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ADB:Rodt, Bernhard Emanuel von

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Artikel „Rodt, Bernhard Emanuel von“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 36–40, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rodt,_Bernhard_Emanuel_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 16:00 Uhr UTC)
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Rodt: Bernhard Emanuel v. R. (1776–1848) von Bern, stammte aus einer Familie, welche schon seit Jahrhunderten an der Leitung des bernischen Freistaats in höheren Ehrenämtern Antheil genommen hatte, und deshalb zu den patricischen Geschlechtern gerechnet wurde. Er wurde am 8. November 1776 geboren, sein Vater hieß Anton Emanuel, seine Mutter Katharina, geb. [37] v. Sinner. Er genoß den Vorzug, von einem ausgezeichneten Manne, dem Professor Johann Ith (s. A. D. B. XIV, 643) erzogen und unterrichtet zu werden; natürliche Wißbegierde und ein angeborener Trieb zu nützlicher Beschäftigung unterstützte die Aufgabe des Lehrers. Im J. 1793 wurde sein Vater als Landvogt nach Nyon im damals bernischen Waadtlande ernannt, aus der bisherigen bescheidenen Stille trat der 17jährige Jüngling in einen Kreis lebhaften geistigen und gesellschaftlichen Lebens. An den Ufern des Genfersees hielten sich damals viele Fremde, namentlich ausgewanderte Franzosen auf, und im Hause des Landvogts verkehrten der gewesene Minister Necker und seine Tochter, die Frau v. Stael, Benjamin Constant und Andere. Aber bereits regte sich bei R. die Neigung zur Kriegswissenschaft. Als 1796 die Eidgenossen zum Schutze ihrer Grenzen bei Basel gegen die kriegführenden Mächte einige Truppen ausrüsteten, bot er sich freiwillig zum Dienste an und wurde Zeuge der Belagerung von Hüningen; er stand vor den Thoren Basels, als in der Nacht vom 30. November auf den 1. December 1796 jener denkwürdige Sturm gegen den Brückenkopf am Rhein stattfand, in welchem der französische General Abbatucci fiel. Der Angriff von Seiten der kaiserlichen Armee war vom Schweizergebiet aus vorgenommen worden, ein Umstand, welcher der Schweiz schwere Vorwürfe zuzog. Das Jahr 1797 wurde wieder in Nyon zugebracht, wo unterdessen die Anzeichen der drohenden revolutionären Bewegung sich deutlich bemerkbar zu machen begannen. Die Gährung war bereits auf einen hohen Grad gestiegen, so daß der Landvogt seinen Beamten nicht mehr trauen durfte und seinen Sohn als Geheimsectetär verwendete. Dieser sollte ihn auch begleiten, als der Landvogt im Anfange December 1798 den durchreisenden General Bonaparte zu begrüßen angewiesen war. Allein bekanntlich hat Napoleon mit der auffallendsten Absichtlichkeit seine unfreundliche Gesinnung gegen die berner Aristokratie und alle ihre Glieder kundgegeben; ohne sich aufzuhalten, fuhr er in Nyon vorüber, um dann in Lausanne von der Bevölkerung als Befreier sich feiern zu lassen. Der Vorfall gab das Zeichen zur Umwälzung, offen unterstützte Frankreich die Umtriebe der unzufriedenen Waadtländer. Der Krieg brach aus, und am 14. Januar 1798 erhielt v. R. den Befehl über die einem bernischen Milizbataillon zugetheilte Artillerie, zwei Vierpfündergeschütze. Aber schon am 18. Januar war der Abfall der Waadtländer zur Thatsache geworden; auch der Landvogt von Nyon wurde vertrieben, und für die berner Armee konnte es sich nicht mehr um die Behauptung ihres Unterthanenlandes, nur noch um die Vertheidigung der alten Gebietsgrenzen handeln. Allein in ihrer eigenen Mitte regte sich, alles Vertrauen, alle Bande des Gehorsams lockernd, der revolutionäre Geist, den die Franzosen, der militärischen Action vorarbeitend, durch Schriften und Aussendlinge schürten. Als am 4. März, während der Friedensunterhandlungen und unter dem Bruch eines Waffenstillstandes, die Feindseligkeiten eröffnet wurden, hatten es die Angreifer nicht mit einem geordneten