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ADB:Plettenberg, Wolter von

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Artikel „Plettenberg, Wolter von“ von Theodor Schiemann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 282–288, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Plettenberg,_Wolter_von&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 09:26 Uhr UTC)
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Plettenberg: Wolter v. P., Meister des deutschen Ordens in Livland, gewählt am 7. Juli 1494, bestätigt am 9. October 1494, † am 28. Februar 1535 zu Wenden. P. entstammt der westfälischen Familie dieses Namens, welche bereits vor ihm einige ihrer Glieder nach Livland gesandt hatte. So finden wir 1422 einen Comthur von Doblen, Walter v. P. und 1450 einen Landmarschall Godert v. P., später mehrere Brüder des Obigen. Wann Wolter v. P. nach Livland gekommen ist, steht nicht recht fest, doch dürfte nicht unwahrscheinlich sein, daß der oben erwähnte Godert ihn ins Land gezogen hat. Er begegnet uns zuerst als Vogt von Rossiten und hat als solcher einen Angriff der Russen zurückgeschlagen. 1489 ist er Landmarschall, doch unterliegt wol keinem Zweifel, daß er dazwischen auch andere Ordensämter bekleidet hat. Unsere Kenntniß von der Reihe der livländischen Ordensgebietiger ist so lückenhaft, [283] daß sie keinerlei sichere Schlüsse über das Wo gestattet. Als Ordensmarschall hat P. im Kampf des Ordens mit Riga der Stadt die entscheidenden Schläge beigebracht, die am 30. März 1490 zum Wolmarer Frieden führten. Nach dem Tode Meister Freitags von Lorinkhove wurde er in Wenden einmüthig zum Meister erkoren und nach wenigen Monaten vom Hochmeister Hans v. Tiefen bestätigt. Gleich nach seinem Amtsantritt war er infolge der tückischen Vernichtung des deutschen Hofes in Nowgorod mit Vorbereitungen zu dem unvermeidlichen Kampfe mit Rußland beschäftigt. Er verstand es, ihn so lange geschickt hinzuhalten, bis es ihm am 3. März 1501 gelungen war, ein Offensiv- und Defensivbündniß mit dem Großfürsten Alexander von Litthauen zum Abschluß zu bringen. Auch die wendischen Städte hatten sich zur Unterstützung Livlands verpflichtet und der deutsche Orden in Preußen Beistand an Mannschaft und Geld zugesagt. Aus Deutschland geworbene Knechte und das livländische Aufgebot des Ordens, der Prälaten und Städte, sowie der Troß der Undeutschen (so nannte man das Aufgebot der Esten und Letten) bildeten zusammen eine Kriegsmacht von gegen 80 000 Mann, unter denen jedoch nur 4000 Reiter und 2000 Landsknechte als wirklich brauchbares Material bezeichnet werden können. Da Litthauen gegen die eidlichen Versprechungen Alexanders den Meister in Stich ließ, mußte mit dieser geringen Macht der Angriff der weit überlegenen Russen bestanden werden.

Der Krieg begann Ende August mit glänzenden Erfolgen der Livländer, die bis Ostrow vordrangen, das Ausbleiben der Litthauer nöthigte jedoch den Meister zur Rückkehr. Während er schwer krank darniederlag, fiel ein Heer von 90 000 russischen und tatarischen Reitern in drei Heerhaufen in das nördliche Livland ein, und erst nach erheblichen Verlusten gelang es dem inzwischen wieder genesenen Meister, die Feinde, welche 40 000 Gefangene mit sich führten, aus dem erschreckten Lande hinaus zu manövriren. Zu Ende des Jahres 1501 stand kein Feind mehr auf livländischem Boden. P., der im Schooß des Ordens selbst auf Unbotmäßigkeit stieß, und den Bischof von Dorpat in Verdacht hatte, in verrätherische Umtriebe verwickelt zu sein, dem die Hülfe aus Preußen und von den wendischen Städten nur spärlich zufloß, hatte wieder seinen Kriegsplan auf feste