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ADB:Otto, Paul Martin

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Artikel „Otto, Paul Martin“ von Franz Vallentin (Kunsthistoriker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 735–736, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otto,_Paul_Martin&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 22:59 Uhr UTC)
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Otto: Paul Martin O., Bildhauer, geboren am 3. August 1846 in Berlin, † am 7. April 1893 daselbst. Seine technische Ausbildung gab ihm die Akademie zu Berlin, während er sich durch das Atelier von K. Begas[WS 1] zuerst die Richtung seiner Kunst bestimmen ließ. 1872 trat er mit der Gruppe „Faun und Nymphe“ zum ersten Mal preisgekrönt hervor. 1873 erhielt er bei der Concurrenz für das Tegetthoff-Denkmal in Wien abermals den Preis. Dieser ermöglichte ihm eine Reise nach Italien, wo er sich in Rom mit kleinen Unterbrechungen dreizehn Jahre lang aufhielt. 1877 unternahm er eine Orientreise, von der er 1878 wieder nach Rom zurückkehrte. Nachdem er in diesem Jahre Präsident des deutschen Künstlervereins in Rom geworden war, übertrug ihm die Regierung 1882 das Curatorium für die preußischen Stipendiaten. Während seines römischen Aufenthaltes schuf er neben einer Anzahl Porträtbüsten die Gruppen „Kentaur und Nymphe“ (1874), „Leda und Jupiter“ (1876), das Marmordenkmal Wilhelm v. Humboldt’s vor der Berliner Universität (1883 enthüllt), die Marmorstatue Daniel Chodowiecki’s in der Vorhalle des Alten Museums zu Berlin, einen Entwurf für das Victor-Emanuel-Denkmal[WS 2] in Rom und die polychrom behandelte Bronzefigur einer Vestalin (1886, Nationalgalerie Berlin). Nach Vollendung dieses letzten Werkes erhielt er im selben Jahre bei der Concurrenz für das in Berlin zu errichtende Lutherdenkmal den Preis. Der Auftrag zur Ausführung dieses seines größten und besten vielfigurigen Monumentes veranlaßte ihn, 1886 [736] wieder nach Berlin zurückzukehren. Jedoch wurde es erst nach seinem Tode durch Toberentz[WS 3], von dem die Figuren Luther’s, Hutten’s und Sickingen’s stammen, nach seinem Entwurf vollendet und 1895 enthüllt. Wie das Ganze dem Platz und der Umgebung, namentlich der Stimmung, die von der nebenstehenden alten Marienkirche ausgeht, angepaßt ist, wie die Anlage des ganzen Sockelwerks mit den beiden vornan wie zur Schutzwehr postirten Kämpen der Reformation, Hutten und Sickingen, ebenso geistvoll gedacht, wie formal schön gebildet ist, wie die Behandlung des Sockelwerks, ohne nüchtern zu wirken, jeden spielerischen Ornamentes entbehrend, so bereits den Grundton eines schlichten und großartigen Ernstes gibt, wie die um den Sockel mit der beherrschenden einzelnen Figur Luther’s sich scharenden Eiferer der Reformation unter einander frei und ungezwungen gruppirt, durch eine unaufdringliche, vom Innenleben jeder Einzelfigur getriebene Handlung mit einander verbunden sind und dadurch Gelegenheit gegeben ist, die Figuren jeweilen durch Gestus und Haltung in ihrer geistigen Eigenart und ihrem Temperament, die bei ihrer Beschäftigung mit dem reformatorischen Gedanken zu Tage treten, zu charakterisiren, das sind Anordnungen und Eigenschaften, die dieses Denkmal über die zahlreiche Menge der unbedeutenden öffentlichen Berliner Monumente hinausheben und neben die seltenen künstlerischen und besten Denkmäler der Stadt setzen, wie den Großen Kurfürsten und die Königin Luise.

Die Schwierigkeit der Aufgabe ist sofort erkennbar, wenn man daneben die schlechte Lösung des den gleichen Gegenstand behandelnden großen Wandgemäldes von Kaulbach im Treppenhaus des Neuen Museums zu Berlin hält. Ein historisches Gruppenbild bietet im Grunde dieselben Probleme wie ein historisches Gruppendenkmal. Die Mehrzahl beider Art unterliegt schon in der Conception dem Fehler der Lehrhaftigkeit einer Geschichtstabelle oder der leblosen Aufdringlichkeit eines Plakats. Der zu gliedernden und unterzuordnenden Figurenmenge wird die durch das Thema gegebene Handlung aufgepfropft, die nun als die unzureichende Nothbrücke zur Verbindung der einzelnen künstlich gerichteten Statisten erscheint. Wenn in diesem Falle der Mangel an innerer Belebung die Schuld an der mißlungenen Lösung trägt, so liegt auf der andern Seite die Gefahr vor, über Einzelfigur, Charakterisirung und illusionskräftigen Eindruck des Details die Wirkung der Gesammtcomposition zu vergessen oder zu verderben. Wie hier nach jeder Richtung hin Maaß zu halten ist, gibt das Lutherdenkmal ein vortreffliches Beispiel.

1886, im Jahre seiner Rückkehr nach Berlin, wurde O. von der Münchener Akademie zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt. Seitdem schuf er neben dem Lutherdenkmal nur noch ein Marmorstandbild Kaiser Wilhelm’s I. in Civil für Ems.

Den Gefahren, die die classische und romanische Cultur häufig dem deutschen Künstler bringt, unterlag O. nicht. Der Eindruck der italischen Kunstwelt wirkte nur günstig und erziehlich auf ihn ein, der von Haus aus eine Neigung zu naturalistischer Manier mitbrachte. Eine Entwicklung, wie sie O. bis zum Ebenmaß seines Lutherdenkmals durchmachte, gehört nur einem Künstler an, der aufwärts seiner Vollendung zustrebt. – Medaillen 1873 Wien, 1876 München, 1880 Berlin; große goldene Medaille 1883 Rom.

Singer, Allgem. Künstlerlexikon (Frankf. a. M. 1898). – Meyer’s Conversationslexikon (1896).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Karl Begas der Jüngere (1845–1916); deutscher Bildhauer und (kurzzeitig) Hochschullehrer
  2. Viktor Emanuel II. (1820–1878); mit vollem Namen Vittorio Emanuele Maria Alberto Eugenio Ferdinando Tommaso di Savoia, ital. Vittorio Emanuele II., aus dem Hause Savoyen war von 1849 bis 1861 König von Sardinien-Piemont
  3. Robert Toberentz (1849–1895); deutscher Bildhauer