ADB:Otto (Bischof von Augsburg)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Otto (Bischof von Augsburg)“ von Albrecht Stauffer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 634–640, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otto_(Bischof_von_Augsburg)&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 07:54 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Otto von Northeim
Band 24 (1887), S. 634–640 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Otto von Waldburg in der Wikipedia
Otto von Waldburg in Wikidata
GND-Nummer 118805967
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|24|634|640|Otto (Bischof von Augsburg)|Albrecht Stauffer|ADB:Otto (Bischof von Augsburg)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118805967}}    

Otto, Truchseß von Waldburg, Cardinal und Bischof von Augsburg. Geboren als dritter Sohn des Freiherrn Wilhelm des Aeltern und seiner Gemahlin, einer geborenen Gräfin von Sonnenburg, am 25. Februar 1514 auf dem schwäbischen Schlosse Scheer, begann O., den die Eltern zum geistlichen Stande bestimmten, zehnjährig seine Studien an der Universität Tübingen, siedelte dann nach Dôle über, um endlich seine Studien in Padua, Pavia und [635] Bologna, woselbst er zum Doctor promovirt wurde, zu Ende zu führen. Ueber den theologischen und kirchenrechtlichen Studien vernachlässigte er auch nicht die Schriftsteller des Alterthums. Unter den Studiengenossen traten ihm insbesondere Alexander Farnese und Christoph Madruzzo, Stanislaus Hosius und Viglius von Zuichem näher. Zumal mit den beiden letztgenannten Männern verband ihn sein ganzes Leben lang ein freundschaftliches Verhältniß. Während seines Verweilens an den italienischen Hochschulen hat O. sich wohl auch die streng kirchlichen Anschauungen zu eigen gemacht, die er in seinem späteren Leben mit Entschiedenheit vertreten hat. Bei den Privilegien. welche damals der Adel in Bezug auf die kirchlichen Würden behauptete, versteht es sich, daß O. schon frühe mehrere Pfründen erwarb. Er wurde unter anderm Decan der Domkirche von Trient und Cantor sowie Domherr der Kirchen von Speier und Augsburg. So konnte er denn bereits im Jahre 1532 auf alle seine väterlichen und übrigen Familiengüter zu Gunsten seiner Brüder verzichten. An Beförderung konnte es einem jungen Manne, der einem vornehmen deutschen Geschlechte entsprossen war und zudem seine guten Geistesanlagen auszubilden eifrig bestrebt gewesen war, nicht fehlen. Wenn im besondern der Kaiser gerne bereit war, den Sprossen eines ihm seit langem ergebenen Hauses in seinen Dienst zu nehmen, so entging auch den Räthen der Curie keineswegs, daß O. geflissentlich eine bei den Deutschen jener Zeit recht seltene Neigung zum römischen Stuhle zur Schau trug. Im J. 1541 ernannte Kaiser Karl V. O. zu seinem Rathe, zugleich in Anerkennung seiner Geschicklichkeit, die er als Abgesandter des Kaisers an seinen Bruder Ferdinand bewiesen hatte. Nicht lange danach wurde O. bei Gelegenheit eines Aufenthaltes in Rom zur Würde eines päpstlichen Kämmerers erhoben und als Gesandter des päpstlichen Stuhles mit geheimen Aufträgen zum König Sigismund von Polen geschickt. Auf der Rückreise empfing O. von Rom aus die Weisung, den Reichstag von Nürnberg (1543) zu besuchen, um dort als päpstlicher Nuntius das Concil von Trient den Ständen des Reiches anzukündigen und vor