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ADB:Rümelin, Emil von

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Artikel „Rümelin, Emil von“ von Heinrich Rettich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 595–597, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%BCmelin,_Emil_von&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 00:01 Uhr UTC)
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Rümelin: Emil von R., Oberbürgermeister der württembergischen Haupt- und Residenzstadt Stuttgart, geboren am 21. Juni 1846 in Ulm, † am 24. März 1899 in Baden-Baden. Als Sproß der alten Familie Rümelin, welcher der württembergische Staat so manchen tüchtigen Beamten und Gelehrten zu verdanken hat, widmete sich auch Emil R. der Beamtenlaufbahn, nachdem er in Tübingen und Heidelberg Staats- und Finanzwissenschaften studirt hatte. Auf dieser von der württembergischen Cameralcarrière im übrigen nicht abweichenden Laufbahn war seine Abcommandirung als Stationscontrolleur nach Münster i. W. auf seine spätere Entwicklung von besonderem Einfluß. Denn es bot sich ihm dadurch Gelegenheit, auch norddeutsches Wesen sowohl im Beamtenthume wie im gesellschaftlichen Verkehr kennen zu lernen und zur Behandlung mancher engen schwäbischen Eigenart, die ihm in seinem späteren Wirkungskreis aufstieß, zu verwerthen. Ungleich bedeutungsvoller für seinen Entwicklungsgang wurde aber die im J. 1877 erfolgte Vermählung mit der hochbegabten Tochter des Rechtsanwalts Oesterlen[WS 1], eines der Führer der damaligen schwäbischen Demokratie vom alten Schrot und Korn. Diese Verbindung läuterte das durch lange Familientradition angeborene aristokratische [596] Selbstbewußtsein Rümelin’s zu jener vornehm-demokratischen Auffassung des öffentlichen Lebens, deren geschickte, insbesondere auch durch die Gattin in weiten gesellschaftlichen Kreisen verbreitete Kundgebung die Aufmerksamkeit des politischen Publicums der schwäbischen Hauptstadt bei dem Rücktritt des seitherigen Oberbürgermeisters auf R. lenkte und ihm den großen Sprung von der verhältnißmäßig unbedeutenden Stellung eines staatlichen Collegialraths zum ersten Beamten der Stadt ermöglichte. Am 18. November 1892 wurde R. nach einem heftigen Wahlkampfe gegen einen als Juristen und Politiker in conservativen und liberalen Kreisen hochgeschätzten und im Gemeindedienst schon bewährten Gegner mit großer Stimmenmehrheit zum Stadtschultheißen gewählt. Er erhielt am 28. December desselben Jahres die königliche Bestätigung, ein Jahr später den Titel Oberbürgermeister und bald darauf mit einer Ordensverleihung den persönlichen Adel.

Was weite Schichten der freisinnigen und socialpolitisch bedürftigen Einwohnerschaft Stuttgarts von dem neuen Stadtvorstand erwarteten, hat Oberbürgermeister R. in vollem Maaße erfüllt. Mustergültige städtische Einrichtungen verdanken ihm theils ihre Anregung, theils ihre Durchführung. Von jener krankhaft entwickelten Form des Selbstbewußtseins, die zum Theil als Folge einer wenig glücklichen Gemeindeverfassung die deutschen Ortsgewaltigen so leicht befällt und die sich darin besonders zeigt, daß sie allem zum Mindesten kühl gegenübertreten, was nicht ihrer eigenen Initiative entsprungen ist, hat sich R. zeitlebens freigehalten. Gerade dadurch, daß er jede Anregung, sei es durch Wort oder Litteratur, die er mit seinem scharfen Verstande als im Interesse der ihm anvertrauten Stadtverwaltung liegend erkannte, mit warmem Eifer, ja mit Begeisterung wie etwas Selbstgewolltes aufnahm und als glänzender Redner nachhaltig verfocht, hat er trotz seiner kurzen Amtsthätigkeit der mächtig aufblühenden schwäbischen Hauptstadt große Dienste geleistet. Unter seiner Verwaltung that diese Stadt die ersten Schritte in einen wirklich großstädtischen Ideen- und Bedürfnißkreis. Er war es auch, der insbesondere die kommenden großen Eingemeindungen als eine der allernächsten Zukunft vorbehaltene Nothwendigkeit erkannte, und wenn auch zunächst nur in privatem Freundeskreis vorbereitete. Manchem anderen guten Gedanken auf den verschiedensten Gebieten hat er von seinem gastlichen Hause aus, das er mit seiner geistvollen, auch als Schriftstellerin großes Ansehen genießenden Gattin Natalie bald zu einem Mittelpunkt des litterarischen und politischen Lebens in Stuttgart zu machen verstand, zum Siege verholfen und damit zugleich der Stellung des ersten Beamten der Stadt ein Prestige geschaffen, das sein amtliches Ansehen zu jener hervorragenden Position im öffentlichen Leben Stuttgarts ergänzte, die vor ihm kein anderer Bürgermeister der Stadt besessen hatte. Kam zu alledem eine hohe, imponirende Gestalt, eine wahrhaft glänzende Beredsamkeit mit tiefem Wohlklang der Stimme, endlich die leichte und geschickt ausgenützte Gabe, das, was ihn bewegte, auch litterarisch und journalistisch zu verfechten, so war es kein Wunder, daß er bald nicht nur den Stuttgartern selber, sondern auch vielfach auswärts als das Muster eines ebenso repräsentativen wie thatkräftigen deutschen Oberbürgermeisters erschien. Und wenn schließlich seine angeborene große Herzensgüte und sein gesunder herzerfreuender Humor in Verbindung mit den Erfolgen seiner Verwaltung seine politischen Gegner in kürzester Frist mit seiner Wahl sich versöhnen ließ, dann wird es begreiflich sein, daß sein allzu früher Tod in ganz Stuttgart und weit ins Land hinaus eine bedauernde Theilnahme erweckte, wie sie wohl noch keinem württembergischen Beamten im Nachruf vermerkt werden durfte. Am Tage der Beisetzung seiner Asche war ganz Stuttgart auf den Beinen, [597] und die gewaltige Trauerkundgebung, die sich entfaltete, zeigte in imponirender Weise, zu welcher Popularität eine große deutsche Stadtverwaltung ihr Oberhaupt erheben kann, wenn sie mit dem hohen Sinn und dem warmen Herzen eines R. geführt wird.

Chronik der Haupt- und Residenzstadt Stuttgart, Jahrgang 1899, S. 10–22.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. August Oesterlen (1819-1893), württembergischer Rechtsanwalt und Politiker; vgl. den Artikel in der Wikipedia.