Zum Inhalt springen

ADB:Prel, Carl Freiherr du

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Du Prel, Carl Freiherr“ von Alfred Freiherr Mensi von Klarbach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 199–204, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Prel,_Carl_Freiherr_du&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 18:36 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Duncker, Max
Nächster>>>
Dürck, Friedrich
Band 48 (1904), S. 199–204 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Carl du Prel in der Wikipedia
Carl du Prel in Wikidata
GND-Nummer 118973061
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|199|204|Du Prel, Carl Freiherr|Alfred Freiherr Mensi von Klarbach|ADB:Prel, Carl Freiherr du}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118973061}}    

Du Prel: Carl Freiherr D., Dr. phil., geboren am 3. April 1839, † am 5. August 1899, philosophischer Schriftsteller, wissenschaftlicher Verfechter des Spiritismus (Occultismus). – Carl du Prel entstammte einem alten burgundischen Adelsgeschlechte, das nachmals in Luxemburg ansässig wurde. Er war als der zweite Sohn des kgl. bair. Notars Max Freihern du Prel zu Landshut in Niederbaiern geboren. Seine Eltern übersiedelten später nach München, dort besuchte er das Ludwigsgymnasium und wurde in die kgl. Pagerie aufgenommen. Auf Wunsch seines Vaters, der ein hervorragender Jurist war, aber gegen seine eigene Neigung, bezog er (1857) die Universität, um Jurisprudenz zu studiren und hörte daneben die für Juristen obligaten philosophischen Vorlesungen, die ihn schon damals mehr interessirt haben mögen als sein eigentliches Fachstudium, das er denn auch bald aufgab, um – da ihm die Eltern keine andere Wahl ließen – die militärische Laufbahn zu ergreifen. Die vorübergehende Mobilisirung (1859) gestattete dem Absolventen der kgl. Pagerie, sofort als Lieutenant einzutreten. Er lag in pfälzischen Städten, später in München in Garnison, machte 1866 die für Baiern unglückliche Schlacht bei Kissingen mit und wurde Oberlieutenant. Im großen Kriegsjahr 1870/71 wurde ihm als Hauptmann wegen seiner gründlichen Kenntniß des Französischen das Gefangenen-Depot in Neuburg a. D. anvertraut. Nach dem Feldzug nahm d. P. theils aus Gesundheitsrücksichten, theils um sich seinen geliebten Studien besser widmen zu können, seinen Abschied. Der ihm angeborene ernste wissenschaftliche Sinn war ihm selbst in den lustigsten Lieutenantstagen niemals abhanden gekommen. In seinen freien Stunden beschäftigte sich der junge Officier mit philosophischen Problemen und schrieb Kritiken über eben erscheinende bedeutende Bücher. In einem gleichgesinnten Freundeskreis, dem u. a. der Liedercomponist Robert Frhr. v. Hornstein, ein Schüler Rich. Wagner’s und Schopenhauer’s, Heinrich Noé, Martin Greif, Adolf Bayersdorfer angehörten, fand d. P. Verständniß und Anregung. Der Umgang mit wenigen guten Freunden, gute Bücher und die unerschöpflichen Schönheiten einer großen Natur standen ihm überhaupt Zeit seines Lebens weit höher als das gesellschaftliche Treiben hohlen Stadtlebens. Verschlossen [200] und wortkarg, konnte er im vertrauten Kreise bald aufthauen und kindlich heiter werden. Für seine Person äußerst bedürfnißlos, huldigte er in jener Zeit einer regen Wanderlust, die mit der heutigen Reisewuth freilich nichts gemein hatte. Im Winter 1873/74 wanderte er mit dem großen Naturschilderer Noé zu Fuß über die Tauern nach Venedig. Auf unbetretenen Reisewegen durchforschte er Tirol, Italien, Dalmatien und Montenegro, und eine Frucht seiner Wanderungen wurde sein, heute mit Unrecht nahezu verschollenes Buch „Unter Tannen und Pinien“ (Berlin 1875), das ihn heute noch in die erste Reihe unserer Reiseschriftsteller einordnen müßte.