allem die deutschen Bischöfe zum Besuche desselben aufzufordern. Ueber die Art, wie O. sich dieser Mission entledigte, gibt uns nur ein Schreiben an den Bischof von Wien Aufschluß. Der Mahnung, das Concil zu besuchen, ist dort die Drohung beigefügt, im Falle der Bischof dem Befehle des Papstes nicht folge, werde er von Gott und dem Papste Strafe erleiden. Durch den während des Reichstags in Nürnberg erfolgten Tod des Augsburger Bischofs Christoph von Stadion, eröffnete sich für O. eine willkommene Aussicht. Ehrgeizig, wie er war, trat der junge Truchseß sogleich mit aller Entschiedenheit als Bewerber um den erledigten Bischofsstuhl auf. Abgesehen von seiner sehr ansehnlichen und in Schwaben recht einflußreichen Verwandtschaft, erfsuhr O. hiebei auch von Seiten des Kaisers und König Ferdinands sowie des Papstes die nachdrücklichste Unterstützung. Am 10. Mai 1543 wurde er wirklich vom Capitel zum Bischof von Augsburg gewählt, worauf der Papst seinerseits mit den nöthigen Dispensen inbetreff des Alters und der Pfründen, die er sonst noch im Besitze hatte, nicht zurückhielt. O. aber legte dadurch, daß er sich sofort zum Priester und Bischof weihen ließ, Zeugniß für seine streng kirchliche Gesinnung ab. Im Jahre nach dem Reichstag von Nürnberg wurde er von Paul III. zur Cardinalswürde erhoben, ohne daß man übrigens einstweilen die directe Veranlassung hiezu anzugeben vermöchte. Im Rathe des Kaisers errang O. immer mehr eine einflußreiche Stellung. Bei dem Vertrauen, das er an der Curie genoß, schien er ganz besonders geeignet, den Vermittler zwischen den beiden obersten Gewalten zu machen. Und in der That gelang es seinen Bemühungen und denen des Cardinals Madruzzo, den Zwiespalt des Papstes mit dem Kaiser, der in Folge jener weitgehenden Zugeständnisse an die Protestanten auf dem Reichstage zu Speier [636] (1544) entstanden war, zu beseitigen und zu bewirken, daß der Papst seinen Enkel an den kaiserlichen Hof sandte. Gemäß jenen Vereinbarungen, die damals zwischen dem Kaiser und dem päpstlichen Abgesandten getroffen wurden, war O. mit dem Beichtvater des Kaisers Petrus de Soto der Meinung, daß der Kaiser sofort den Krieg gegen die Protestanten beginnen solle. Auch als Granvella ihm eine Schrift mit 40 Artikeln vorlegte, in der die Gründe für den Aufschub des Krieges dargelegt waren, wurde O. dadurch nicht überzeugt, vielmehr empfand er es schmerzlich, als der Kaiser den Rathschlägen Granvellas Gehör gab und sich entschloß, die Frage über das Verfahren gegen die Protestanten noch in der Schwebe zu lassen. Dennoch aber blieb O. auch jetzt noch vorwiegend kaiserlicher Politiker; als solcher suchte er vor allem zu verhindern, daß ein neuer Zwiespalt zwischen Kaiser und Papst ausbreche. Insbesondere war er darauf aus, zu verhüten, daß der Papst in Sachen des Concils ohne Rücksicht auf den Kaiser vorgehe. Vielmehr sprach er den Legaten in Trient gegenüber den Entschluß aus, das in Aussicht stehende Religionscolloquium zu besuchen. Auch war er es hauptsächlich, welcher den Wiener Bischof Nausea veranlaßie, in einer Schrift Erwägungen anzustellen über einen geeigneten Ort für das allgemeine Concil, während doch die Curie bereites den Termin für die Eröffnung des Concils zu Trient festgesetzt hatte. Freilich als dann das Concil zu Trient im December 1545 wirklich eröffnet wurde, war O. doch sofort bei der