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ADB:Orffyraeus, Johann Ernst Elias

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Artikel „Orffyré, Johann Ernst Elias“ von Gustav Frank in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 418–419, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Orffyraeus,_Johann_Ernst_Elias&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 06:15 Uhr UTC)
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Orffyré: Johann Ernst Elias O., eigentlich Bessler (nicht „Oessler“, wie in der Allgem. Enc. III, 2, 128 angegeben wird), welcher Name nach der kabbalistischen Methode Albam (Theilung des lateinischen Alphabets in zwei Hälften, Uebereinandersetzung und sodann Vertauschung der übereinander gesetzten Buchstaben) von ihm in Orffyré verwandelt wurde, eines Landmanns Sohn, 1680 in der Nähe von Zittau geboren, hat, nachdem er den Unterricht des Rectors Christian Weise in Zittau genossen, ein fahrendes, abenteuerliches, mitunter ausschweifendes Leben geführt, und sich in allem Möglichen vesucht: im Lackiren, Drechseln, Glasschleifen, Malen, Wachsbossiren, Steinschneiden, Kupferstechen; er war Uhr-, Windbüchsen- und Pulvermacher, Orgelbauer, Chemiker und Quacksalber, bald Kuttenbruder, bald Soldat. In einem italienischen Kloster sah er einen Bratenwender, der sich selbst in Bewegung erhielt. Das brachte ihn auf den Gedanken, der Erfinder eines Perpetuum mobile zu werden. Den ersten Versuch eines solchen machte er in Prag in Verbindung mit einem Jesuiten und einem Rabbiner. Obschon dieser Versuch fehlschlug, hat er doch zeitlebens der Erfindung solchen Kunstwerkes, zu welcher er sich von Gott ausersehen glaubte, nachgehangen. Nachdem er 1703 in Dresden für Müller und Tischler gearbeitet, in Holland, England, Irland bald als Uhrmacher, bald als Schatzgräber, bald als Arzt sich umgetrieben, und in Annaberg die von ihm geheilte Tochter des Stadtphysicus und Bürgermeisters Christian Schuhmann geheirathet hatte, stellte er 1712 sein fertiggewordenes Perpetuum mobile in Gera aus. Er hat es als ungenügend selbst zertrümmert und in Merseburg ein neues construirt. Obschon dieses als auf Betrug beruhend, angefochten wurde, berief ihn dennoch der Landgraf Karl von Kassel 1716 als Commerzienrath und ließ ihn auf dem Schloß Weißenstein ein Zimmer zur Errichtung seines Perpetuum mobile einräumen. (Nachrichten über dasselbe finden sich in der Historie der Gelahrtheit unserer Zeit [Leipz. 1721], S. 215–29, und in der [419] Allgem. Encyklopädie III, 17, 218). Nachdem dieses Kunstwerk dem Schicksal des früheren verfallen war, begab er sich 1722 nach Karlshafen, wo er nicht nur eine Maschine in weit größeren Dimensionen, sondern auch ein orffyreisches Schiff erbauen wollte, mit welchem man unter dem Wasser fahren und Güter und Menschen gestrandeter Fahrzeuge sollte retten können. Ebendaselbst wollte er ein großes Tugendhaus und Weisheitsschule in’s Leben rufen. Christen und Nichtchristen sollten in dieser Gottesburg Aufnahme und Belehrung finden in mancherlei Künsten, vornehmlich aber in der Gottesfurcht, und zwar ganz und allein nach der heiligen Schrift. In diesem synkretistischen Sinne sind auch seine zwei Schriften gehalten: „Der rechtgläubige Orffyreer oder die einige Vereinigung der uneinigen Christen in Glaubenssachen, sie nennen sich gleich lutherisch, reformirt oder papistisch“ (Kassel 1723) und „Kurzgefaßter und unumstößlicher Inbegriff der allerreinsten Christen-Religion“ (1724). Im Braunschweigischen projectirte er 1743 den Bau von Windmühlen, eine Marmorplatten-, Juchten- und Saffianfabrik. Er starb am 30. Nov. 1745 zu Fürstenberg und ist in Karlshafen begraben worden. Charakteristisch für diesen Abenteurer ist was seine Frau berichtet: er trüge immer consecrirte Hostien bei sich, wäre aber dabei ein desperater Mensch. Die Beweise des Vertrauens, die ihm auch von fürstlichen Personen zu theil wurden, geben seinem Biographen Strieder (Hessische Gelehrtengeschichte X, 150–74) Anlaß zu folgender Herzerleichterung: „Was lässet sich mit der Maske der Religion nicht Alles ausrichten! Nur ein Gott kann sehen was darunter verborgen ist, jeder Sterbliche hingegen hat Ursache, sich mehr vor den lächelnd Schleichenden, Gebete Brummenden, tiefe Seufzer Summenden zu hüten, als vor dem Husaren, dem das Gesicht Blut, Staub und Pulver decket. Der Mann hätte weit über die Meerenge von Gibraltar in das Spital der Welt, wo gesunde Luft ist und sich alle Winder durchkreuzen hinaustransportirt werden müssen“.

Litteratur in Rotermund’s Fortsetzung zu Jöcher’s Gelehrtenlexikon V, 1164 ff.