Zum Inhalt springen

ADB:Plütschau, Heinrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Plütschau: Heinrich“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 85–87, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pl%C3%BCtschau,_Heinrich&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 09:18 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Plüddemann, Martin
Nächster>>>
Poel, Piter
Band 53 (1907), S. 85–87 (Quelle).
Heinrich Plütschau bei Wikisource
Heinrich Plütschau in der Wikipedia
Heinrich Plütschau in Wikidata
GND-Nummer 103086293
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|53|85|87|Plütschau: Heinrich|Viktor Hantzsch|ADB:Plütschau, Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=103086293}}    

Plütschau: Heinrich P., in den Missionsschriften seiner Zeit auch Plütschow oder Plütscho genannt, einer der ältesten lutherischen Missionare, wurde 1676 in dem Landstädtchen Wesenberg bei Neustrelitz in Mecklenburg geboren. Er besuchte das Friedrich-Werdersche Gymnasium zu Berlin, dessen Rector Joachim Lange nachhaltigen Einfluß auf ihn ausübte und auch noch später freundschaftliche Beziehungen zu ihm unterhielt. Dem Wunsche seiner Eltern entsprechend beschloß er, sich dem Studium der Theologie zu widmen. Da die verknöcherte Dogmatik der protestantischen Orthodoxie sein Gemüth kalt ließ, wendete er sich dem damals immer weitere Kreise erfassenden Pietismus zu und suchte dessen geistigen Mittelpunkt, die Universität Halle, auf. Hier trat er in persönlichen Verkehr zu August Hermann Francke und empfing von diesem bedeutsame religiöse Anregungen. Francke war es auch, der ihn veranlaßte, sich dem Berufe eines Heidenboten zu widmen. Als nämlich König Friedrich IV. von Dänemark auf Anregung seines Hofpredigers Lütkens den Plan gefaßt hatte, die farbigen Eingebornen der dänischen Besitzungen im östlichen und westlichen Indien zum Christenthum zu bekehren, wendete er sich in Ermangelung geeigneter dänischer Candidaten an die Führer der pietistischen Bewegung in Deutschland mit der Bitte, ihm einige für das Missionsamt verwendbare junge Theologen vorzuschlagen. Die Wahl fiel auf Bartholomäus Ziegenbalg aus Pulsnitz und auf P. Beide nahmen nach Ueberwindung mannichfacher Bedenken den an sie ergangenen Ruf an und begaben sich im Herbst 1705 nach Kopenhagen. Hier hatten sie mancherlei Anfechtungen zu erleiden, da einflußreiche Kreise der dänischen Hauptstadt, vor Allem die orthodoxe Geistlichkeit, das Unternehmen für abenteuerlich und aussichtslos hielten. Namentlich der seeländische Bischof Bornemann legte ihnen absichtlich Schwierigkeiten in den Weg, indem er ihnen anfangs die Ordination verweigerte. Doch Lütkens nahm sich seiner Schützlinge thatkräftig an, so daß schließlich alle Widerwärtigkeiten beseitigt waren und die Abfahrt am 29. November 1705 von statten gehen konnte. Die langwierige Seereise[WS 1] [86] verlief ohne Unfall. Im April 1706 hielten sich die beiden Missionare einige Zeit zur Erholung am Cap der guten Hoffnung auf und erkannten hier im Verkehr mit den Hottentotten, welche mühselige Arbeit ihnen bevorstand. Am 9. Juli landeten sie glücklich in Trankebar, einer Niederlassung der dänisch-ostindischen Handelsgesellschaft auf der Coromandelküste. Nachdem sie sich flüchtig über die ihnen völlig neuen Verhältnisse des Landes und seiner verschiedenartigen Bewohner unterrichtet hatten, wollten sie ihr Werk beginnen, aber schon nach kurzer Zeit bemerkten sie, daß ihnen von allen Seiten Widerstand entgegentrat. Der Stadtcommandant Hassius vereinigte sich mit den Beamten der Compagnie, den europäischen Kaufleuten, den beiden dänischen Predigern und dem katholischen Priester des Ortes, um den unerwünschten Eindringlingen, die man allgemein als geheime Aufpasser und Sittenwächter betrachtete, das Leben so sauer als möglich zu machen. Allein die Missionare ließen sich durch diese trüben Erfahrungen nicht abschrecken. Vielmehr bestrebten sie sich, die Feindschaft der Gegner durch Geduld und Freundlichkeit zu überwinden, was ihnen im Laufe der Jahre auch allmählich gelang. Um nun den Eingebornen, die dem drawidischen Volksstamme der Tamilen angehörten, das Evangelium in verständlicher Weise predigen zu können, bemühten sie sich unter steter wechselseitiger Förderung mit Erfolg, möglichst rasch das in ganz Südindien als Verkehrssprache dienende Portugiesische und dann auch die für Europäer bei weitem schwierigere Tamilsprache zu erlernen. Schon nach wenigen Monaten waren sie trotz mangelhafter Hülfsmittel durch eifriges Studium soweit gefördert, daß sie sich mit einigen Waisenkindern, die sie um sich gesammelt hatten, einigermaßen verständigen konnten. Bald darauf gründeten sie eine Schule, in der sie lehrend und lernend zugleich mit solchem Eifer arbeiteten, daß sie bald die Herzen der Jugend gewannen. Da die Zahl der