Vereinbarungen mit Litthauen begründet, dessen Streitkräfte sich vor Pleskau mit den seinigen vereinigen sollten. Streifzüge des Comthurs von Reval gegen Ivangorod und des Landmarschalls gegen Krasnogorod drängten die russische Vorhut zurück und Ende August 1502 war er so weit, sein Heer in Kirempä, nahe der pleskauer Grenze, zu sammeln. Es waren Fußvolk, Troß und Bauern, ungerechnet 2000 Reiter, die den zuverlässigen Kern seiner Streitmacht bildeten. So rückte er bis gegen Pleskau vor und hier stieß er an der Smolina auf das von drei Fürsten Schuiski, dem Fürsten Iwan Gorbatoi und dem Tataren Tabat-Ulanow geführte Hauptheer der Russen. Die Litthauer aber waren nicht erschienen und ohne jede Hülfe mußte der Meister am 12. September den Kampf aufnehmen. Ein kühner Reiterangriff, der dreimal das feindliche Heer durchbrach, führte zu einer völligen Niederlage desselben und hatte zur Folge, daß auch die bei Narva zum Einfall ins Esthländische bereiten russischen Truppen eilig den Rückzug antraten. Nur die erbärmliche Kriegführung und – was kaum glaublich scheint – die noch weit erbärmlichere Politik der Litthauer waren Schuld, daß Livland trotz dieses glänzenden Sieges zu einem 6jährigen Beifrieden, der in Nowgorod am 29. Juni 1503 befestigt wurde, sich entschließen mußte. Blieb auch, während Litthauen große Territorialbestände verlor, Livland ungeschmälert, so mußte es doch stets eines russischen Ueberfalles gewärtig sein und bei der völligen Unzuverlässigkeit seiner natürlichen Bundesgenossen in kostspieliger Aufrüstung von Jahr zu Jahr den bösen Frieden hinziehen. [284] Er ist dann 1509, 1521 und 1531 zuletzt auf weitere zwanzig Jahre erneuert worden. Die bekannte Ueberlieferung von dem 1503 errungenen ruhmvollen 50jährigen Frieden Plettenberg’s ist eine Fabel. Dadurch wird aber das Verdienst des Meisters in keiner Weise geschmälert. Vielmehr lehrt eingehendes Studium der Zeit, daß gerade in der Art, wie P. den Frieden trotz Allem zu wahren verstand, die staatsmännische Größe des Meisters liegt. Die Lage Livlands wurde besonders schwierig, nachdem am 6. Juli 1511 der Markgraf Albrecht von Brandenburg zum Hochmeister deutschen Ordens gewählt worden war. Der feste Entschluß desselben, dem Orden Polen gegenüber seine alte Stellung zurückzuerwerben, brachte die Gefahr eines russisch-polnischen Bündnisses gegen den Orden; darnach, als im J. 1512 der russisch-polnische Krieg ausbrach, mußte Livland sich des Ansinnens erwehren, mit Litthauen-Polen gegen die Russen zu Felde zu ziehen, endlich Stellung ergreifen in dem 1519 nicht mehr zu verdeckenden Bruch zwischen Polen und dem deutschen Orden in Preußen. Zu Anfang des Jahres 1516 hatte eine Zusammenkunft zwischen P. und Albrecht von Brandenburg in Memel stattgefunden. Zwölf Tage lang beriethen die Häupter des Ordens in tiefstem Geheimniß. Albrecht legte dem Meister seinen Kriegsplan vor und bat um bestimmte Zusagen. Nun waren die Berechnungen des Hochmeisters aber nur dann zutreffend, wenn alles nach Wunsch ging. In verhängnißvollem Optimismus rechnete er nur auf Erfolge. Danzig, Elbing und Marienburg dachte er in raschem Ansturm zu nehmen, Thorn müsse ihm dann von selbst zufallen und ein Einfall in Polen sollte durch Mord, Raub und Brand den Feind also verderben, daß ihm Küche und Keller Preußen zu überziehen verbieten. Zugleich rechnete er auf Hülfe von Brandenburg, Unterstützung von Seiten des Deutschmeisters und Dänemarks, endlich auf ein Bündniß mit dem Großfürsten von Moskau. Die Kriegsmacht des Ordens in Preußen schlug er, viel zu hoch, auf 8000 Knechte und 2000 Reiter an. Auch der Papst und die Stände des Reiches würden ihn nicht in