Hand, seine Procuratoren dorthin zu senden. Bezeichnend war es zugleich, daß er keinen Anspruch auf Stimmrecht für dieselben erhob und auch (soweit bekannt) nicht protestirte, als die Legaten des Concils ihnen dasselbe absprachen. In wie vollem Maße übrigens der Cardinal von Augsburg das Vertrauen der Curie genoß, beweist der Eifer, mit dem sie denselben für den erledigten Mainzer Stuhl dem Capitel dieser Kirche anbefahl. Ja die Präsidenten des Concils erflehten in einem feierlichen Hochamte den Segen des Himmels für O. als Candidaten des Mainzer Stuhles. Trotz aller Bemühungen der Curie wurde jedoch Sebastian von Heußenstamm gewählt. Von Seiten des Kaisers war O. im J. 1545 mit jenen wichtigen Verhandlungen in Baiern betraut, deren endliches Ergebniß eine dem Kaiser günstige Neutralität Baierns im Kriegsfalle war. Als dann der schmalkaldische Krieg ausgebrochen war, leistete O. mit allen Kräften dem Kaiser Hülfe. Er stellte 180 schwergerüstete Reiter zum Heere und übernahm den Posten eines obersten Proviantmeisters. Kein Zweifel, daß er damals einer der ersten Räthe des Kaisers war. Als der Kaiser siegreich in Oberdeutschland dastand, war es O., der den Vertrag mit Augsburg vermittelte. Unter den Bedingungen, welche sich die stolze Reichsstadt gefallen lassen mußte, war auch die, daß dem bisher vertriebenen Clerus die Rückkehr in die Stadt gestattet sein solle. Ueberhaupt war, während der Kaiser im Felde gegen die Protestanten stand, sicher die Zeit, wo der Cardinal sich am vollständigsten in Uebereinstimmung mit seinem kaiserlichen Herrn wußte. Als aber der Kaiser nach Beendigung des Krieges sich gedrungen fühlte, zu einer Politik der Vermittlung gegen die Protestanten zurückzukehren, da folgte O. nur mehr mit innerem Widerstreben den Wegen der kaiserlichen Politik. Denn kaum zweifelhaft wird es sein, daß er mit dem Beichtvater des Kaisers wünschte, Karl V. möge seinen Sieg zu einer völligen Vernichtung des Protestantismus benutzen. Allerdings nahm der Cardinal das Interim für sein Bisthum an, allein wie er einerseits kein Hehl daraus machte, daß er die Bewilligungen des Kaisers für unkatholisch halte, so verkündete er andererseits auch das Interim nur in einer Fassung, die völlig mit der Haltung des päpstlichen Abgesandten, des Bischofs von Fano, gegenüber dem kaiserlichen Religionsgesetze übereinstimmte. Der Kelch sollte nur gestattet werden nach Abgabe einer Erklärung vor einem katholischen Priester, daß auch eine [637] Gestalt das Sacrament des Altars darstelle. Den verheiratheten Priestern aber sollte für den Fall, daß sie ihre Frauen entließen, Absolution ertheilt werden. Wenn man somit sagen kann, daß eben seit dem Interim sich eine innere Abkehr des Cardinals von der kaiserlichen Politik vollzog, so kamen noch äußere Gründe dazu, um diese vollkommen zu machen. Insbesondere kränkte es O., dessen Bisthum im Kriege ganz besonders zu leiden gehabt hatte, daß Karl V. ihn für seine finanziellen Opfer nur unvollständig entschädigte. Doch führten diese Umstände nicht geradezu zum äußeren Bruche; vielmehr war O. auch nach dem Interim noch in kaiserlichen Diensten beschäftigt; und was seine Stellung innerhalb des Cardinalcollegiums angeht, so gehörte er nach wie vor mit Entschiedenheit der kaiserlichen Partei desselben an, wie sich das im Conclave nach dem Tode Pauls III. zeigte. — — Neues