Zum Inhalt springen

ADB:Patje, Christian Ludwig Albrecht

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Patje, Christian Ludwig Albrecht“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 222–225, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Patje,_Christian_Ludwig_Albrecht&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 06:33 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Pater, Paul
Band 25 (1887), S. 222–225 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Christian Ludwig Albrecht Patje in der Wikipedia
Christian Ludwig Albrecht Patje in Wikidata
GND-Nummer 128763434
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|25|222|225|Patje, Christian Ludwig Albrecht|Ferdinand Frensdorff|ADB:Patje, Christian Ludwig Albrecht}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=128763434}}    

Patje: Christian Ludwig Albrecht P., geb. am 2. August 1748 zu Hannover, † daselbst den 11. Februar 1817. Nachdem er die Schulen seiner Vaterstadt besucht hatte, studirte er in Göttingen Jurisprudenz und [223] Cameralwissenschaften. Im Sommer 1766 verzeichnet ihn Pütter unter seinen Zuhörern. Nach Beendigung seiner Studien bereiste er Italien. 1768 trat er als Kammerauditor in dieselbe Verwaltungsbehörde ein, der sein Vater Friedrich Ulrich P. († 1773) angehörte, und wurde im nächsten Jahre Kammersecretär und 1770 zugleich seinem Vater als Hofsecretär d. h. als Secretär im Oberhofmarschallamte adjungirt. An die Spitze der Cameralen, wie man die Subalternen im Gegensatz der Geheimräthe und Kammerräthe bezeichnete, seit 1790 aufgerückt, führte er den Titel Kammermeister. Schon vorher, als 1786 zur planmäßigen Leitung und Besorgung der Staatsökonomie des Landes das Commerzcollegium geschaffen wurde, war ihm Amt und Titel eines Commerzraths zu Theil geworden. Schriftstellerische Thätigkeit ist ihm von früh an Bedürfniß gewesen; sie galt allgemeinen Interessen und denen des Berufes. Um sich selbst Klarheit und Ueberblick zu verschaffen, schrieb er einen „Abrégé historique de l’Italie“ (4 Thle., Yverdon 1781), eine compendiarische Zusammenstellung des historisch und statistisch Wissenswerthen über die einzelnen Staaten Italiens. Höhern Werth haben historische Einzeluntersuchungen: so wenn er in der Ehrenrettung Sully’s gegen Linguet (Götting. Magazin hg. von Lichtenberg und Forster, Bd. IV, 1785) den französischen Minister gegen die Anschuldigung der Mémoires sur la Bastille (1783) in Schutz nimmt, er habe den Prinzen von Condé in die Bastille zu werfen beabsichtigt, um die Prinzessin in den Armen des Königs zu erhalten, oder wenn er in einer der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen durch Spittler überreichten Abhandlung: „Recherches historiques et philosophiques sur les causes de la grandeur et des revers de Henri le Lion“ (Hanovre 1786) den durch die welfische Erbschaft hervorgerufenen Conflict mit dem Kaiser und den Starrsinn Herzog Heinrichs als die Ursache seines Sturzes in historischer und psychologischer Ausführung darlegt. Näher seinem Berufe verwandt waren Abhandlungen wirthschaftlichen Inhalts: in Schlözers Staatsanzeigen von 1783 (Heft 11 S. 368 ff.) beschreibt er die in den sog. Moorämtern des Herzogthums Bremen (Bremervörde, Lilienthal, Osterholz und Ottersberg) unternommenen Moorculturen, im Neuen Hannöv. Magazin von 1798 (Stück 99) handelt er über die Entbehrung ausländischer Bedürfnisse. Als zu Anfang des Jahres 1797 die englischen Stocks so tief im Course sanken wie nie zuvor und die Londoner Bank ihre Zahlungen einstellte, suchte er durch eine kleine Schrift: „Ueber den englischen Nationalcredit“ (Hannov. 1797) namentlich seine Landsleute, die große Summen in englischen Papieren belegt hatten, zu beruhigen. Ein umfangreicheres Buch: „Kurzer Abriß des Fabriken-, Gewerbe- und Handlungszustandes in den Churbraunschweig-Lüneburgischen Landen“ (Göttingen 1796) knüpft an eine von dem neueingerichteten Commerzcollegium ins Werk gesetzte Enquete an und giebt einen detaillirten und wohlgeordneten Bericht über alle im Lande verbreiteten Gewerbszweige, der die zum Theil sehr dürftig ausgefallenen amtlichen Ermittlungen durch private Nachforschungen ergänzt hat. Besondern Werth erhält das Buch durch eine umfassende, frisch und lebendig geschriebene Einleitung, welche eine Schilderung der Bewohner des Landes vom wirthschaftlichen Standpunkt entwirft und die Unternehmungen und Pläne der Regierung zur Hebung von Handel und Industrie übersichtlich zusammenstellt. „Eine Anmerkung zu den vielen Schriften über die Hannöverischen Angelegenheiten“ (Hannover 