Schüler rasch anwuchs, mußte eine Theilung der Arbeit vorgenommen werden, indem Ziegenbalg hauptsächlich in tamilischer, P. dagegen in portugiesischer und dänischer Sprache unterrichtete. Daneben begannen sie auch alle ihnen erreichbaren Werke der einheimischen Litteratur zu studiren und sich fleißig im Uebersetzen zu üben. Bald fühlten sie sich fähig, auf öffentlichen Straßen und Plätzen als Prediger aufzutreten, und es dauerte nicht lange, so sammelte sich eine kleine Gemeinde um sie. Damit war auch die Nothwendigkeit gegeben, eine Kirche zu errichten. Im Juni 1707 wurde der Grund gelegt. Der Bau ging rasch und glücklich von statten, und bereits im August konnte das neue Gotteshaus geweiht werden. Nun fanden regelmäßige Gottesdienste unter großem Zulauf des Volkes statt, und schon im September nahmen die Missionare einige Heiden durch die Taufe in die evangelische Kirche auf. Sie begnügten sich aber nicht mit der Wirksamkeit in Trankebar selbst, sondern zogen abwechselnd in die umliegenden Dörfer, wo es ihnen gleichfalls nicht an willigen Zuhörern, aber ebensowenig an mancherlei Anfeindungen fehlte. Namentlich Ziegenbalg zog sich durch die Freimüthigkeit, mit der er auf die zahlreichen Mißstände in der Verwaltung der Colonie hinwies, die Gegnerschaft des Commandanten zu, der ihn im November 1708 verhaften ließ und 4 Monate lang gefangen hielt. Während dieser Zeit mußte P. das Kirchenwesen und die Schulen allein leiten, und nur mit Mühe vermochte er den drohenden Verfall zu verhindern. Nach der Erledigung seines Gefährten nahm das Werk wieder einen guten Fortgang, aber die wachsende Arbeit überstieg allmählich die Kräfte der Missionare, sodaß sie sehr erfreut waren, als im Juli 1709 drei neue Mitarbeiter, die Candidaten der Theologie Johann Ernst Gründler und Johann Georg Bövingh, sowie der Student Polycarp Jordan aus Deutschland eintrafen. Dieselben widmeten sich zu [87] ihrer Uebung in den fremden Sprachen zunächst dem Schuldienst, P. dagegen übernahm nun mehr als bisher den verantwortungsreichen Unterricht der erwachsenen Katechumenen. Allmählich aber verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, und da trotz aller angewendeten Mittel eine dauernde Besserung nicht eintreten wollte, mußte er sich entschließen, nach Europa zurückzukehren. Am 15. September 1711 segelte er auf einem englischen Schiffe von Madras ab. Seine Absicht war es, dem dänischen König und den einflußreichen Gönnern des Missionswerkes persönlich für ihr thatkräftiges Wohlwollen zu danken, ihnen Bericht über die Fortschritte des Unternehmens zu erstatten und die Verdächtigungen der Widersacher durch Hinweis auf das Erreichte zu entkräften. Im November 1712 traf er wohlbehalten in England ein und suchte hier durch Vorträge, namentlich in der Gesellschaft zur Verbreitung christlicher Erkenntniß, weitere Kreise für die Mission zu interessiren. Auch verfaßte er einen Leitfaden der christlichen Lehre zum Gebrauche der portugiesischen Schule in Trankebar, den die Londoner Freunde in 1000 Exemplaren drucken ließen und als Geschenk nach Indien sandten. Im Januar 1713 stellte er sich in Kopenhagen dem Könige Friedrich vor, der ihm seine Anerkennung ausdrückte und sich bewogen fühlte, eine erhebliche Summe zur Förderung des Bekehrungswerkes anzuweisen. Im Frühjahr begab er sich zu seinen alten Freunden und Gesinnungsgenossen nach Halle und ertheilte hier einigen Studenten, die sich für den Missionsdienst vorbereiten wollten, Unterricht in der portugiesischen und tamilischen Sprache. Als bald darauf in Kopenhagen der Plan auftauchte, daselbst ein Missionsseminar zu errichten, um an Stelle der deutschen Glaubensboten in Zukunft junge dänische Theologen nach Indien abordnen zu können, wurde er eingeladen, die Leitung dieser Anstalt zu übernehmen. Allein die beiden Candidaten, die sich gemeldet hatten, erwiesen sich schon nach kurzer Zeit als untauglich und mußten entlassen werden. Da keine weiteren Bewerber vorhanden waren, wurde das kaum gegründete Institut wieder aufgelöst. P. erhielt als Abfindung die Pfarrstelle zu Beidenfleth in Holstein. Hier wirkte er noch länger als 30 Jahre bis zu seinem Tode 1747. Durch litterarische Leistungen trat er nicht hervor, doch wirkte er in engeren Kreisen, namentlich in Verbindung mit den Halle’schen Pietisten, nach Kräften durch Wort und Schrift für das Gedeihen des indischen Missionswerkes.

Der königlich dänischen Missionarien aus Ostindien eingesandter Ausführlichen Berichten Erster Theil, Halle 1718. – J. L. Niekamp, Kurtzgefaßte Mißions-Geschichte, Halle 1740. – W. Germann, Ziegenbalg und Plütschau, Erlangen 1868.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ziegenbalg und Plütschau berichteten darüber in Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Diese und andere Missionsberichte siehe unter Bartholomäus Ziegenbalg