schweres Unheil brachte die Empörung des Kurfürsten Moritz über das Stift des Cardinals, der sich schließlich gezwungen sah, nach Rom zu fliehen. Seine Hoffnung, dort als Cardinal seinen Unterhalt zu haben, täuschte ihn nicht. Vor allen die Cardinale Cervino und Pole nahmen sich des Flüchtigen mit opferwilligem Eifer an. Nach Abschluß des Passauer Vertrags konnte er in sein Stift zurückkehren. Mit tiefster Abneigung aber sah er dem Reichstage entgegen, auf welchem die religiösen Angelegenheiten Deutschlands ohne Mitwirkung der Curie eine definitive Ordnung erfahren sollten. Einige Schreiben aus dieser Zeit (März 1555), deren Inhalt mit Sicherheit auf Rechnung des Cardinals gesetzt werden darf, verstatten einen Einblick in die Stimmungen, die damals den Cardinal von Augsburg beherrschten. Die vermittelnden Tendenzen, denen der Kaiser gehuldigt hatte, wurden da als Hauptgrund für alle die leidigen und schier unlösbaren Verwicklungen der deutschen Angelegenheiten hingestellt. Alle die Fehler wurden Karl V. vorgerechnet, die derselbe nach dem schmalkaldischen Kriege gemacht habe; wie er gegen die Feinde zu milde gewesen sei, wie er dagegen die Freunde insgesammt durch Kärglichkeit und treulose Haltung verletzt und gegen sich aufgebracht habe. Zugleich wurden der Curie Andeutungen darüber gegeben, was sie thun müsse, damit sie einerseits den Prätensionen des Kaisers ein Gegengewicht entgegensetzen und andrerseits die Lutheraner im Zaume halten könne. Mit verschiedenen deutschen Fürsten müsse diese sich in Verbindung setzen und überhaupt den Deutschen, was bisher gänzlich versäumt worden sei, schmeicheln; ihnen so gut wie den andern Nationen mit Titeln, Würden und klingender Münze entgegenkommen. Indem O. sich so in schroffster Weise von der Politik der Vermittlung lossagte, glaubte er der Curie einen Weg zu zeigen, auf welchem man die religiöse Spaltung in Deutschland vermeiden könne. Diesen Anschauungen entsprechend war das Auftreten Otto’s auf dem Reichstage zu Augsburg 1555. Er wies angesichts des Entwurfes des Religionsfriedens auf das Concil hin, das allein über die religiösen Zwistigkeiten den endgiltigen Entscheid zu treffen habe. Er hielt nicht damit zurück, daß, im Falle man durch gute Wege keine Vergleichung erzielen könne und zu den Waffen kommen solle, der Obrigkeit nach seiner Meinung die Hand nicht zu schließen sei. Am 23. März übersandte er den Ständen den entschiedensten Protest gegen den Entwurf des Religionsfriedens. Mit dem gleichgesinnten Legaten Morone begab er sich dann nach Rom in’s Conclave. Er nahm hier zunächst an der Wahl des strenggesinnten Cervino (Marcellus II.) theil; noch klarer bewies er nach dem Tode desselben, daß er der Meinung sei, alles Uebrige den Interessen der römischen Kirche unterzuordnen, indem er einer der eifrigsten Beförderer der Wahl des Caraffa wurde, der ebenso sehr als leidenschaftlicher Gegner des Hauses Habsburg wie als ein Mann von strengster katholischer Rechtgläubigkeit bekannt war. Die Hoffnung Otto’s, daß der neue Papst sich mit besonderem Eifer der deutschen Angelegenheiten annehmen werde, schien sich zu [638] bestätigen. Paul IV. zog den Cardinal von Augsburg anfangs in sein besonderes Vertrauen, er forderte ihn auf, im Vatican selbst Wohnung zu nehmen und richtete an den 85jährigen Vater desselben ein für O. höchst schmeichelhaftes Schreiben, in