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ADB:Saldern, Kaspar von

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Artikel „Saldern, Kaspar von“ von Gottfried Heinrich Handelmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 213–215, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Saldern,_Kaspar_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 07:44 Uhr UTC)
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Saldern: Kaspar v. S., geboren zu Apenrade am 11. Juli 1711, aus einer schleswig-holsteinischen Beamtenfamilie, welche ihre Herkunft von einem ritterlichen Geschlecht des Bisthums Hildesheim ableitete; studirte in Kiel und Göttingen Jurisprudenz und trat darauf in den holstein-gottorpischen Staatsdienst. Als Justizrath und Amtsverwalter zu Neumünster gerieth er 1744 mit seinem Vorgesetzten, dem Amtmann Graf von Dernath in Conflict, wurde aber „genugsam gerechtfertigt“, März, und im December sogar mit den combinirten Geschäften – als Amtmann und Amtsverwalter betraut. Doch sein Ehrgeiz strebte nach höheren Dingen. Die öffentlichen Verhältnisse im Herzogthum Holstein-Gottorp waren damals durchweg unerfreulich; der Herzog Karl Peter Ulrich, seit 1742 Großfürst-Thronfolger von Rußland (Peter III.), residirte in Petersburg, und das sog. Geheime Conseil zu Kiel, welches die Regierung führte, war ein Tummelplatz des Parteigeistes und der Intrigue. Obwohl es den Beamten strenge untersagt war, ohne Erlaubniß nach Petersburg zu gehen, wagte S. diese Reise und erbat bei dem Großfürsten Gehör (1751 oder 1752). Es fehlt an zuverlässigen Nachrichten; aber soviel ist gewiß, daß er damals schon die Verbindungen mit der Großfürstin Katharina (II) und mit Panin, nachmals Oberhofmeister des jungen Großfürsten Paul Petrowitsch und Minister des Auswärtigen, anknüpfte, welche für seine nachmalige staatsmännische Laufbahn entscheidend wurden. Er kehrte als großfürstlicher Etatsrath nach Holstein zurück, wo er nach und nach den überwiegenden Einfluß auf die Landesverwaltung gewann; auch stieg er auf zum Geheimen Rath und Mitglied des Geh. Regierungs-Conseils, welche Stellung er 1766 mit der eines Präsidenten des sog. General-Directoriums vertauschte. Doch seine größte Bedeutung liegt auf dem Felde der Diplomatie. Im Sommer 1762 wurde S. zu einem der Bevollmächtigten für die Berliner Friedensconferenz ernannt, welche unter preußischer Vermittlung den Streit zwischen Peter III. und der Krone Dänemark wegen seiner Ansprüche auf Schleswig beilegen sollte; aber als die erste Sitzung am 19. Juli stattfand, war der Kaiser bereits entthront und ermordet. Der französische Geschichtsschreiber und Augenzeuge jener Thronumwälzung und der polnischen Händel, de Rulhière, anerkennt rühmend Saldern’s Geschäftsgewandtheit, fügt aber hinzu: „Dépourvu de tout usage du monde, il joignit la grossièreté d'un paysan Holstenois à la pédanterie [214] d'un professeur Allemand. Und König Friedrich II. von Preußen (oeuvres posthumes Bd. V, S. 23 ff.) erzählt, daß später in der polnischen Frage S. versucht habe, ihm gegenüber eine Rolle zu spielen, wie der römische „Prätor Popilius gegenüber dem syrischen König Antiochus; was eine ernste Zurückweisung nach sich zog. Mit mehr Erfolg spielte S. dieselbe Rolle in Polen und Dänemark. In Warschau 1766 als Beirath des russischen Botschafters Repnin, später selbst russischer Botschafter, April 1771 bis September 1772, hat er den König Stanislaus, den Reichstag und alle Parteien mit unglaublicher Schonungslosigkeit mißhandelt, aber doch am Ende eine schnelle Pacification Polens unter russischer Dictatur nicht durchzusetzen noch die beiden Nachbarmächte Preußen und Oesterreich von der Einmischung und Theilung der Beute auszuschließen vermocht. Was Dänemark anbetrifft, so führte S. neben Panin die Unterhandlungen über den von dänischer Seite gewünschten Austausch des Herzogthums Holstein-Gottorp gegen die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst, welche (nebst dem Bisthum Lübeck) Katharina II. zur Ausstattung der jüngeren, jetzt großherzoglich oldenburgischen Linie des gottorpischen Hauses bestimmte. Wenn die russische Politik, welche seit Peter dem Großen bemüht