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ADB:Pistorius, Hermann Alexander

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Artikel „Pistorius, Hermann Alexander“ von Heinrich Pröhle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 819–821, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pistorius,_Hermann_Alexander&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 06:28 Uhr UTC)
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Pistorius *): Hermann Alexander P., Pfarrer und Dichter. Er wurde geboren am 27. August 1811 zu Walbeck bei Eisleben, nicht zu verwechseln mit Walbeck bei Helmstedt, wo Gleim Canonicus gewesen war. Schon seit 1829 studirte er Theologie in Halle. Er wurde der Schwager des Pastor John, der durch Philipp von Nathusius zuletzt in Neinstedt angestellt wurde und der mit P. und Junghan an der Erbschaft des Bürgermeister Bollmann in Aschersleben, des bekannten für diesen sehr thätigen Freundes von Gottfried August Bürger, Theil hatte. Am 1. März 1843 zog er in Süplingen bei Neuhaldensleben an und wurde am 30. April in das Pfarramt zu Süplingen und Bodendorf eingeführt. In die Diöcese Neuhaldensleben hatte zu Anfang der zwanziger Jahre bereits H. A. Pröhle (siehe o. S. 631) ein regeres kirchliches Leben gebracht, dabei jedoch mit P. W. Behrens durchaus auf dem Boden der Union und Agenda Friedrich Wilhelm’s III. gestanden. Weniger war dies schon in den dreißiger Jahren bei den dort folgenden Bestrebungen von Appuhn der Fall, der die Gedichte von Möwes (s. A. D. B. XXII, 418) herausgab. Der pietistischen Richtung von Möwes und Appuhn folgte nun auch P., jedoch so, daß er neben und vor ihr entschieden die lutherische Orthodoxie innerhalb der unirten preußischen Landeskirche wieder zu größerem Ansehen zu bringen suchte. Als die von Uhlich geleiteten Versammlungen der protestantischen Freunde eine größere Ausdehnung erhielten, wurden sie zuerst von H. A. Pröhle, der einer Versammlung in Oschersleben beiwohnte, dann von John (damals in Ampfurt bei Oschersleben und Hornhausen), Müller in Irxleben und P. angegriffen. P. und Müller wurden von dem gewandten Pastor Karl Bernhard König in Anderbeck vom vulgären rationalistischen Standpunkte aus widerlegt. P. suchte durch seine zahlreichen Streitschriften zu bewirken, daß innerhalb der preußischen Landeskirche auch dem milderen Rationalismus, ja, selbst dem entschiedeneren Calvinismus nicht mehr Raum gelassen werde. Friedrich Wilhelm IV. selbst aber begnügte sich damit, die Mitglieder der freien Gemeinden, welche sich mit den symbolischen Büchern und der Autorität der Bibel in keiner Weise mehr einverstanden erklären wollten, aus der Kirche austreten zu lassen. Dadurch war P. enttäuscht. Er schrieb seine Schrift „Was und wo ist die lutherische Kirche?“ (2. Aufl. 1845). Seine Amtsbrüder Appuhn, Schiele, Loël billigten ausdrücklich diese Schrift, jedoch besonders insofern, als er sich darin noch gegen den Austritt der Lutheraner aus der evangelischen Landeskirche aussprach. Indessen vollzog P. allein diesen Austritt doch, indem er nach der Märzrevolution, wahrscheinlich im November 1848, sein Amt als Pastor zu Süplingen niederlegte. Fast wider Erwarten aber geschah es, daß unter Friedrich [820] Wilhelm IV. später die lutherische Richtung innerhalb der preußischen Landeskirche noch einmal sehr gekräftigt wurde. Appuhn wurde nun als Domprediger und Consistorialrath nach Magdeburg berufen, wobei ihm allerdings Sack für die erklärten reformirten Kirchen wie Liebfrauenkirche in Halberstadt und die französische Gemeinde in Magdeburg zur Seite stand. H. A. Pröhle’s Katechismus wurde mit den Schriften von Zerenner wegen einer die Union zu stark betonenden Stelle außer Gebrauch gesetzt, ein Mißgriff des Consistoriums, den der Autor selbst zu verdecken suchte, da er sich zu der Zeit, als das Verbot seiner Jugendarbeit erfolgte, „evangelisch–lutherischen Pfarrer zu Hornhausen“ nannte. Appuhn’s überwiegender Einfluß im Consistorium dauerte bis zur neuen Aera. Doch legte er erst im Herbst 1869 sein Amt nieder, nachdem er einige Tage vorher noch mit vieler Jovialität das Consistorium auf dem Jubiläum seines Freundes H. A. Pröhle in Hornhausen vertreten hatte. Ueber P. urtheilte Appuhn, daß er sich in theologicis jeder Zeit mit einem Professor messen könne, was dessen 1845 erschienene Schrift „Frau Argula von Grumbach geb. Stauffen und ihr Kampf mit der Universität Ingolstadt“ allerdings nicht ausreichend beweist. Nach dem Abgange von Appuhn und P. war Schiele, der zwanzig Jahre früher H. A. Pröhle in dem Berliner Freimüthigen, dessen Mitarbeiter er war, lächerlich gemacht hatte, in der Diöcese Neuhaldensleben der bedeutendste Vertreter der lutherischen Richtung innerhalb der evangelischen Landeskirche. P. hatte seine Schrift über die lutherische Kirche dem Grafen Ferdinand zu Stolberg-Wernigerode, „Präsidenten des K. Consistoriums für Schlesien“, gewidmet. Damit hängt es wohl kaum zusammen, daß er sich 1848 den Lutheranern unter dem Breslauer Oberkirchencollegium anschloß und demnach 1848 bis 1851 Pastor der Altlutheraner in Wernigerode am Harz, sowie 1851 bis 1858 Kirchenrath der Altlutheraner in Breslau war. Indessen sollte er auch in eine lutherische deutsche Landeskirche wieder eintreten. 1863 durch den Grafen Hahn-Basedow zu Basedow in Mecklenburg präsentirt, ward er zum Pastor in Basedow erwählt. 1868 wurde er Präpositus der Malchiner Synode und starb am 24. April 1877 nicht volle 66 Jahre alt zu Basedow, wo seine Wittwe noch 1888 lebt. Auch die mecklenburgische Predigeridylle von P. wurde durch einen litterarischen Kampf unterbrochen, aus dem er aber diesmal hochgeehrt hervorging. In Basedow nämlich las P. die wahrscheinlich nach der Zeitschrift „Daheim“ für die neue Preußische Zeitung vom 14. August 1870 von Georg Hesekiel abgefaßten Worte: „Unter den vielen Liedern dieses Krieges ist entschieden das beste der Heldengesang, den der Füsilier Kutschke vom 40. Regiment auf den Vorposten bei Saarbrücken dichtete. Dieser Dichter sah die Franzosen am Waldrande vor sich hinlaufen, da sang er:

