ADB:Porbeck, Heinrich von
[439] ursprünglich den Namen Bödicker führte und kraft Adoption seines Vaters durch einen Oheim, den Namen v. P. erhielt, wünschte nicht, daß der Sohn seinen eigenen, den Militärstand, zum Lebensberuf wähle, fügte sich jedoch dessen Wunsche und ließ ihn in landgräflich hessen-casselsche Dienste treten, denen er selbst angehörte. Wissenschaftlich gründlich vorgebildet ward er, auf dem väterlichen Gute Groß–Englis, Kreis Burken, durch Hauslehrer unterrichtet, am 9. October 1787 Fahnenjunker beim Regiment Garde, 1790 Fähnrich beim Leib-Infanterieregiment und 1792 Generaladjutant des Generallieutenant von Wurmb. In dieser Stellung nahm er, zuerst bei Wurmb, dann bei den Generallieutenants von Biesenrodt und von Hanstein, am Kriege gegen die Franzosen bis zum Jahre 1795 theil. P. hatte die Feldzüge dieser Jahre nicht nur als tüchtiger Soldat, sondern auch als denkender und scharf beobachtender Officier mitgemacht. Für letzteres legt seine gehaltvolle „Kritische Geschichte der Operationen, welche die englisch-kombinirte Armee zur Vertheidigung von Holland in den Jahren 1794 und 1795 ausgeführt hat“, Zeugniß ab. Der erste Theil erschien 1802 zu Braunschweig, der zweite 1804 zu Königslutter. Seine Arbeit trug ihm vielfachen Tadel und Widerspruch ein; im Auftrage des Landgrafen, späteren Kurfürsten, schrieb Ochs (s. d.) dagegen; Strieder (s. unten) führt die Kritiken und Gegenkritiken an; sie traf aber im Allgemeinen das Richtige. Schon früher hatte er sich als Schriftsteller versucht, indem er Beiträge zu dem in Leipzig seit 1798 von J. F. Hoyer herausgegebenen „Neuen militärischen Journal historischen und scientifischen Inhalts“ lieferte und seit 1802 die „Neue Bellona oder Beiträge zur Kriegsgeschichte und Kriegskunst“ herausgab, von welcher bis 1806 in Leipzig zehn Bände erschienen sind. Seine Laufbahn hatte sich indessen nicht seinen Wünschen und Erwartungen entsprechend gestaltet. Er war freilich 1797 zum Quartiermeisterlieutenant im Generalstabe und 1801 zum Premierlieutenant ernannt worden, hatte aber schmerzlich empfunden, daß er im October 1801, als Inspections-Adjutant, in eine Stellung, welche er schon vor dem Kriege bekleidet hatte, nach Marburg versetzt wurde. Er trachtete daher, sich einen anderen Wirkungskreis zu verschaffen und stand deshalb in Unterhandlungen, als ihm durch Vermittelung eines Oberst von Baumbach, welcher ihn in den Niederlanden kennen gelernt hatte, der Antrag gemacht wurde, in badische Dienste zu treten. Er ging auf den Vorschlag ein und bat um seine Entlassung aus hessischen Diensten. Das dritte seiner den Abschied erbittenden Gesuche ward damit beantwortet, daß sein Kriegsherr ihn nach Cassel holen ließ und ihm die Ernennung zum Flügeladjutanten in Aussicht stellte; P. wartete aber, nach Marburg zurückgekehrt, die Verwirklichung dieser Zusage nicht ab, sondern zog, obgleich durch mancherlei persönliche Gnadenbeweise des nunmehrigen Kurfürsten, namentlich auch durch Geldunterstützungen, diesem verpflichtet, vor, ohne den Abschied erhalten zu haben, in den Dienst des Kurfürsten von Baden zu treten, welcher ihn als Capitän und Fügeladjutant anstellte. Ein Oheim Porbeck’s und sein militärischer Erzieher, Bernhard Wilhelm Wiederhold, welcher ebenfalls ohne Abschied den hessischen mit dem portugiesischen Dienst vertauschte und in letzterem als General gestorben ist, hatten ihm diesen Weg gewiesen. Sein neuer Kriegsherr verschaffte ihm indessen hinterher den Abschied. Gleichzeitig mit ihm vertauschten sein Vater und sein Bruder den badischen Dienst mit dem kurhessischen; ersterer starb als General 1807 zu Durlach, letzterer fiel am 30. März 1814 vor Paris.