1803), bemüht in dem litterarischen Chorus, welcher nach der Katastrophe von 1803 sich erhob, zahlenmäßig nachzuweisen, was der Landesherr fortwährend für das Land gethan hat, ist die einzige der eigentlich politischen Schriftstellerei angehörige Arbeit Patje’s. Um so vollständiger sollte ihn fortan die praktische Politik in Anspruch nehmen. Als das Hannoversche Ministerium beim Verlassen des [224] Landes am 3. Juli 1803 ein Landesdeputationscollegium einsetzte zu unmittelbarer Verfügung desjenigen, was die französischen Befehlshaber an Prästationen verlangen möchten, ernannte es P. zum Mitglied. Ebenso berief ihn der französische General Mortier in die aus fünf Hannoveranern bestehende Executivcommission, die unter dem Präsidium von Dürbach, dem Schwager Mortier’s, eine Art interimistischer Regierung bildete. Die ausgezeichnete Verwaltungskraft, die das Land an P. besaß, seine Geschäftsgewandtheit verbunden mit vollständigster Beherrschung der fremden Sprache, empfahlen ihn zu solcher Stellung, und allemal unter den politischen Wechselfällen der nächsten Jahre hat man zu ihm seine Zuflucht genommen. Als Mortier im November 1806 Hannover zum zweiten Male in Besitz nahm, bildete P. zusammen mit den Landräthen v. Meding und v. Münchhausen die von ihm eingesetzte Executivcommission oder, wie sie nach ihrer Verstärkung hieß, Regierungscommission. Vergebens bemühte er sich im Frühjahr 1807 im Verein mit dem Geh. Kammerrath v. Arnswaldt bei Darü in Berlin, eine Verringerung der dem Lande auferlegten Contribution von 16 Mill. Francs zu erwirken. Bei dem Durchzuge Friedrich Wilhelms von Braunschweig-Oels im August 1809 benahm er sich sehr gewandt und gab dem Herzoge unter dem Vorwande, die Verpflegung des Corps auf dem Marsche zu überwachen, den Amtsschreiber Cropp, einen intelligenten und ortskundigen Mann, mit, der die Schwarzen auf dem kürzesten Wege nach Elsfleth und Brake brachte und ihren Verfolgern entzog. Bei aller Anerkennung, welche P. für die Geschicklichkeit seines Benehmens gegenüber den fremden Machthabern und die unverdrossene Vertretung der Landesinteressen unter den schwierigsten politischen Verhältnissen bei seinen Landsleuten fand, wollten ihm doch manche schon früh den Tadel zu großer Nachgiebigkeit nicht ersparen. Nachdem am 1. März 1810 Jerôme von Hannover Besitz genommen hatte, begab sich auf Patje’s Betreiben eine zahlreiche Deputation zur Begrüßung des Königs nach Kassel. An ihrer Spitze hielt er am 14. März im neuen Ständesaale eine übrigens zuvor den hervorragendsten Mitgliedern der Deputation mitgetheilte Anrede, die im ganzen maßvoll gehalten, doch mit dem Satze schloß: Daignez, Sire, entourer votre trône d’un nouveau peuple heureux, reconnaissant et fidèle. P. wurde Präsident der Oberrechnungskammer in Kassel, erhielt gelegentlich der Anwesenheit des Königs Jerome in Hannover den Titel Baron, wurde Mitglied des Staatsraths und im März 1811 Commandeur der westfälischen Krone. Eine seiner letzten Verwendungen im öffentlichen Dienst war die Thätigkeit in der zu Hamburg sich versammelnden Commission, welche die Landesgrenzen und Landesschuld zwischen Frankreich und Westfalen reguliren sollte. Obschon P. unzweifelhaft zu den Mitgliedern des westfälischen Beamtenthums gehörte, die dem Stande die hohe Anerkennung verdienten, welche er bei patriotischen und einsichtigen Beurtheilern gefunden hat, so ist ihm doch sein Verhalten von der restaurirten Regierung verdacht und keine Wiederanstellung zu Theil geworden. Seine Muße als Privatmann füllte er mit schriftstellerischer Thätigkeit aus. „Philosophische Betrachtungen“ (Hannover 1814), zwei compendiarische Schriften historischer Art: „Geschichte der merkwürdigen Begebenheiten 1789–1814“ (Hannover 1815), „Taschenbuch der deutschen Geschichte“ (das. 1816) und das liebenswürdigste und originellste seiner Bücher: „Wie war Hannover?“ (das. 1817) stammen aus dieser Zeit. Das letztere, erst aus seinem Nachlasse von E. A. v. Werlhof herausgegeben, spiegelt am besten seine Art zu denken und zu schreiben wieder; es enthält eine Fülle wohlgeordneter historischer und culturhistorischer Daten, die mit guter Kritik behandelt und belebt und humorvoll vorgetragen werden.

[225] Ersch und Gruber III, 13 (1840) S. 319. – Werlhof a. a. O. – Hausmann, Erinnerungen S. 53, 64, 67 ff. – v. Strombeck, Darstellungen II, 98. – Hannover, wie es war, ist und werden wird. Heft 1 (1804) S. 121 ff. – (Mierzinsky) Erinnerungen aus Hannover u. Hamburg 1803 bis 1813 (Leipz. 1843) S. 96. – Havemann, Gesch. der Lande Braunschweig u. Lüneburg III, 725 ff., 747, 763.