Das erste aber, was d. P. überhaupt drucken ließ, war eine kleine Schrift, die in der Cotta’schen Vierteljahrsschrift (Mai 1868) erschien und „Oneirokritikon, der Traum vom Standpunkt des transcendentalen Idealismus“ betitelt war, und auf Grund welcher die Universität Tübingen ihm den Doctortitel verlieh. Ohne daß er es wohl ahnte, wurde der Traum und diese philosophische Erstlingsschrift für ihn fast zwei Jahrzehnte später zur Pforte, durch die er sein eigentliches Berufsfeld betreten sollte. Vorerst aber wandte er sich nach einer minder bedeutenden kleinen Brochüre „Ueber die Intelligenz des Zufalls und die Berechenbarkeit des Glücks“ (München 1870) der philosophischen Tagespolemik zu. Es war die Blüthezeit der Philosophie des Unbewußten, des heftigen Für und Wider Eduard v. Hartmann. D. P. trat damals mit einer geistsprühenden Abhandlung „Der gesunde Menschenverstand vor den Problemen der Wissenschaft; in Sachen J. C. Fischer contra Ed. v. Hartmann“ (Berlin 1872) entschieden für letzteren ein und lenkte dadurch zum ersten Mal die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf seine Person, vor allem natürlich die des Philosophen des Unbewußten selbst, der zuerst froh, einen solchen Streitgenossen gefunden zu haben, sich später freilich von ihm abwandte, als d. P. des Unbewußten müde und auch sonst vom philosophischen Industrialismus abgestoßen, bei Hartmann nicht stehen blieb. Einen Namen in der Wissenschaft machte sich d. P. eigentlich erst mit seinem ersten größeren Werk: „Der Kampf ums Dasein am Himmel“ (Leipzig 1873), das bis heute auch die meisten Auflagen erlebt hat; die dritte, stark vermehrte (1882) führt den Titel: „Entwicklungsgeschichte des Weltalls, Entwurf einer Philosophie der Astronomie“. In dieser und der später (1880) entstandenen kleineren Schrift: „Die Planetenbewohner und die Nebularhypothese“ machte d. P. den genialen Versuch, die Darwin’sche Theorie über unsere Erde hinaus auch auf die übrigen Weltenkörper auszudehnen, die natürliche Auslese auch als ein in jenen unendlichen Sphären geltendes Gesetz nachzuweisen und durch die geistvolle Hypothese einer merkwürdig einleuchtenden Organprojection die Möglichkeit von jenen Welten angepaßten Bewohnern zu construiren. Während die erstere Schrift die Naturwissenschafter von Fach, ja, selbst einen so groben, jedem Transcendenten abgewandten Materialisten wie Ludwig Büchner so entzücken konnte, daß dieser sich daraus Motti für sein Buch: „Kraft und Stoff“ zurechtmachte, die er freilich in einer späteren Auflage wieder tilgte, als er sah, wie wenig d. P. zu den Seinen gehören wollte – streiften die „Planetenbewohner“ bereits jenes mystische Gebiet, das er fernerhin nicht mehr verlassen sollte.

Für d. P. selbst war damals in seinem Leben wie in seinem Schaffen eine wichtige Wendung eingetreten. In Brixen am Eisack, wo er mit kurzen Unterbrechungen die Jahre 1876–1879 zubrachte, lernte er eine junge Wittwe kennen, mit der er sich 1880 vermählte. Seine Verheirathung mit einer vermöglichen Frau, die ihn ganz verstand und ihm alle täglichen Sorgen, ja, später auch die Erziehung der Kinder ganz abnahm, gestattete ihm, sich völlig [201] in seine Ideenwelt einzuspinnen und ausschließlich seiner geliebten Philosophie zu leben, unbekümmert darum, wie viel – oder besser gesagt – wie wenig sie ihm eintrug. Hätte d. P. um des lieben Brotes willen schreiben müssen, so wäre er vielleicht verhungert, denn er schrieb eben nur, wenn er etwas zu sagen hatte, ohne jede Rücksicht auf den materiellen Erfolg. Eine Lebensregel der Araber, daß der Mensch das Leben benützen soll, entweder einen Baum zu pflanzen, oder ein Kind zu zeugen oder ein Buch zu schreiben, war seine Lieblingsmaxime und er fügte stets hinzu, Eines hindere nicht das Andere. Er sah sich gesunde Kinder erblühen und hat uns ein Viertelhundert Schriften hinterlassen.