Porbeck: Heinrich Philipp Reinhard v. P., großherzoglich badischer Generalmajor, ward am 15. October 1771 zu Cassel geboren. Sein Vater, welcherIn Baden lagen eigenthümliche und schwierige Verhältnisse vor. Es galt, in einem soeben aus sehr verschiedenartigen Gebietstheilen zusammengesetzten Staate eine einheitliche Truppe zu schaffen. Das frühere Baden hatte Soldaten nur in geringer Zahl mit ungenügender Organisation, Ausbildung und Ausrüstung [440] besessen, die Mannschaften hatten bisher lebenslang gedient, die älteren Officiere waren wenig brauchbar, die jüngeren willig, aber ungeschult; die Verwaltungsgeschäfte hatte eine aus Civilisten zusammengesetzte Kriegscommission wahrgenommen, welche unter der Hofkammer stand. Jetzt sollte eine straffe militärische Organisation eingeführt werden. Markgraf Ludwig („Prinz Louis“), ein Sohn des regierenden Großherzogs Karl Friedrich, 1830 als Großherzog gestorben, welcher in preußischen Diensten gestanden hatte, war ausersehen, diese Organisation in das Leben zu rufen. Es ward ihm die oberste Leitung aller Militärangelegenheiten übertragen; er war unmittelbar dem Kurfürsten unterstellt. Als Gehülfen standen ihm eine Anzahl von Officieren zur Seite, welche aus fremden Diensten, aus Preußen, Kurhessen, Hannover etc. gekommen waren. Den ersten Platz unter ihnen nahm P. ein, welcher am 27. September 1803 zum Mitgliede des Kriegsministeriums, am 12. Mai 1804 zum Major, am 4. October 1805 zum Generaladjutanten, am 28. October zum Oberstlieutenant und zum Commandeur der neuerrichteten Leib-Grenadier-Garde ernannt wurde. Mit letzterer, einem anderen Bataillon, einer Escadron und einer halben Batterie ward er im Juni 1807 nach Pommern gesandt; das Machtwort Kaiser Napoleon’s befehligte Rheinbundstruppen dorthin, um die Verbindungen des in Preußen stehenden französischen Heeres gegen etwaige Unternehmungen der Schweden zu decken. Mit diesem sogenannten Reservecorps nahm P. unter dem Marschall Brune an der Belagerung von Stralsund theil und kehrte, nachdem General von Cloßmann mit einer badischen Division von Danzig nach dort gekommen und die Festung am 22. August gefallen war, in die Heimath zurück, wo in Folge des Beitritts Badens zum Rheinbunde das Truppencorps auf französischen Fuß gesetzt werden mußte. Die P. daraus erwachsende Arbeit vermehrte sich noch, als er am 27. Januar 1808, nachdem Markgraf Ludwig seine Stelle niedergelegt hatte, zum Chef des Generalstabes ernannt wurde. Er blieb indessen in diesem Verhältnisse nur kurze Zeit, da auf Napoleon’s Geheiß die Leitung der sämmtlichen Militärangelegenheiten dem aus holländischen Diensten kommenden General von Geusau übertragen wurde. P. wurde nun auf ein anderes Feld der Thätigkeit berufen, indem er mit dem Commando eines Infanterieregiments und einer Batterie betraut wurde, welche Baden zum Kriege auf der pyrenäischen Halbinsel stellen mußte. Die ihm gewordene Aufgabe war um so schwieriger, als das Regiment für den Feldzug aus zwei anderen zusammengesetzt ward; es gelang ihm jedoch, dasselbe zu einem einheitlichen Ganzen zu gestalten, überall Ordnung und Mannszucht zu erhalten und den französischen Machthabern gegenüber seine Selbständigkeit leidlich zu bewahren. „Ce colonel est toujours à cheval sur les droits de son pays“, sagten seine Vorgesetzten und sogar dem Kaiser Napoleon trat er entgegen. Als dieser, in die Rechte seines Souveräns eingreifend, mehreren von Porbeck’s Untergebenen sagte „Je Vous nomme officiers“, übersetzte letzterer die Ernennung mit den Worten: „Im Namen Seiner königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden ernenne ich Sie zu Officieren.“ Im August 1808 aufgebrochen, dem 4. Armeecorps Lefebvre und der deutsch-holländischen Division Lewal zugetheilt, deren 1. Brigade die Badenser im Verein mit Nassauern bildeten, focht diese Brigade unter Porbeck’s Commando am 31. October bei Zornossa, am 18. November bei Balmaseda, zog im December mit Napoleon in Madrid ein und rückte Mitte Februar 1809 unter Marschall Victor nach der Provinz Estremadura ab; das Gefecht bei Val de Cannas am 19. und die Schlacht bei Medellin am 28. März waren für P. Tage besonderer Auszeichnung. Nachdem er darauf mit seiner Brigade an Expeditionen nach der Mancha und der Sierra Morena theilgenommen hatte, stand er bei Talavera de la Reyna den aus Portugal vordringenden Engländern gegenüber. An den Einleitungskämpfen des [441] 27. Juli zu der am 28. bei dieser Stadt geschlagenen Schlacht hatte P. keinen Antheil; am 28. aber wurde die Division um Mittag zum Angriff auf die in der Mitte der Schlachtordnung stehenden englischen Garden unter General Campbell befehligt. Indem er das Regiment zum Bajonettangriff vorführte, streckte ihn eine Kugel todt nieder; sie traf zugleich den Militärorden mit der Inschrift: „Für Badens Ehre“, welchen er um den Hals trug. Nach seinem Tode kam die Nachricht seiner Ernennung zum General an, welche auf Napoleon’s Veranlassung erfolgt war. Mit reichen Geistesgaben und vielen vortrefflichen Charaktereigenschaften verband P. eine höchst einnehmende Persönlichkeit. Sein Sohn, Friedrich v. P., gestorben 1867 als General, befehligte 1849 im Kriege gegen Dänemark das Bataillon, welches, allein unter allen badischen Truppentheilen, infolge seiner Abwesenheit von der Heimath die Revolution jenes Jahres überdauerte.
- F. W. Strieder, Grundlagen zu einer hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, XVIII, Marburg 1819. – F. v. Weech, Badische Biographieen, II, Heidelberg 1875. – Oesterr. militärische Zeitschrift. Wien 1838, 4 Band.