welchem er betonte, daß seine Anwesenheit in Rom bei der beabsichtigten Reformation Deutschlands unbedingt erforderlich sei. Doch dauerte dieses vertrauliche Verhältniß nicht lange; Paul IV. verwickelte sich durch sein maßlos leidenschaftliches Verhalten in die größten Schwierigkeiten und weder die Fortsetzung des Concils noch die geplanten Reformen kamen zustande. Bereits im April 1556 kehrte O. nach Deutschland zurück. Der Cardinal trat jetzt in enge Verbindung mit den Jesuiten, zumal mit Canisius. Er machte das Restaurationsprogramm des letzteren völlig zu dem seinigen. Nach dem gescheiterten Religionsgespräch in Worms versuchte O., den Kaiser Ferdinand für dasselbe zu gewinnen. Allein seine Bemühungen hatten nicht den geringsten Erfolg. Ueberhaupt aber ist es O. unter den zwei Nachfolgern Karls V. nicht mehr geglückt, eine maßgebende Stimme im Rathe derselben zu erhalten. Ein Umstand, der keineswegs allein auf die milde, vermittelnde Gesinnung dieser Kaiser zurückzuführen sein dürfte, sondern ebensosehr darauf, daß O. zumal seit jenem Proteste gegen den Religionsfrieden bei den Protestanten auf’s äußerste verhaßt war. Bereits in der Zeit des schmalkaldischen Krieges war in Augsburg allgemein die Meinung verbreitet gewesen, der Cardinal O. sei der Urheber des Krieges. Jetzt, nach seiner Rückkehr aus Rom sah sich derselbe in einer Druckschrift so heftig angegriffen, daß er sich gezwungen fand, zur Feder zu greifen, um sich gegen die vorgebrachten Anklagen zu vertheidigen. Allein es fehlte viel, daß O. dadurch das einmal gegen ihn bestehende Mißtrauen der Protestanten wirklich gehoben hätte. Im J. 1559, als er mit Herzog Christoph von Würtemberg als Gesandter nach Frankreich gehen sollte, um die Bisthümer Metz, Toul und Verdun von Reichswegen zurückzufordern, weigerte sich der genannte Herzog, mit O. zusammen die Reise zu unternehmen; man hatte den Herzog vor O. gewarnt, der im Einverständnisse mit dem Papste dessen Vergiftung plane. Der Cardinal wußte zwar diesen Verdacht als die Folge einer schändlichen Verläumdung aufzudecken; aber wie völlig er sich auch in diesem Falle rechtfertigte, die Protestanten haßten ihn darum nicht minder. In ihm glaubten sie ihren gefährlichsten Feind erkennen zu müssen, und wenn in protestantischen Schriften von einem Krieg gegen die Feinde des evangelischen Glaubens die Rede war, so war darunter jedesmal auch der Cardinal von Augsburg einbegriffen. Man versteht, daß die Nachfolger Karls V. dieser Stimmung gegen O. Rechnung tragen mußten, auch wenn sie nicht ohnehin von den schroffen Anschauungen desselben weit entfernt gewesen wären. So trat also seit dem Religionsfrieden Otto’s Einfluß auf die Reichsgeschäfte mehr und mehr zurück. Auch gelang es demselben nicht mehr, ein größeres Reichsstift zu erwerben. Ebenso vergeblich wie seine Bemühungen um den Kölner Stuhl im J. 1546, war auch seine erneute Bewerbung 1567. Nur Pfründen von untergeordneter Bedeutung, wie die Propstei Ellwangen und eine freisinger und würzburger Dompropstei, brachte er noch an sich. Innig verbunden fühlte sich O. im Reich nur mit dem bairischen Herzog Albrecht V., mit dem er fortwährend in vertraulichem Briefwechsel stand, wie denn auch bei den familiären Ereignissen des bairischen Hofes häufig die Anwesenheit des Cardinals von Augsburg gewünscht wurde. Je mehr nun O. fühlte, (und das