In das Jahr seiner Verheirathung fällt außer den „Planetenbewohnern“, die er auf der Hochzeitsreise vollendete, noch eine Schrift, die ihn uns auf scheinbar ganz fremdem Gebiete zeigt, das er später leider nie mehr betreten hat, auf ästhetischem. Seine „Psychologie der Lyrik“ (Leipzig 1880) bietet in knappem Rahmen eine Fülle feinsinniger Urtheile über deutsche Dichter und eine so tiefgründige, gewissermaßen intuitive Analyse der geheimnißvollen Vorgänge in der Seele des Dichters, daß man einen Forscher vor sich zu haben glaubt, der sich nie mit einem anderen Thema beschäftigt hat. Doch bedeutete das Buch nur einen gelegentlichen Excurs. – Es tritt nun eine fast fünf Jahre währende Pause ein, welche die letzte entscheidende Wendung vorbereitet. D. P. hat sich gelegentlich in seinen Schriften, dann auch in Briefen selbst darüber geäußert, wie er Spiritist geworden ist. Einem dieser letzteren entnehmen wir, daß ein Erlebniß, das er schon als Lieutenant in Germersheim hatte, den ersten Anstoß gab. Die Promotionsschrift „Oneirokritikon“ berichtet darüber. Philosoph wurde d. P. durch Schopenhauer, den er bis zuletzt hoch verehrte, wenn es auch sein heißestes Bemühen blieb, dessen blinden Willen zu einem denkenden und zugleich organisirenden transcendentalen Subject zu crystallisiren. Dagegen hat Hartmann nur insoferne Einfluß auf ihn gehabt, als er in der „Philosophie des Unbewußten“ „das Thor in die dunkle Grotte aufthat, in die ich eintrat, aber etwas ganz Anderes fand als er. Ich wollte dann (nach Darwin) den Spiritismus studiren, fand, daß er isolirt nicht studirt werden kann, ließ ihn liegen, studirte Magnetismus und Somnambulismus, d. h. das Hineinragen des Menschen in die Geisterwelt, statt des Hereinragens der Geisterwelt in die unsrige“. Experimente, die er in Wien miterlebte, brachten ihn wieder auf den Spiritismus. Und das Experiment unter den schärfsten Cautelen stand ihm bis zuletzt so hoch, daß er immer wieder klagte, es fehle ihm nur ein großes Vermögen, um nicht genöthigt zu sein, den Gegenstand immer wieder nur philosophisch und historisch zu behandeln. So ist er der Philosoph des Spiritismus geworden, wo er in Verkennung seiner sich niemals verleugnenden Begabung gern bloß der Experimentator gewesen wäre, immer von der Ansicht verfolgt, neue und immer neue Experimente könnten endlich jene gelehrte Welt überzeugen, die er so gern überzeugt hätte zu jener felsenfesten Gewißheit, die ihn keinen Augenblick mehr verlassen hat und die doch durch die gelungensten Experimente keinem anderen hätte mitgetheilt werden können, der nicht schon von vornherein geneigt gewesen, ihm zu vertrauen.

D. P. ist also, was nicht oft und scharf genug betont werden kann, von den Naturwissenschaften ausgegangen und von der Astronomie über Hypnotismus und Somnambulismus zum Spiritismus gelangt. Für die medicinische und forensische Bedeutung des Hypnotismus ist er (in der Schrift: „Das hypnotische Verbrechen und seine Entdeckung“, München 1889 und anderen) zu einer Zeit eingetreten, als die Wissenschaft, in Deutschland wenigstens, noch nichts davon wissen wollte. Er hat später die Anerkennung seiner Theorien [202] erlebt, nicht aber, daß man sich seiner als eines Bahnbrechers erinnert hätte. In seinem geistvollen Hauptwerke: „Die Philosophie der Mystik“ (Leipzig 1885), das auch ins Englische übersetzt wurde, ist von Spiritismus noch keine Rede, denn „Mystik“, ein nicht eben glücklicher Ausdruck, der irrig an die alte christliche Mystik erinnert, ist nur für die occulten, noch wenig erforschten Phänomene des Seelenlebens gewählt, aus denen d. P. sein transcendentales Subject herausconstruirt. Die Philosophie der Mystik bietet die Basis zu du Prel’s ganzer Philosophie: vom Traumleben und vom Somnambulismus ausgehend, führt der Verfasser einen Prachtbau von großartiger Kühnheit auf mit neuen überraschenden Gedanken und in einer Sprache von wahrhaft classischer Formvollendung. Seinem philosophischen Gehirn war die Entdeckung neuer Probleme stets ein wahres Fest. Wohl erstand ihm bald ein Heer von mehr oder minder ernsthaften Gegnern, aber seine vollkommene, ungeheuchelte Gleichgültigkeit gegen die Urtheile anderer, wo er glaubte, die Wahrheit gefunden zu haben, seine große Ehrlichkeit, der es niemals um den äußeren Erfolg, immer nur um die Sache selbst zu thun war, halfen ihm über alle Schwierigkeiten hinweg. Wie die Ethik die Blüthe jeder Philosophie ist, so ist auch das Schlußcapitel der Philosophie der Mystik voll erhabener ethischer Gedanken, und es wird immer bedauert werden müssen, daß sie in keinem der späteren Werke weiter ausgeführt worden sind.