Heere, sondern nur noch mit den Ueberresten der in völliger Auflösung begriffenen Truppen und mit vereinzelten vergeblich kämpfenden Tapfern zu thun. Zu diesen Letztern gehörte v. R. Im sogenannten „Grauholz“, kaum 2 Stunden von Bern entfernt, wurde der letzte Versuch gemacht, mit wenig mehr als 900 Mann und 5 Kanonen die unter General Schaumburg von Solothurn heranrückenden Franzosen abzuwehren. Hier war v. R. aufgestellt und feuerte, seine wenig zahlreiche Mannschaft durch Wort und Beispiel an ihre Pflicht erinnernd, so lange, bis das Gefecht aufgegeben werden mußte. Nur durch einen Zufall sah er sich selbst vor den französischen Husaren gerettet, und nur durch ein Wunder entging er nachher dem Schicksal so vieler anderer Officiere, die von ihren eigenen, verzweifelten und Verrath schreienden Leuten umgebracht [38] wurden. – Bern war am 5. März durch Capitulation gefallen; den neuen Machthabern wollte v. R. nicht dienen, der französisch-helvetischen Armee um keinen Preis angehören. Begeisterung für die Kriegsthaten Friedrich’s d. Gr. erregte in ihm den Wunsch, unter preußische Fahnen zu treten. Rasch entschlossen ging er nach Berlin und erhielt auch glücklich eine Stelle als Fähnrich in einem Infanterieregiment in Breslau. Der Eintritt daselbst erfolgte im September 1798, und mit großem Eifer lebte er sich in seine neuen Pflichten ein, ermuthigt durch das freundschaftliche Verhalten seiner Cameraden, unter denen er namentlich seinem Hauptmann v. Haugwitz ein dankbares Andenken bewahrte. Eine Urlaubsreise im Anfang 1799 gab Gelegenheit, in Potsdam das Grab des großen Königs zu besuchen und an der Hoftafel auch noch einige aus dessen Zeiten übrig gebliebene Berühmtheiten in der Nähe zu sehen. Allein während Preußen ruhig blieb, eröffneten Oesterreich und Rußland ihren Feldzug gegen die französische Republik, und eine Anzahl ausgewanderter Schweizer, von den nämlichen Gesinnungen beseelt wie v. R., hatten sich unter der Führung eines Bern ergebenen waadtländischen Edelmanns, v. Roverea, zu der „treuen Legion“ zusammengeschlossen. Sie standen in englischem Solde, unter österreichischem Oberbefehl, und hofften so zur Befreiung der Schweiz von der Franzosenherrschaft mitwirken zu können. R. ließ sich zum Beitritt bewegen, er verlangte und erhielt seinen Abschied aus der preußischen Armee, um sich, im April 1800, nach Augsburg zu begeben. Er erfuhr bittere Enttäuschungen, er traf die Oesterreicher bereits im Rückzug begriffen, und statt gegen die Feinde seines Vaterlandes die Waffen tragen zu dürfen, wurde er nach Ulm, nach Ingolstadt, und schließlich nach Böhmen verlegt, wo er, längere Zeit in einem einsamen Dorfe stationirt, aus Langeweile die böhmische Sprache erlernte; er übernahm einen Auftrag, der ihn nach Tirol führte, kam vorübergehend nach Wien, dann wieder in die Nähe von Cilli, bis endlich das Regiment v. Roverea aufgelöst wurde. Der größere Theil der Mannschaft trat, etwa 1000 Mann stark, als Regiment v. Wattenwyl, in englische Dienste; die Soldaten dieses Regiments waren Schweizer, aber auch Deutsche und selbst Franzosen, die Officiere meistens Berner, unter ihnen v. R. als Oberlieutenant. Zunächst begann ein mühseliger, 13tägiger Marsch bis Triest, hier, am 7. Juni 1801, die Einschiffung auf sieben gemietheten Schiffen, und dann eine Seefahrt von 32 Tagen durch das Adriatische Meer, um Calabrien und Sicilien herum nach Malta, wo die eigentliche Organisation und Uniformirung des Regiments stattfinden sollte. Statt nach Aegypten, wie man erwartet hatte, ging es nach der Insel Elba. Gestützt auf den Vertrag vom 28. März 1801 hatte Napoleon diese Insel in Besitz genommen; nur die Festung Porto-Ferrajo verweigerte die Uebergabe, deren Commandant der schon bejahrte aber wackere Oberst v. Fisson, ein geborener Lothringer, war. Ein Theil des neugebildeten Schweizer-Regiments wurde zur Verstärkung der