Stich lassen. Von P. wünschte er nun Rathschläge und bindende Zusagen für den Kriegsfall. Der Meister aber gab sich über den Erfolg des Unternehmens keinerlei Täuschungen hin; einmal über das Andere wies er auf die Unsicherheit der Combinationen hin, auf welche Albrecht baute, zugleich aber erklärte er seine Bereitwilligkeit zu helfen, wenn es ihm gelinge, die unerläßliche Zustimmung der livländischen Herren und Stände zu erlangen. Seine Zusage war demnach eine bedingte, nur für den Orden konnte er von sich aus Versprechungen thun, das übrige hing von den Gliedern der livländischen Conföderation ab. Die Nothwendigkeit, die Verhandlungen zu Memel streng geheim zu halten, erschwerte dem Meister außerdem ungemein die nöthigen Vorbereitungen zu dem Kampfe zu treffen, der, da der Entschluß Albrechts nun einmal fest stand, unvermeidlich war. Am 10. März 1517 war das russisch-preußische Angriffsbündniß zum Abschluß gelangt, welches dem Orden den Rücken sichern sollte, nicht ohne daß in Livland das Hin- und Hergehen der russischen und preußischen Boten Verdacht erregt hätte. Man fürchtete, daß der Moskowiter die Verhältnisse Livlands allzugenau erkunden könne und im gegebenen Falle zu seinem Vortheil und zum Verderben des Landes ausnützen werde. P. war unter diesen Umständen vor Allem bemüht, die Eintracht zwischen den hadernden Ständen wieder herzustellen und war im September 1518 so weit gediehen, daß er die Sache den Ordensständen d. i. der harrisch-wirischen Ritterschaft und der Stadt Reval vorzulegen beschloß. Die ganze Unternehmung wurde jedoch in Livland wenig beifällig aufgenommen. Als der Krieg zu Ende des Jahres 1519 zum Ausbruch kam, war die thatsächliche Hülfe, die man Albrecht leistete, eine sehr geringfügige. Die Prälaten sowie die stiftischen Ritterschaften verhielten sich, wie P. vorausgesehen hatte, [285] ganz ablehnend, die Städte lieferten Proviant und nur der Orden mit seiner Mannschaft griff in den Kampf ein; mehr als einige hundert geharnischter Reiter brachte aber auch er nicht auf. Dagegen suchte er diplomatisch zu vermitteln. Ein Bündniß mit Dänemark zur Unterstützung Albrechts gelangte zum Abschluß, an den Deutschmeister und an die Markgrafen von Brandenburg gingen Vorstellungen wegen der ausstehenden versprochenen Hülfe und an den Hochmeister die immer wiederholte Ermahnung, den – wie sich klärlich gezeigt habe – völlig aussichtslosen Krieg abzubrechen und den Frieden mit Polen um jeden Preis zu schließen. Daneben fanden dann sehr beträchtliche Geldunterstützungen statt, für welche sich P. freilich Gegenleistungen ausbedang, die für den deutschen Orden in Livland von höchster Bedeutung sein mußten. Es handelte sich um die endliche Anerkennung und Vollziehung der Urkunde Ludwigs von Erlichshausen, durch welche dieser im J. 1459, unter Verhältnissen, die eine überraschende Aehnlichkeit mit denen des Jahres 1520 zeigen, auf Harrien und Wirland zu Gunsten Livlands verzichtet hatte. Außerdem sollte die freie Wahl des livländischen Meisters vor allen ferneren Eingriffen Preußens gesichert werden. Beides geschah denn auch durch eine Urkunde Albrechts vom 9. August 1520, die jedoch absichtlich so gefaßt war, daß ihre Rechtsgültigkeit angestritten werden konnte. Es lag ihm daran, in der Frage um Harrien und Wirland einen Hebel zu haben, der jederzeit benutzt werden könne, um livländische Hülfsleistungen zu erzwingen. Reval sowohl wie die harrisch-wirländischen Ritterschaften erklärten denn auch auf Grund dieser Urkunde noch nicht in der Lage zu sein, dem Meister den Huldigungseid zu leisten, dazu bedürfe es erst genügender Entlassungsbriefe von Seiten des Hochmeisters.