Verhältnißmäßig rasch aufeinander folgten nun die ausbauenden Schriften: „Die Mystik der alten Griechen“ (Tempelschlaf–Orakel–Mysterien–Dämon des Sokrates) (Leipzig 1888), bei welcher d. P. durch seine colossale Belesenheit unterstützt, von den Fachphilologen aber auch viel bekämpft worden ist, „Die Entdeckung der Seele“ (2 Bde., Leipzig 1894/95), der schon 1890/91 eine Sammlung von „Studien aus dem Gebiete der Geheimwissenschaften“ (2 Thle., Leipzig) vorausgegangen war und 1899 „Die Magie als Naturwissenschaft“ (2 Thle., Jena) als letztes großes Werk folgte. Dazwischen hatte d. P. mehr zu didaktischen Zwecken, aber doch in der Handlung spannend, in den Naturschilderungen von blühender Anschaulichkeit, einen hypnotisch-spiritistischen Roman „Das Kreuz am Ferner“ (Stuttgart, Cotta 1891) geschrieben, der inzwischen die zweite Auflage erlebt hat. Dem großen Publicum trat d. P. ferner durch zwei kleinere populärere Schriften („Das Räthsel des Menschen“ und „Der Spiritismus) näher, die 1892 und 1893 in Reclam’s Universal-Bibliothek erschienen. Das letzte was d. P. schrieb war die im Selbstverlag herausgegebene Schrift: „Der Tod – das Jenseits – das Leben im Jenseits“ (1899), nicht sein reifstes Werk, aber – da schon die Schatten des Todes über ihm selbst schwebten – gewissermaßen ein zusammenfassendes Testament von rührender Eindringlichkeit. Rechnet man zu all dem noch verschiedene Gelegenheitsschriften, so zum Jubiläum Justinus Kerner’s, die Einleitung zu den von d. P. wiederentdeckten Vorlesungen Kant’s über Psychologie, in der er Kant fast gegen die gesammte Fachkritik für seine mystische Weltanschauung reclamirte, die nach seinem Tode erschienene, aber lang vorher entstandene Brochure: „Die vorgeburtliche Erziehung als Mittel zur Menschenzüchtung, ein Beitrag zur Lösung der socialen Frage“ (Jena 1899), und zahlreiche Bücherbesprechungen, Aufsätze polemischen, litterarischen, sogar politischen Inhalts – so haben wir ein Lebenswerk vor uns, wie es reicher und zielbewußter kaum mehr gedacht werden kann. Er arbeitete stundenlang mit Leichtigkeit ohne zu ermüden. Die Arbeit war ihm Lebensbedürfniß und es ist mehr als wahrscheinlich, daß der kleine, zart gebaute Mann mit dem prachtvoll gewölbten Schädel und den durchdringenden klaren Augen, der einst so luft- und lichthungrig zu wandern wußte, sich im Dienste seiner ihn ganz ausfüllenden Idee langsam am Schreibtisch [203] verzehrte, bis er bald, nachdem die deutschen und ausländischen Spiritisten seinen 60. Geburtstag zum aufrichtigen Schrecken des jedem Gepränge gründlich abholden Forschers festlich begangen hatten, unter einem tückischen Leiden rasch zusammenbrach und wie ein echter Philosoph in der geliebten tiroler Sommerfrische starb.