dortigen Besatzung bestimmt, und unter ihnen war v. R. Am 2. August traf er in Porto-Ferrajo ein und hatte nun, neben Truppen, die aus Toskanern, Ungarn, Engländern, Deutschen, Piemontesen, Franzosen und Elbanern zusammengesetzt waren, beinahe drei Monate lang die heftige Belagerung und Beschießung dieses Platzes über sich ergehen zu lassen. Während derselben hat v. R. ein Tagebuch geführt, das über die Ereignisse jedes Tages aufs genaueste Bericht erstattet; namentlich tritt hier hervor die Erzählung des großen, infolge von Unordnung und Mißverständniß mißlungenen Ausfalls vom 14. September, bei welchem die Schweizer-Officiere die Ehre des Tages zu retten hatten, und das Bombardement, durch welches die Franzosen am 24. September ihren „heidnisch-republikanischen“ Festtag begingen. Endlich, als die Besatzung bereits in ihren Kasematten hatte Schutz suchen müssen, kam am 28. October [39] die Nachricht, daß Alexandrien den Engländern übergeben, der Feldzug beendet und der Friede abgeschlossen sei. Die nun eingetretene Waffenruhe benutzte v. R. zu wiederholten Ausflügen ins Innere der merkwürdigen Insel und zu Beobachtungen aller Art, die er in seinem Tagebuche sorgfältig sammelte. Am letzten Tage des Jahres 1801 schifften die Schweizer sich wieder ein, verdrießlich darüber, daß die von ihnen vertheidigte Insel durch den Frieden von Amiens nun doch an Frankreich übergehen mußte. Von neuem stand das künftige Geschick des Regiments v. Wattenwyl in Frage; es war von Versetzung nach Indien die Rede, doch zunächst ging es wieder nach Malta. Die Fahrt verschaffte v. R. nicht bloß die Möglichkeit eines Besuchs in Palermo, sondern gab ihm auch Gelegenheit, einen Beweis moralischen Muthes abzulegen, indem er dem gewaltthätigen Capitän seines Transportschiffes gegenüber gegen die widerrechtliche Bestrafung eines Unterofficiers kräftigen Protest erhob. Auch Malta, wo die Truppe am 4. Februar wieder eintraf, wurde von v. R. nach allen Richtungen durchstreift; eine längere Reise führte ihn sogar mit seinem jungen Schweizerfreunde v. Roverea, einem Sohne des früher genannten Obersten, noch einmal nach Sicilien hinüber, nach Syrakus und auf den Krater des Aetna hinauf, nach Messina und nach Taormina, als die Nachricht von dem kurz nach einander erfolgten Tode seiner beiden Eltern ihn bewog, den englischen Dienst zu verlassen und in die Heimath zurückzukehren. Hier traf er in dem Augenblicke ein, im September 1802, als ein Aufstand des schweizerischen Volkes die helvetische Regierung austrieb; doch zur Theilnahme am Kampfe kam er zu spät. Er blieb nun in Bern, verheirathete sich mit Fräulein Elisabeth Graffenried vom Schlosse Burgistein, und übernahm das seiner Neigung entsprechende Amt eines Secretärs des bernischen Kriegsraths. Der Einfall der alliirten Mächte in die Schweiz, im December 1813, rief ihn vorübergehend wieder zu militärischer Thätigkeit, und im Mai 1815 stand er wieder als Artillerieunterofficier unter den Waffen; allein die einzigen Schüsse, die er diesmal abzugeben hatte, waren die Freudenschüsse, mit denen man die Nachricht von der Schlacht bei Waterloo feierte. Freiwillig nahm er endlich noch an der zweiten Belagerung von Hüningen theil, wo er den Erzherzog Johann kennen lernte, bis endlich, am 28. August, auch hier der Kampf eingestellt wurde. Es begann der zweite, friedliche Theil seines Lebens. Die Beschlüsse des Wiener Congresses hatten dem Kanton Bern den größten Theil des ehemaligen Fürstbisthums Basel als Ersatz für andere abgetrennte Gebiete zugewiesen. Die meist katholische und französisch sprechende Bevölkerung dieser Gegenden hatte wenig gemein mit dem alten Bernerlande und es erforderte ganz besondere Sorgfalt in der Auswahl der Beamten, welche deren Verwaltung übernehmen und die Vereinigung thatsächlich durchführen sollten. Am 13. December 1815 fand die Bezeichnung derselben statt und v. R. wurde