Nun hatte Albrecht, wie P. nach Abschluß des polnisch-preußischen Stillstandes von 1521 erfuhr, dem Markgrafen Joachim von Brandenburg für eine Schuld von 35 000 fl. Livland verschrieben. Er drängte jetzt auf Bezahlung der Schuld durch die Livländer, nur unter dieser Bedingung sei der Entlassungsbrief zu haben. Endlich einigte man sich auf 24 000 Horngulden, die P. am 14. Januar 1525 in Grobin auszahlen ließ. Ende März hielt er dann seinen Einritt in Reval, um die Huldigung der Stadt und der harrisch-wirischen Ritterschaft entgegen zu nehmen. Er hätte wahrscheinlich die Zahlung nicht geleistet, hätte er gewußt, daß damals der Handel Albrechts mit Polen bereits so gut wie perfect war. Der Gesandte des Hochmeisters, Michael Drahe, hatte es verstanden, den alten Meister zu täuschen. Nicht volle drei Monate nach Abschluß dieser Verhandlungen um Harrien und Wirland fand dann die Aufhebung des deutschen Ordens in Preußen und die Säcularisation des Ordenslandes durch Albrecht statt, der nunmehr als Herzog von Preußen polnischer Lehnsmann geworden war. Wäre die definitive Lösung des nördlichen Esthland nicht vorher erfolgt, so hätte Polen eine stete Handhabe zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten Livlands gehabt. Die Livland gewährleistete Unabhängigkeit war theuer erkauft, aber so, wie die Verhältnisse lagen, nicht zu theuer. Eine Einigung Preußens mit Livland hätte nach der politischen Lage der Zeit einen allgemeinen Krieg in Osteuropa entzündet, dessen Folgen, so weit sich heute in rückschauender Betrachtung ermessen läßt, Livland mit dem Untergang seiner Selbständigkeit und seines Wohlstandes hätte büßen müssen. Herzog Albrecht hat trotzdem diese Vereinigung anzubahnen gestrebt und die auch in Livland zum Durchbruch gelangte Reformation mußte ihm dazu als Handhabe dienen.

Die zuerst in den Städten siegreiche reformatorische Bewegung hatte sowol unter den Ritterschaften als auch im Schooße des Ordens selbst zahlreiche Anhänger gefunden. Auf einen energischen Widerstand stieß ihre Ausbreitung erst, als, nach dem am 24. Juni 1524 erfolgten Tode des alten Erzbischofs Jasper [286] Linde, der Bischof von Dorpat, Johann Blankenfeld, auch auf den erzbischöflichen Stuhl in Riga erhoben wurde. Sein Bestreben, so weit seine Hand reichte, die Reformation gewaltsam zu unterdrücken, führte zu sehr bedenklichen Verhandlungen zwischen der Stadt Riga und Albrecht von Brandenburg und veranlaßte P., die ihm unter dem unverblümten Hinweis auf ausländische Herren und Fürsten, an welche die Stadt sich eventuell zu wenden gedenke, angebotene Schutzherrschaft über Riga anzunehmen. Er trat dadurch in entschiedenen Gegensatz zum Erzbischof, der jetzt jedes Mittel für erlaubt hielt, um sich die Wiedererwerbung seiner Metropole zu sichern. Die Maßregeln, die er zu diesem Behuf ergriff, grenzten hart an Landesverrath. Bei Kaiser und Papst suchte er um Bann und Acht wider die Anhänger der lutherischen Ketzerei nach und mit Moskau gingen Verhandlungen, von denen es hieß, daß sie den Abschluß eines gegen den Orden gerichteten Bündnisses bezweckten. Nun ließ P. alle Rücksicht fallen. Auf sein Geheiß besetzte die erzstiftische Ritterschaft die Häuser und Burgen Blankenfeld’s und nahm ihn selbst am 22. December 1525 in seinem Residenzschloß Ronneburg gefangen. Gleichzeitig traf der Meister alle Vorbereitungen, um sich vor einem etwaigen Angriffe von russischer oder polnischer Seite zu sichern. In Deutschland, Böhmen und Schlesien wurden Reiter und Knechte geworben und die Stände nach Wolmar zu einem Landtage berufen, um zu dem Vorgehen des Erzbischofs Stellung zu nehmen. Auf einer Vorversammlung zu Ruyen, an welcher P. selbst nicht theil nahm, wurde von Ritterschaften und Städten die Lage erwogen. Besondere Erbitterung erregte der Umstand, daß Blankenfeld Acht und Bann gegen Livland erwirkt hatte und ohne förmlichen Beschluß einigte man sich dahin, „daß man die Briefträger und Pfaffendiener in sothanen Sachen, wo man ihrer habhaft werde, aus dem Wege schaffen und vor den Thoren der Stadt aufhängen sollte“. Schon wegen geringerer Dinge habe man Missethäter vom Leben zum Tode am Galgen geführt und mit dem Rade gerichtet; das sei auch hier in Betracht zu ziehen. Der Gedanke gewann an Boden, sich des Erzbischofs ganz zu entledigen und P. zum alleinigen Herrn der Livlande zu machen.

