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ADB:Pirkheimer, Caritas

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Artikel „Pirckheimer, Charitas“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 817–819, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pirkheimer,_Caritas&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:13 Uhr UTC)
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Pirckheimer: Charitas P., die würdige Schwester des Vorigen, unter allen Geschwistern dem Bruder am meisten geistesverwandt, geb. am 21. März 1466, † am 19. August 1532. Sie trat 1478 in das S. Clara-Kloster in Nürnberg ein, wo sie sich an Apollonia Tucher und den gelehrten Propst Sixtus Tucher anschloß, – letzterer starb 1507 und fand in Anton Kreß einen ebenbürtigen Nachfolger. Sie wurde am 20. December 1503 Aebtissin ihres Klosters, in welchem seit dem Jahre 1494 noch ihre jüngere Schwester Clara, geboren 1480, † 1503, seit 1513 auch zwei Nichten, Bilibald’s Töchter, Catharina und Crescentia sich befanden, Clara der älteren Schwester als Schreiberin, Stellvertreterin und Vermittlerin behilflich, als Lehrerin der Novizen thätig. Charitas hatte die Geschäfte des Klosters und die Vertretung nach außen zu besorgen, erfüllte mit Ernst die Pflichten ihres Berufes, hielt strenge [818] Klosterzucht, legte aber außer auf die sittliche Hauptnachdruck auf die geistige Ausbildung ihrer Untergebenen. Sie gehörte zu den gelehrten Frauen ihrer Zeit, so daß Erasmus sie mit den Töchtern des Thomas Morus in gleiche Linie stellte. Sie wurde zunächst als Schwester ihres Bruders mit einzelnen Wortführern des Humanismus bekannt, besonders nahe trat sie dem gelehrten Patricier Christoph Scheurl und dem berühmten Konrad Celtes. Letzterer übersandte ihr die von ihm herausgegebenen Werke der Nonne Hrotsuitha und seine lateinischen Gedichte, feierte sie wegen ihrer Frömmigkeit und Gelehrsamkeit und hörte ohne zu zürnen, den ernstgemeinten Rath der Freundin an, er möge sich von der Poeterei zur heiligen Schrift wenden und die heidnischen Götter um Christi willen verlassen. In innigster Verbindung stand sie aber mit ihrem Bruder, der für sie Schriften der Kirchenväter übersetzte und auch sonst ihre geistige Förderung sich angelegen sein ließ. Nur einmal (1519) erlitt die Freundschaft einen kleinen Stoß, vermuthlich wegen Einmischung der Charitas in Familienangelegenheiten; P. hielt sich ein Jahr lang dem Kloster fern; durch Clara, welche in anmuthiger und verständiger Weise die Vermittlerin spielte, wurde die Differenz ausgeglichen. Das gute Verhältniß mit dem Bruder war um so nöthiger, als die religiösen Bedrängnisse begannen. Charitas, der reformatorischen Richtung durchaus abgeneigt, hatte dem H. Emser für sein Auftreten gegen Luther in einem Briefe ihre Sympathie ausgedrückt; dieser Brief, in unrechte Hände gefallen, und mit anzüglichen Glossen veröffentlicht, hatte, ebenso wie Emser’s darauf folgender Sendbrief, ihr persönliche Unannehmlichkeiten zugezogen und war auch ihrem Kloster widerwärtig geworden. Alle diese Schicksale ihres Klosters hat Charitas in ihren „Denkwürdigkeiten“ anschaulich und eindrucksvoll beschrieben. Der protestantische Rath Nürnbergs beschloß 1524, die Leitung des St. Clara-Klosters dem Barfüßerorden zu entziehen und den neuen Prädicanten zu übertragen; Charitas protestirte dagegen in Schreiben an die einflußreichen Rathsherren, erwirkte aber nur, daß der Rath die Sache „einstweilen in Ruhe stellen zu wollen“ erklärte. Die Ruhe dauerte jedoch nicht lange. Nach einer großen Disputation der beiden feindlichen Religionsparteien, wurde das Kloster aufgefordert, sich der neuen Lehre zu unterwerfen, demselben wurden trotz des Widerspruchs der Aebtissin, die Beichtväter genommen und protestantische Prediger bestellt. Diese eiferten gegen die alte Lehre, erschöpften sich in Bekehrungsversuchen und in Drohungen, man werde das Kloster schließen. Nach einem Beschlusse des Rathes vom 6. Juni 1525, daß die Eltern das Recht haben sollten, ihre Töchter aus dem Kloster zu nehmen, wurden drei Nonnen von ihren Angehörigen gewaltsam entfernt; andere, die Ordensregel und Tracht betreffende Beschlüsse, wurden wol unter dem Einflusse des in Nürnberg weilenden Melanchthon, der seine Milde und seinen Einfluß für die Nonnen geltend machte, aufgehoben oder ihre Ausführung verschoben. Die Quälereien dauerten jedoch fort: Steuern wurden von dem Kloster erhoben, seine Einkünfte geschmälert, so daß die Nonnen oft große Noth litten, jede Nonne wurde in ein Einzelverhör genommen, um belastendes Material gegen das Kloster zu erlangen, aber nur eine einzige von 52 Nonnen erhob eine Klage und entfernte sich aus dem Kloster. Von den Zurückbleibenden, welche die Aebtissin wahrhaft als Mutter verehrten, wurde das 25jährige Aebtissin-Jubiläum der Charitas, zugleich das 50jährige ihres Eintritts ins Kloster, mit aller Innigkeit und Feierlichkeit begangen. B. P., obwol selbst tief gebeugt durch den Tod seiner 28jährigen Tochter Crescentia, wurde immer eifriger thätig für die Angelegenheiten seines Klosters, aber auch seine Schutzschrift half ebensowenig wie die Klagen der Aebtissin und der Widerstand ihrer Getreuen. So starb sie in dem bitteren Gefühl, ihr Lebenswerk vernichtet und die gegnerischen Anstrengungen [819] triumphiren zu sehen. Die Nonnen starben aus, das Kloster wurde geschlossen; erst 1857 wurde die restaurirte St. Clarakirche für den katholischen Gottesdienst wieder eröffnet. Der Name Ch. P. ist aber nicht bloß mit der Geschichte dieses Klosters eng verknüpft, sondern er verdient aufbewahrt und geehrt zu werden als der einer überzeugungstreuen, muthigen, geistbegabten Frau, welche unbeirrt von den Strömungen der Zeit ihren eigenen Weg ging und ihre Gesinnung nicht ändern wollte auf das Geheiß Anderer oder nach der Mode des Tages.

Denkwürdigkeiten hgg. von C. Höfler, Quellensammlung z. fränk. Gesch. 4. Band 1853. – W. Loose, Aus dem Leben der Ch. P. Dresden 1870. Eine von demselben beabsichtigte vollständige Briefsammlung ist nicht erschienen. – F. Binder, Ch. P. 1. Aufl. Freiburg i. B. 1878. 2. Aufl. daselbst 1878 (Sammlung hist. Bildnisse II, 2). Dort S. 213 fg. ist die Litteratur sehr sorgfältig verzeichnet.