D. P. nannte sich einen überzeugten Spiritisten und mit der, vielen genialen Naturen gemeinsamen Einseitigkeit thaute der kleine Schweiger in den letzten Jahren fast nur mehr dann auf, wenn die Rede auf dieses eine Thema kam. Man wird dies im Interesse der reichen universalen philosophischen Anlagen dieses geistvollen Kopfes bedauern müssen, aber d. P. wurde vielfach gerade durch die wachsende Opposition auf dieses in seinen Augen gefährdetste Feld gedrängt, und wer ihm näher stand, wußte, daß fast der einzig völlig ernsthaft zu nehmende wissenschaftliche Verfechter des Spiritismus in Deutschland, als welcher d. P. in der Geschichte seinen Platz erhalten wird, mit jenen Excessen des professionellen Mediumismus und Spiritismus, der nach französischem und amerikanischem Muster sogar zu religiösen Zwecken ausgebeutet wird, nicht nur innerlich gar nichts gemein hatte, sondern daß er dieses theils lächerliche, theils widerliche Treiben von Grund der Seele haßte. Denn die Wahrheit ging ihm über alles, Unwahrheit war ihm einfach unverständlich. D. P. hat zahlreiche würdige und unwürdige, wissenschaftliche und unwissenschaftliche Gegner gehabt, aber unter all denen, die ihn persönlich kannten, wohl kaum einen Feind, denn sein ernster, wahrhafter Sinn, sein fast kindlich reiner Charakter, der jedem ohne Falsch, wenn auch mit einer gewissen Reserve entgegenkam, entwaffnete jeden. Er war eine durch und durch vornehme Natur, voll Vertrauen in seine Sache, an deren endlichen Sieg er glaubte. Er hatte in der Geschichte seiner philosophischen Vorgänger zu oft erfahren, daß die besten Ideen ihre Schöpfer überleben müssen, um zur Geltung zu kommen, als daß er auch bei mangelnder Anerkennung in seinem Vertrauen erschüttert worden wäre. In diesem Glauben ist er nach einem reichen Leben gestorben, und wenn eine ferne Zukunft das Lebenswerk du Prel’s auch nicht in seiner Ganzheit ratificiren sollte – die Keime seiner stürmischer als jede andere an die Pforten des Unendlichen pochenden Philosophie werden sicher unverloren sein.

Die biographische Litteratur über d. P. war bei seinen Lebzeiten nur sehr klein und hob sich erst einigermaßen anläßlich der Feier seines 60. Geburtstages und bald darauf seines Todes. Ungern nur schrieb er einmal zu seinem in einer obscuren Zeitschrift erscheinenden Bilde einen kurzen, unvollständigen Lebensabriß. Dagegen ist das in der „Geschichte des neueren Occultismus“ von dem jung verstorbenen Carl Kiesewetter (Leipzig Wilhelm Friedrich 1891) enthaltene 12. (Schluß-)Capitel S. 749 u. ff., das d. P. und seine Schriften behandelt, vielfach mit Zugrundelegung seiner eigenen brieflichen Angaben geschrieben. Zur 60. Geburtstagsfeier und nach seinem Tode sind zahlreiche größere und kleinere biographisch-kritische Artikel in deutschen und außerdeutschen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. Insbesondere haben sich du Prel’s schriftstellernde Freunde: Martin Greif, Dr. F. Wedel, Dr. Walter Bormann, Dr. Franz Riß nach dieser Richtung verdient gemacht. Der erste Nekrolog erschien in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung am Todestage selbst von dem Unterzeichneten, der später auch im „Biographischen Jahrbuch und Deutschen Nekrolog“ IV. Band 1900, herausg. von Anton Bettelheim (Berlin, Georg Reimer), sowie in dem von Karl Werckmeister herausgegebenen „Neunzehnten Jahrhundert in Bildnissen“ (Berlin, Photographische Gesellschaft. 4. Band) ein Lebensbild seines Freundes zu zeichnen versucht hat. Dieses letztere Unternehmen bringt auch das bestgetroffene Bildniß Du Prel’s. – Die Werke [204] Du Prel’s sind leider bei verschiedenen Verlegern zerstreut erschienen. Das meiste, wie angegeben, bei Ernst Günther in Leipzig, der nun gegen den ausdrücklichen Willen des Verstorbenen und seiner Hinterbliebenen eine Titelauflage „Ausgewählter Schriften“ veranstaltet hat, die mit Hinzuziehung einiger kleinerer, in anderem Verlage herausgekommener Schriften in ca. 20 Lieferungen Werke Du Prel’s in kunterbunter Reihenfolge enthält – eine Anordnung, die niemals ein Bild seiner Entwicklung geben kann, indem z. B. nebensächliche, spätere kleine Aufsätze an die Spitze, die naturwissenschaftlichen, ersten Schriften an den Schluß gestellt sind. Die Ausgabe ist mit einem minderwerthigen Bildniß des Verfassers und einer kleinen, nichtssagenden Lebensskizze „geschmückt“, ein verantwortlicher Herausgeber nirgends genannt. So ist denn leider diese vom Verfasser nicht autorisirte Sammelausgabe nur aufrichtig zu beklagen und man wird sich auch fernerhin an die ersten Einzelausgaben zu halten haben, bis sich – wenn auch erst in ferner Zeit – der sehnliche Wunsch Du Prel’s nach einer wohlgeordneten chronologischen und systematischen Gesammtausgabe erfüllt.