Gefühl war für ihn sehr bitter), daß er in den geheimen Reichsangelegenheiten, trotzdem er als Protector der deutschen Nation in Rom dieselben wenigstens in ihrer Beziehung zur Curie hätte betreiben müssen, kein großes Vertrauen mehr genoß, um so mehr suchte er fortwährend durch Albrecht V. auf den Kaiser einzuwirken in Sachen der reformatio Germaniae, wie er sie verstand. Und wie O. [639] in dem ängstlichen Mißtrauen der Zeit völlig befangen war, und durch jedes Gerücht einer protestantischen Offensive erschreckt wurde, so betrieb er beständig bei dem bairischen Herzog ein Defensivbündniß der katholischen Stände in Deutschland. Wenn die getrübten Beziehungen zum Hause Habsburg in erster Linie dazu beigetragen haben, dem Cardinal den Aufenthalt in Deutschland zu verleiden, so liegen doch noch andere Ursachen vor, die denselben veranlassen mußten, immer häufiger Residenz in Rom zu nehmen. Zum ersten befanden sich nämlich die finanziellen Verhältnisse seiner Diöcese im denkbar übelsten Zustande, theils infolge der Kriege (1546, 1552), theils freilich auch infolge der verschwenderischen und prächtigen Hofhaltung Otto’s. Um dessentwillen nun sah sich O. genöthigt, fortwährend nach Erwerb von neuen Pfründen etc. zu trachten, um seine sehr drückenden Schulden los zu werden. Zum andern aber war O. bei aller kirchlichen Gesinnung und Frömmigkeit keineswegs von Ehrgeiz so frei, um sich damit zufrieden zu geben, allein seinem Bisthum zu leben. Unter solchen Umständen versteht man, daß er immer häufiger in Rom sich aufhielt. Seine Thätigkeit dort ging im wesentlichen einmal darauf, die Fortsetzung des Tridentiner Concils zu erwirken. Er war sehr erfreut, als mit dem Pontificate Pius’ IV. die Lösung dieser Frage wirklich mit allem Ernste angegriffen wurde. Um so mehr aber erregte es ihn, daß die Verhandlungen über die Eröffnung des Concils eine so lange Verzögerung erfuhren. Er wurde zuweilen so ungeduldig, daß er fand, der Papst und die weltlichen Gewalten vertrauten gleichermaßen nicht genug auf Gott. Ohne Zögerung, meinte er, solle man zum Werk schreiten, nicht länger von den Protestanten sich hinhalten lassen, und nöthigenfalls müßten die katholischen Mächte mit Waffengewalt zum Schutze der Versammlung herbeieilen. Er wies warnend auf die Resultate hin, welche die Vermittlungspolitik Karls V. gezeitigt habe und so völlig ging er, der häufig genug auf seine Liebe zum deutschen Vaterlande hinwies, in seinem kirchlichen Eifer auf, daß er sich dahin aussprach, wenn Deutschland die Medicin eines Generalconcils verschmähe, so dürften darunter die andern Nationen nicht leiden, man müsse vielmehr auch ohne die Theilnahme der Deutschen zur That schreiten. Trotz so ausgesprochener curialistischer Ansichten wurde übrigens O. keineswegs vorzugsweise zu den Berathungen über das Concil vom Papste gebraucht. Im Gegentheil, wie er sich zu beklagen hatte, daß der Kaiser ihm nicht gehörig vertraue, so auch daß die Curie ihn nicht zu den Arbeiten über das Concil heranziehe. Und ferner noch in einer andern Beziehung wollte es ihm nicht gelingen, seine Absichten durchzusetzen. So sehr er auch stets seine Bemühungen darauf richtete, daß die Päpste sich mit besonderm Eifer Deutschlands annähmen, und die von ihm selbst und den Jesuiten begonnene Restauration vor allem auch mit finanziellen Mitteln unterstützten, so könnte man