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ADB:Reißner, Ernst

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Artikel „Reißner, Ernst“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 152–153, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rei%C3%9Fner,_Ernst&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 03:59 Uhr UTC)
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Reißner: Ernst R., geboren in Riga am 24. Sept. 1824, erhielt zuerst in der Asmuß’schen Lehranstalt, dann im Gouv.-Gymnasium seine Vorbildung und bezog im J. 1845 die Universität zu Dorpat, um Medicin zu studiren. Schon als Student zeichnete er sich durch Fleiß und Begabung aus, sodaß ihm für eine eingelieferte Preisarbeit die goldene Medaille ertheilt werden konnte. Im J. 1851 wurde R. nach Vertheidigung seiner Inauguralabhandlung (de auris internae formatione) zum Dr. med. promovirt und bald darauf als Prosector an der anatomischen [153] Anstalt, deren Chef damals B. Reichert war, angestellt. Zwei Jahre später habilitirte er sich und wurde zum außerordentlichen Professor ernannt. Als Reichert 1855 Dorpat verließ, um einem Rufe nach Breslau Folge zu leisten, wurde R. sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl der Anatomie in Dorpat. Wegen zunehmender Kränklichkeit, welche der Ausübung des Lehramtes hinderlich war, mußte R. schon 1875 seinen Abschied und seine Pensionirung sich erbitten. Er begab sich nach Kurland, um in ländlicher Stille Erholung zu suchen, aber sein Geist umnachtete sich bald, er starb am 16. September 1878. R. war ein ausgezeichneter, nüchterner und klarer Forscher, aber schweigsam, wortkarg und verschlossen. Häufige Krankheiten und viel häusliches Ungemach ließen ihn keine rechte Lebensruhe finden. Als Lehrer der Anatomie vermochte er seine Zuhörer nicht zu fesseln, doch regte er vielfach einzelne zu Specialuntersuchungen an. Seine anatomischen Arbeiten sind nicht zahlreich, aber doch so werthvoll, daß sie ihm einen ehrenvollen Platz in der Wissenschaft sichern. Von ganz hervorragender Bedeutung ist die Dissertation, in welcher zum ersten Male eine richtige Darstellung des häutigen Ohrlabyrinthes, insonderheit des häutigen Schneckenkanals gegeben wird. Die hier niedergelegten Resultate waren die Veranlassung, daß eine Wand der häutigen Schnecke den Namen Membrana Reissneri erhalten hat. Ebenso werthvoll sind seine Arbeiten über den Bau und die Entwicklung der Haare; die Abhandlung erschien zuerst lateinisch als Habiliationsschrift („Nonnulla de hominis mammaliumque pilis,“ 1853), dann deutsch („Beitrag zur Kenntniß der Haare des Menschen und der Säugethiere,“ Breslau 1854). Besonderes Verdienst hat sich R. um die Untersuchung des Rückenmarkes und Gehirns erworben. Nachdem er selbst das Rückenmark der Neunaugen untersucht und beschrieben (Reichert’s Archiv 1860), veranlaßte er, daß einige seiner Schüler die Arbeit fortsetzten; so bearbeitete Bochmann das Rückenmark der Maus, Traugott und Grimm das Rückenmark des Frosches und der Viper, Stieda das centrale Nervenssystem des Hechtes. R. selbst machte dann den Versuch, den Bau des Gehirns und Rückenmarkes des Frosches in ausführlicher Weise zu schildern (Dorpat 1864 mit 12 Tafeln), aber wiederholte Krankheit hinderte ihn, das Werk in geplanter Weise durchzuführen. Viele andere Arbeiten sind unvollendet geblieben.