gewesen war, in Deutschland festen Fuß zu fassen, jetzt sich bereit finden ließ, Kiel aufzugeben, so mochten noch andere Rücksichten dabei mitwirken; es konnte der Kaiserin persönlich nicht erwünscht sein, daß ihr Sohn Paul als Herzog eine selbstständige und unabhängige Stellung ihr gegenüber behielt, und andererseits dachte sie durch eine „große Union des von Gott zur Beherrschung im Norden bestimmten Oldenburgischen Hauses ihren Einfluß über ganz Dänemark auszudehnen. Dem entsprach das Auftreten ihrer beiden Bevollmächtigten, des russischen Gesandten von Filosow und des großfürstlichen Ministers S. Man erzählte von dem letzteren die Aeußerung: „er wolle zu den dänischen Ministern reden, mit dem Stock in der Hand.“ Und während der Conferenzen in Kopenhagen hielten die beiden Herren selbst es für nöthig, in einem Dictamen „die schändliche Beschuldigung und den abscheulichen Vorwurf“ zurückzuweisen, „daß jemals der frevelhafte Gedanke in ihren Sinn gekommen sei, am Hofe des Königs von Dänemark dominiren zu wollen“. Die Kopenhagener Conferenzen bis zum Austausch der Ratificationen dauerten vom 30. December 1766 bis 3. December 1767; doch wurde der provisorische Tractat nebst den Separatartikeln auf den 22. April zurückdatirt. Vom dänischen Hofe bekam S. damals den Elephanten-Orden und sehr große Geldsummen; doch beklagte er sich, daß ihm nicht der Grafentitel zu Theil wurde, wie solchen Panin und die dänischen Minister zum Lohn erhielten. Auch den Vertrag zu Gottorp vom 27. Mai 1768, durch welchen die Reichsfreiheit der Stadt Hamburg nunmehr definitiv seitens des Gesammthauses Holstein anerkannt wurde, hat S. als großfürstlicher Minister mitunterhandelt und unterzeichnet. Ebenso nach der Mündigkeitserklärung des Großfürsten Paul den auf Grund des provisorischen Tractats abgeschlossenen Definitiv-Tractat zu Zarskoje Selo am 1. Juni 1773. Darauf fungirte S. als großfürstlicher Principal-Commissarius bei der Uebertragung der ausgetauschten Gebiete, zu Kiel am 16. November und zu Oldenburg am 10. December, wo er auch vier Tage später, in Gemäßheit einer großfürstlichen Cessionsacte, Oldenburg und Delmenhorst an den Fürstbischof Friedrich August von Lübeck, den nachmaligen ersten Herzog, übertrug, 14. December 1773. Damit endigte Saldern’s politische Laufbahn, ebenso geheimnisvoll wie sie begonnen hatte. Es scheint, daß er bei seiner letzten Anwesenheit in Rußland sich von seinem Ehrgeiz hinreißen ließ, den Großfürsten Paul gegen seine kaiserliche Mutter aufzuwiegeln. Freilich war es ihm nicht gelungen, den Großfürsten mit dem Fürsten Orlow, welcher damals aus der Gunst Katharina’s verabschiedet wurde, auszusöhnen; aber S. erhielt [215] eine unbeschränkte, unterschriebene und besiegelte Vollmacht zur Gründung einer Mitregierung (coregency). Jedoch Paul hatte nicht den Muth, die Sache durchzuführen und gestand am Ende den Plan seiner Mutter, welche in höchsten Zorn gegen S. gerieth; es hieß, Katharina habe ausgerufen; „man solle den Nichtswürdigen (wretch) mit gebundenen Armen und Beinen zu ihr bringen!“ Zum Glück war S. ihrem Machtbereich entzogen und konnte ungestört als feiner Epikuräer die Reichthümer genießen, welche zu vermehren er keine Gelegenheit versäumt hatte. Er lebte bald in seinem Hause zu Kiel, bald auf seinem Gute Schierensee (Kreis Rendsburg), welches er durch die großartigen Anlagen am Heeschenberg als eine Sehenswürdigkeit damaliger Gartenkunst berühmt machte. Hier starb er am 31. October 1786 und wurde in der Kirche zu Bordesholm beigesetzt. Mit seinem Sohn Karl Heinrich Graf von S.-Günderoth erlosch die männliche Nachkommenschaft 1788; doch blüht eine weibliche Linie unter dem Namen von Mesmer-S. auf Schierensee fort.

Außer dem Aufsatz des Justizraths Schmidt genannt von Lübeck (in Falck’s Neuem Staatsbürgerlichen Magazin, Bd. VII. S. 1–27) sind mir nur zerstreute Notizen bekannt geworden, insbesondere aus der diplomatischen Correspondenz bei Raumer: „Beiträge zur neueren Geschichte“, Bd. III, IV und V, bei Herrmann: „Geschichte des russischen Staats“, Bd. V, S. 387 ff. und bei Handelmann: „Die dänische Reunionspolitik“ (in den „Forschungen zur Deutschen Geschichte“, Bd. X, S. 555 ff.).