„Was kraucht da in dem Busch herum?
Ich glaub’, es ist Napolium.“

P., der selbst ein alter preußischer Soldat gewesen sein soll, ergänzte diese beiden Verse zu einer vierzeiligen Strophe, fügte dann noch drei Strophen hinzu und ließ dies Kutschkelied so in den mecklenburgischen Anzeigen drucken. Alsbald langten bei dem 40. Regimente eine Menge von Liebesgaben, z. B. Uhren, aus Deutschland für den braven Kutschke an. Die Nachforschungen der Feldpost und der anderen Militärbehörden nach einem Füsilier Kutschke waren von keinem Erfolge begleitet, doch setzte die Presse die Untersuchungen fort. Ein Mitredacteur der Kölnischen Zeitung, Hermann Grieben, stellte durch eine eigene Schrift endgültig fest, daß P. der Verfasser des Kutschkeliedes sei. Die beiden Verse, durch welche P. angeregt wurde, mögen wohl schon aus den Freiheitskriegen herrühren. Die späteren acht Kutschkelieder sind von Gustav Schenck, damaligem Redacteur und jetzigem Besitzer des Berliner Fremdenblattes. P. soll in Folge des Beifalles, [821] den das erste Kutschkelied von vier Strophen fand, eine ganze Gedichtsammlung veröffentlicht haben. Auch ließ er sich bewegen, wenigstens die aus Chicago kommende Liebes- oder Ehrengabe für den Füselier Kutschke anzunehmen.

Schriftliche Mittheilungen von Steinhausen und Werner, den Amtsnachfolgern von Pistorius in Süplingen und Basedow. – Familiennachrichten. – H. Pröhle, Die Lyrik der Jahre 1870 und 1871 in dessen „Patriotischen Erinnerungen“.

[819] *) Zu S. 197.