Unter diesen Auspicien trat am 15. März 1526 der Landtag zu Wolmar zusammen. Auch hier war die Stimmung gegen Blankenfeld aufs Aeußetste erbittert, zumal die von einem Ausschuß der Stände geführte Untersuchung seine Schuld völlig erwiesen zu haben scheint. Blankenfeld, der ursprünglich persönlich zu erscheinen gedachte, um sich zu verantworten, kehrte auf halbem Wege um, als ihm P. sicheres Geleite nur gegen Gewalt und Ueberfall, nicht gegen Recht und rechtliche Erkenntniß zusagte. Trotzdem führte der Landtag nicht zu dem gewünschten Resultate. Das Anerbieten Dorpats, sich ihm in ähnlicher Weise zu unterwerfen, wie es Riga gethan hatte, wies der Meister zurück, da er sich überzeugen mußte, daß Blankenfeld sowol an den Prälaten im Lande, als an Polen und Preußen mächtige Fürsprecher hatte, auch ein Theil der erzstiftischen Ritterschaft, sowie der Dorpater Vasallen trotz Allem zu ihm hielt. Die Thatsache, daß der politische Conflict, sobald er gewaltsam ausgetragen wurde, zu einem religiösen werden mußte und daß dann alle Anhänger des Katholicismus im Lande und außerhalb desselben als Vertheidiger des Erzbischofs aufgetreten wären, ließ sich nicht übersehen. Auch war zu fürchten, daß der Großfürst von Moskau als Rächer seines Freundes erscheinen werde, während andererseits für den Fall, daß der erzbischöfliche Stuhl erledigt werden sollte, in dem Markgrafen Wilhelm von Brandenburg ein P. höchst unbequemer und wegen der Beziehungen Herzog Albrechts zu den livländischen Städten, gefährlicher Prätendent rasch in den vorderen Plan gerückt wäre. Wie immer P. die Sache anfassen mochte, die von einem Theil der Stände gewünschte Säcularisation [287] des Ordens und der Bisthümer und die Einigung der Livlande unter dem weltlichen Regimente des Meisters war nicht ausführbar. Bürgerkrieg und eine auswärtige Invasion wäre die unausbleibliche Folge gewesen. Es blieb, recht betrachtet, nur Eines übrig. P. mußte suchen, den Erzbischof dahin zu bringen, daß er sich freiwillig in eine Lage versetze, die ihn unschädlich machte. Die feindselige Stimmung des Wolmarer Landtages ist nach dieser Richtung von ihm ausgebeutet worden, so daß der Erzbischof, nach Verhandlungen, über deren Verlauf nur lückenhafte Aufzeichnungen erhalten sind, schließlich mit folgendem Antrag an P. herantrat: Als Erzbischof von Riga und Bischof von Dorpat wolle er auf dem nächsten gemeinsamen Landtage sich dem Orden „mit Rath und Eidespflichten“ unterwerfen, seine Suffraganbischöfe in Oesel, Reval und Kurland auch dahin persuadiren und darüber eine Confirmation von Papst und Kaiser in eigner Person aufbringen.