zum Oberamtmann des Bezirkes Münster ernannt, des einzigen, der, seit mehreren Jahrhunderten mit Bern verbündet, sich des neuen Anschlusses freute. Die Aufgabe war dessen ungeachtet eine schwierige. War das Regiment der Fürstbischöfe in den Thälern des Jura ein sehr mangelhaftes gewesen, so hatten die Jahre der Revolution und der französischen Herrschaft große Unordnungen einreißen lassen, und auf allen Gebieten galt es, Neues zu schaffen: Das Gerichtswesen mußte organisirt, die Gemeindeadministration eingerichtet, das Heimathrecht neu geregelt werden, Staatsgebäude und Straßen wurden gebaut, das Kirchen- und Armenwesen geordnet und der Landwirthschaft eine neue Bahn angewiesen. Die Theurungszeit, die auf die Kriegsjahre folgte und bis 1817 dauerte, diente nicht dazu, diese Aufgabe zu erleichtern. Doch erwarb sich v. R. die vollkommene Achtung seiner Oberen, wie seiner Untergebenen, und er konnte mit Befriedigung zurückblicken [40] auf das, was ihm gelungen war, als er im April 1822 am Ende seiner gesetzlichen Amtsdauer nach Bern zurückkehrte. Hier wurde er, unterdessen verwittwet, wieder für öffentliche Dienste in Anspruch genommen; er wurde Mitglied des Obergerichts und mehrerer Verwaltungsbehörden, bis die Umwälzung von 1831, mit welcher er sich nicht befreunden konnte, ihn zum Rücktritt aus allen Staatsdiensten bewog. Von jetzt an beschränkte er sich ausschließlich auf eine Beschäftigung, zu welcher ihn längst eine entschiedene Neigung hingezogen hatte, diejenige mit der Geschichtsforschung. Als Secretär des Kriegsraths hatte er mit den Militärarchiven von Grund aus sich bekannt gemacht und war dann, 1811, einer der Mitstifter der „Schweizerischen Geschichtesforschenden Gesellschaft“ gewesen. In den Jahren 1831–34 veröffentlichte er die „Geschichte des Bernischen Kriegswesens“ in drei Bänden mit einem kleinen Atlas, durchaus aus den archivalischen Quellen geschöpft; 1837 gab er die Erzählung des Stadtschreibers Thüring Frikart (s. A. D. B. VIII, 89) über die Geschichte des sogenannten „Twingherrenstreites“ von 1470 mit Anmerkungen heraus; 1843–44 folgten „Die Feldzüge Karls des Kühnen, Herzogs von Burgund und seiner Erben, mit besonderem Bezug auf die Theilnahme der Schweizer an denselben“, 2 Bände mit Karten und Plänen, ein Werk, das durch Benützung ganz neuer, namentlich ausländischer Quellen ausgezeichnet, in mancher Beziehung noch heute maßgebend ist. Die meisten seiner kleineren Arbeiten aber erschienen in der von der oben genannten Gesellschaft herausgegebenen Zeitschrift, dem „Schweizerischen Geschichtsforscher“, die während einer Reihe von Jahren ganz vorzüglich v. Rodt’s unermüdlicher Thätigkeit ihren Werth und ihre bleibende Bedeutung verdankte. Im J. 1842 ernannte die Gesellschaft ihn zu ihrem Präsidenten. Er starb am 19. August 1848. Von seinen sechs Kindern hinterließ er nur noch drei am Leben, der eine seiner Söhne war 1843 als Missionär in Calcutta, ein zweiter 1846 als Pflanzer in Brasilien gestorben. v. R. war eine sittlich ernste, außerordentlich gewissenhafte und tiefreligiöse Natur; er besaß in hohem Grade diejenige Eigenschaft, die man als „Tüchtigkeit“ bezeichnet. Diesen Charakter tragen auch seine historischen Schriften; nicht Geistreichheit und Glanz der Form, sondern der Ernst der Forschung und die Zuverlässigkeit der Quellenbenützung zeichnet sie aus, aber gerade deshalb sind sie auch heute noch brauchbar. Ein Theil der ungedruckt gebliebenen Arbeiten ist im Besitze seiner Familie; die hiernach zu nennende Lebensbeschreibung gibt ein vollständiges Verzeichniß derselben.

L. Wurstemberger, Bernh. Em. v. Rodt, Lebensbild eines[WS 1] Altberners als Soldat, Staatsdiener, Geschichtschreiber. Bern 1851, mit 3 Plänen. – K. Müller, Die letzte Tage des alten Bern. Bern 1886. – v. Rodt’s Tagebuch und schriftlicher Nachlaß.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eine