innern Entwicklung Preußens und seines damaligen Zustandes vor sich, wie kaum irgendwo eine ähnliche zu finden sein dürfte.

[665] Das „Haushaltungsbuch“ hat der Verfasser der obigen Zeilen herausgegeben, Leipzig 1893, und ihm in einer Einleitung eine ausführliche Lebensgeschichte des Verfassers und eine Charakterisirung des Buches selbst vorausgeschickt.