ADB:Saldern, Christoph von
Fürsten von Anhalt-Zerbst, des Vaters der Kaiserin Katharina II. von Rußland, in den Dienst, ward aber 1739 seiner Leibeslänge wegen – er maß 6 Fuß und 13–14 Zoll – zur Potsdamer Riesengarde versetzt. Als Friedrich der Große dieselbe im folgenden Jahre auflöste, kam er als Premierlieutenant zum 2. Bataillon der neuen Garde; mit dieser nahm er an des Königs Kriegen theil. Im 1. Schlesischen Kriege wohnte er den Belagerungen von Brieg und Neiße bei und focht bei Chotusitz; nach Friedensschluß erhielt er eine Compagnie, welche er im 2. Schlesischen Kriege bei der Belagerung von Prag und in den [212] Schlachten bei Hohenfriedberg und bei Soor befehligte, 1749 ward er Major. Als solcher zog er in den Siebenjährigen Krieg. Hier wohnte er 1757 der Belagerung von Prag und der Schlacht von Roßbach bei und erwarb bei Leuthen, wo er zur Eroberung des Dorfes Leuthen wesentlich beitrug, den Orden pour le mérite. Bei Hochkirch, am 14. October 1758, befehligte er, zum Oberstlieutenant ernannt, eine Brigade, und zeichnete sich hier bei der Deckung des Rückzuges und auf dem ferneren Marsche nach Schlesien so aus, daß der König ihn, ohne daß er Oberst gewesen wäre, zum Generalmajor ernannte. „S. habe Kopf und Herz gezeigt“ sagte der König und verhieß gleichzeitig, daß dies nur der Anfang seines Avancements sein solle. Bald darauf verlieh er ihm das Garde-Grenadierbataillon. Neuen Ruhm erwarb S. am 15. August 1760 bei Liegnitz, wo er bei Laudon’s nächtlichem Angriff mit seinen gut geordneten Bataillonen rasch eine günstige Stellung nahm und standhaft behauptete, und namentlich am 3. Novbr. bei Torgau, wo er zu denen gehörte, welche Zieten bestürmten, neue Versuche zum Gewinn der fast verlorenen Schlacht zu machen und durch seine Theilnahme an der Erstürmung der Siptitzer Höhen viel dazu beitrug, daß der Versuch mit Erfolg gekrönt wurde. Dann aber kam des Königs Ungnade über S. Um dem Kurfürsten von Sachsen an einer möglichst empfindlichen Stelle wehe zu thun und ihn zur Vermittlung des Friedens mit Preußens Gegnern geneigt zu machen, beschloß der König, den Kurfürsten an einer möglichst empfindlichen Stelle zu fassen, indem er das prächtigste seiner Schlösser, „des Königs von Polen Herzblatt“, Hubertusburg, ausräumen ließe. Zur Vollziehung seines Befehls wählte er S., weil er überzeugt war, daß dieser den Auftrag mit Entschiedenheit, aber auch unter Aufrechterhaltung der Mannszucht, vollziehen würde. Im Februar 1761 ließ er ihn rufen und befahl ihm, das Schloß zu besetzen, den Hausrath einpacken zu lassen und fortzuführen. „Ich will nichts davon haben; ich werde das daraus gelöste Geld dem Lazareth assigniren und Ihn nicht vergessen“. S. weigerte sich; einen solchen Auftrag auszuführen streite wider seine Ehre und seine Pflicht. Friedrich drang weiter in ihn; aber S. blieb standhaft, der König entließ ihn endlich mit den Worten: „S., Er will nicht reich werden“ und übertrug die Aufgabe dem Oberst v. Quintus-Icilius (s. A. D. B. X, 104), S. aber verließ das Heer und blieb bis zum Friedensschluß den Kriegsereignissen fern. Dann war des Königs Zorn verraucht; als 1763 den einzelnen Theilen des Heeres Inspecteure vorgesetzt wurden, erhielt S. diesen wichtigen Posten in Ansehung der im Herzogthum Magdeburg und in der Altmark garnisonirenden Infanterie; 1766 ernannte ihn der König zum Generallieutenant und verlieh ihm nach des Herzogs Ferdinand von Braunschweig Ausscheiden aus dem Dienst dessen Regiment sowie den Schwarzen Adlerorden. S. war der Begründer der nach ihm benannten „Saldern’schen Taktik“, derjenigen Fechtweise, welche, an und für sich schon erkünstelt und unnatürlich und nicht mehr den Bedürfnissen des Krieges Rechnung tragend, als sie unter ganz anderen Verhältnissen im J. 1806 zur Anwendung gebracht werden sollte, versagte und dazu beitrug, Preußen und sein Heer an den Rand des Verderbens zu bringen. S. hatte diese Fechtweise aber nicht geschaffen; er war überhaupt kein schöpferischer Geist, sondern verstand nur, des Königs Gedanken zur Anschauung zu bringen und die in dessen Feldzügen erprobten Formen auf dem Exercierplatze zur Anschauung zu bringen, Formen, welche dem damaligen Wesen des Krieges entsprachen, aber schon zu des Königs Zeiten ausarteten und, als man sie später wieder anwenden wollte, veraltet und unbrauchbar waren. S. selbst war ein Meister in der Truppenverwendung auf dem Exercierplatze, aber er verfiel schließlich in Spielereien und seine Manöver arteten zur Unnatur aus. Am besten kennzeichnet ihn sein Ausspruch, daß reichliches Nachdenken und vielfache [213] Beobachtung ihm die Ueberzeugung verschafft hätten, ein Schrittmaß von 75 Schritt in der Minute sei noch besser als das von 76. Seine Ansichten über Taktik hat er in „Taktik der Infanterie“, Dresden 1784, deren 1. Abtheilung „die Bewegungen, woraus Manövers entstehen und zusammengesetzt sind“ und deren 2. „die Stellung und Bewegung eines großen Corps“ zum Gegenstande hat, und „Taktische Grundsätze“, Dresden 1786, beide ohne Nennung seines Namens erschienen, niedergelegt. Uebrigens fanden seine Ansichten schon bei seinen Lebzeiten und bald nach seinem Tode Gegner. Berenhorst nennt ihn den erhabenen Obermanöveristen und schildert ihn, wie er sich taktische Räthsel aufgibt, welche er selbst nicht lösen kann. In seinem Privatleben war S. untadelhaft. Er war gottesfürchtig, pflichttreu, wohlwollend und von vornehmen Gesinnungen, die er in seiner Garnison Magdeburg mit Vorliebe pflegte. Dort ist er am 14. März 1785 gestorben. Er war dreimal vermählt, hinterließ aber keine Kinder.
Saldern: Friedrich Christoph v. S., preußischer Generallieutenant, aus altem niedersächsischen Geschlechter stammend, ward am 2. Juni 1719 geboren. Sein Vater war damals Oberstwachtmeister und Commandeur eines in Colberg in Garnison stehenden Bataillons, seine Mutter war eine geborene v. Holtzendorf, er selbst trat 1735 in Stettin als Fähnrich bei dem Infanterieregiment des- Feldprediger Küster, Charakterzüge des General von S., Berlin 1793. – C. v. Reinhard, Geschichte des 1. Garde-Regiments zu Fuß, Potsdam 1852. – C. H. Goeroldt, Geschichte des Geschlechts von S., Oschersleben 1865. – C. Freiherr v. d. Goltz, Roßbach und Jena, Berlin 1883. – Genealogisch-militärischer Kalender, Berlin 1785.