Auf einem zweiten Landtage zu Wolmar, dessen Receß vom 15. Juni 1526 datirt, ist auf dieser Grundlage der Frieden in Livland wieder hergestellt worden. Der Ordensmeister, der um diese Zeit gefürstet worden ist, trat damit in die Stellung eines Schirmherrn aller livländischen Stände und Lande und bei Verlust der Ehre und des Lebens wurde Jedermann verboten, die umliegenden Landschaften, oder ausländische Fürsten anzurufen. Blankenfeld, der unter dem Vorwande, die versprochene päpstliche und kaiserliche Confirmation zu erwirken, Livland verließ, ist nach mancherlei Intriguen am 9. September 1527 in der Nähe von Palencia in Spanien gestorben. Zu seinem Nachfolger wurde Thomas Schöning gewählt, ein Rigaer Domherr, in dem der Meister einen willigen Genossen zu finden hoffte. Da jedoch das ganze Bestreben Schönings dahin ging, seinem Erzstift die frühere Unabhängigkeit wieder zu gewinnen und hinter dem Rücken Plettenberg’s eine Verständigung zwischen dem Erzbischof und der Stadt Riga zu Stande kam, gingen die Früchte der Wolmarer Einigung wieder verloren. Schöning nahm den Markgrafen Wilhelm von Brandenburg zum Coadjutor und damit beginnt eine neue Phase in den livländischen Wirren, die weit über die Regierungszeit Plettenberg’s hinauswirkte. Vergebens suchte der Meister den Markgrafen fern zu halten, die lutherisch gesinnten Städte sahen in Wilhelm nur den Bruder des protestantischen Herzogs von Preußen, die Partei des Erzbischofs glaubte Garantien für die Katholicität des Coadjutors in Händen zu haben und so blieb dem allgemeinen Druck gegenüber, P. nichts übrig als nachzugehen. Das Bündniß von 1526 wurde in aller Form aufgelöst und getilgt, der Erzbischof erhielt die halbe Oberherrlichkeit über Riga zurück und nahm am 14. August 1530 die Huldigung der Stadt entgegen und im October desselben Jahres hielt auch Markgraf Wilhelm seinen Einzug in Livland. In den nun ausbrechenden Fehden und Händeln ist P. erfolgreich bemüht gewesen, den allgemeinen Brand zu verhindern. Das ist ihm denn auch gelungen. Das Resultat der religiösen Bewegung war die politische Gleichberechtigung beider Confessionen in Livland, ein Facit, das in dieser Weise nirgends in Europa durchgeführt worden ist. In den Städten herrschte die lutherische Lehre, auf dem flachen Lande überwog noch, so weit wir sehen können, die katholische. Stets ausgleichend und mit sorglicher Hand die Keime der mehr als einmal von außen her drohenden Gefahren beseitigend, hat P. so bis an sein Lebensende die Zügel nicht fahren lassen. Ihm ausschließlich ist es zu danken, daß Livland noch ein Menschenalter über sein Ende hinaus als deutscher Staat fortbestehen konnte. Ein Fundament für alle Zeiten zu legen war ihm nicht vergönnt. Er mußte auf einem Grunde bauen, der bereits unterhöhlt war. Die Stützen, die er errichtete, konnten nicht für die Ewigkeit halten. In solchen Sorgen ist er am 28. Februar 1535 nach 41jähriger Regierung gestorben. [288] In Wenden vor dem Altar der Johanniskirche traf ihn der Tod. Dort hat man ihn auch bestattet. Seine Büste, von Schwanthaler in Erz gegossen, steht in der Walhalla bei Regensburg.

Für die innere Entwicklung Livlands bedeutet die Regierung Plettenberg’s nach dem ersten schweren Jahrzehnt eine Periode hohen materiellen Aufschwunges. Der russische Handel ging nach der Aufhebung des Nowgoroder Hofes ganz auf die livländischen Städte über, die dadurch ihre Macht und ihren Reichthum wesentlich steigerten. Von den Ritterschaften wurde die Erblichkeit der Lehen auch in weiblicher Linie überall durchgesetzt, zugleich aber die Schollenpflichtigkeit der Bauern gegen den Protest der Städte fast überall zur Geltung gebracht. Die kriegerische Organisation des Landes wurde durch das auch in Livland stets mehr in den Vordergrund tretende Söldnerwesen wesentlich verändert. Nur der entschiedenen Haltung Plettenberg’s war es zu danken, wenn die innere Wehrkraft des Landes nicht ganz in Verfall gerieth. Dem wilden Fehdewesen, wie es in den geistlichen Stiftern im Schwange war, vermochte er nicht zu steuern. Namentlich die durch die Ankunft des Coadjutors Wilhelm von Brandenburg entzündeten Fehden haben nach dieser Richtung verhängnißvoll gewirkt.

Plettenberg’s Gestalt ist eine entschieden tragische. Er setzte seine ganze Manneskraft Verhältnissen entgegen, die übermächtig waren und erreichte doch nichts als eine Gnadenfrist für die dem Untergange geweihte livländische Selbstständigkeit.

Quellen u. Litteratur siehe bei Winkelmann, Bibliotheca Livoniae historica. Dazu Schiemann, Geschichte Livlands bis zum Tode Wolters v. Plettenberg, in der Allgemeinen Geschichte in Einzeldarstellungen.