nicht sagen, daß er in dieser Hinsicht wirklich eine Wendung zu Wege gebracht hätte. Erst in den letzten Jahren seines Lebens, wo er immer mehr von Krankheiten heimgesucht wurde, bestieg der Mann den päpstlichen Thron, der vorzugsweise den deutschen Verhältnissen seine Aufmerksamkeit zuwandte. Erst jetzt fanden die Fürsten, welche vom Geiste der katholischen Restauration erfüllt waren, jene Unterstützung, die auch O. bei seinen Reformbestrebungen innerhalb seiner Diöcese so sehr gefehlt hatte. Eben deßhalb und weil O. sich nicht dazu entschließen konnte, dauernd seine Residenz innerhalb des augsburger Bisthums aufzuschlagen, gelang es ihm auch nicht, eine durchgreifende Umgestaltung der Verhältnisse innerhalb seiner Diöcese herbeizuführen. Um so weniger, weil bei allen größeren Unternehmungen der empfindliche Mangel an Geldmitteln sich hemmend in den Weg stellte. Erwuchsen doch gerade daraus die bedenklichsten Irrungen zwischen dem Bischof und dem Domcapitel. Eine Zeit lang steigerte sich der Gegensatz so sehr, daß das Capitel an [640] die Absetzung Otto’s dachte. Zwar wurde der Zwist im J. 1557 durch einen Vergleich beigelegt, allein durch denselben wurde auch der größte Theil der Finanzverwaltung der Oberaufsicht des Capitels unterstellt, damit eine regelrechte Schuldentilgung ermöglicht werde. So gelang es O. nur mit Mühe, seine wichtigste Schöpfung für das Bisthum, das im J. 1554 zum Range einer Universität erhobene Seminar in Dillingen, aufrecht zu erhalten. Sogar auswärtige Fürsten, wie den polnischen König, sah er sich gezwungen, um Beiträge zur Erhaltung der Anstalt anzugehen. Als er starb (2. April 1573) war dieselbe so wenig sichergestellt, daß nur eine Stiftung des Papstes Gregor XIII. den Verfall derselben abwenden konnte. Auch die Beschaffung der nothwendigen Lehrkräfte machte bei dem gänzlichen Mangel an geeigneten Männern im katholischen Deutschland die größten Schwierigkeiten. Schon wenige Jahre nach der Gründung der Universität, sah sich sonach O. veranlaßt, die Leitung der Schule den Jesuiten zu übergeben (1564). Vergebens waren jedoch die Bemühungen Otto’s, auch in Augsburg ein Jesuitencolleg aufzurichten; sie scheiterten zumeist an der Unzulänglichkeit seiner finanziellen Mittel. Im übrigen aber suchte er durch Visitationen und Synoden die verfallene Zucht des Clerus zu heben. Jedoch seine Maßnahmen dienten nur dazu, die Uebel aufzudecken, dieselben zu beseitigen, dazu fehlte es vor anderem an dem nöthigen Nachwuchs von strenggesinnten Priestern. Erst seinen Nachfolgern gelang es, die Restauration im Augsburger Bisthum zum großen Theil durchzuführen. O. konnte nur einige, allerdings wichtige Grundlagen für eine solche schaffen. – –

Das Vorhandene über O. ist unzulänglich oder veraltet. Vgl. besonders: Braun, Gesch. d. Bisch. v. Augsb. III. – Pappenheim, Chron. der Truchsessen. – Duhr, Quellen zu einer Biogr. des Card. Otto etc. und Reformbestrebungen dess. Görres-Jahrbuch VII, 2, 3.– Janssen, Gesch. Bd. III, IV, V. Briefe: Bader in Steicheles Archiv II. – Wimmer bei Steichele, Beiträge II. – Lagomarsini, Epp. Pogiani 4 Bde. Einzelnes und Wichtiges in den Abhandlungen v. Druffels und dessen Briefen u. Akten, ferner bei Lossen, Kölner Krieg, Bd. I, Weiß, Papiers d’Etat de Card. de Granvelle, Bd. IV und an vielen andern Orten. Ein Portrait Otto’s im münchner Kupferstichcabinet.