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ADB:Sax, Emanuel Hans

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Artikel „Sax, Emanuel Hans“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 722–723, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sax,_Emanuel_Hans&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:07 Uhr UTC)
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Sax: Emanuel Hans S., Volkswirth und Lyriker, geboren am 28. Februar 1857 zu Mikultschitz in Mähren als Sohn eines angesehenen Kaufmanns, der, so rühmte der Sohn, sogar in Cicero fest sei gleichwie in den deutschen Classikern. E. H. S. wuchs in Göding, wohin die Eltern übergesiedelt, auf, absolvirte 1875–80 in Wien die juristischen Studien und den staatlichen Vorbereitungsdienst, promovirte dort auch 1879 zum Dr. jur. – alles mit Auszeichnung – und vervollkommnete dann an reichsdeutschen Universitäten seine bisherigen Studien in Volkswirthschaft und Statistik. Anderthalb Jahre Mitglied des staatswissenschaftlichen Seminars der Universität Halle unter Prof. Johs. Conrad’s und 1880/81 Volontär an dem von Ernst Engel geleiteten Kgl. Preußischen Statistischen Bureau in Berlin gewesen, legte er, fortwährend seine einschlägigen Buchstudien durch Reisen in Deutschland ergänzend, als Frucht dieser Arbeiten sein großes Werk „Die Hausindustrie in Thüringen“ vor (I, 1882, 2. Aufl. 1885; II, 1884; III, 1888). Dessen Methode und Anlage wurden Vorbild für eine Reihe von Monographien über Hausindustrie, besonders für die Berichte aus der Hausindustrie vieler anderer Theile des Deutschen Reiches, die der Verein für Socialpolitik 1889 herausgab. Stephan Bauer, ein mit Stoff und Verfasser genau bekannter Fachmann, urtheilt: „Sax hat vielfach mit ungemein glücklichem Griffe aus archivalischen und statistischen Materialien, aus Erschautem und Erfragtem plastische Bilder des Heimindustrielebens zu gestalten gewußt, wahre Cabinetstücke socialgeschichtlicher und beschreibender Kleinkunst, welchen der tiefere Sinn wissenschaftlicher Erkenntniß nicht fehlt. Am Schlusse seines Werkes zog der thatsachendurstige fahrende Schüler der Nationalökonomie sein Ergebniß über die Aussichten der hausindustriellen Betriebsweise. Sein Urtheil lautet vernichtend (III. Theil, S. 120). Daß Fachschulen und Genossenschaften den Mißständen der Heimarbeit nur in beschränktem Umfange steuern können, das betont zu haben gehört gleichfalls zu seinen Verdiensten. Der lebhafte Widerstand gegen die Behauptungen Sax’, der von Hausindustriebaronen nach dem Erscheinen seines Buches laut wurde (Vgl. II, S. 8), ist [schon 1897] verstummt; die späteren Forschungen haben seine Anschauungen über das Wesen der modernen Heimarbeit vollauf bestätigt.

Dieses grundlegende Werk hatte ihm mit einem Schlage eine angesehene Stellung in der Wissenschaft gesichert. Am 1. Juni trat S. als Concipist für den statistischen Dienst in das Bureau der Niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer zu Wien. Sein erster dortiger „Statistischer Bericht über Industrie und Gewerbe des Erzherzogthums Oesterreich unter der Enns“ bedeutete eine durchgreifende Reform dieser periodischen Referate und fand das Lob wissenschaftlich wie socialpolitisch gleich musterhafter Leistung einer organisatorisch wie kritisch vollbegabten Persönlichkeit. Er erstattete solche 1883 und 1885. In diesem Jahre habilitirte er sich als Privatdocent an der k. k. Hochschule für Bodencultur, an der er, nachdem er 1887/88 auch Vorträge im technologischen Gewerbemuseum gehalten, 1889 außerordentlicher Professor, sowie Mitglied der Staatsprüfungscommission wurde. Doch konnte er in dieser officiellen Eigenschaft seine Vorlesungen gar nicht aufnehmen. Ein ganzes Jahr litt er an einer immer quälenden Bronchitis, ohne sich auszuspannen. Da hatte sich aus Sax’ Anhänglichkeit an seine tuberkulösen Hausleute ein unheilbares Brustleiden entwickelt. Im September 1890 mußte er als Secretär der Handelskammer um Versetzung in den zeitweiligen Ruhestand einkommen. In Curorten der Schweiz, Oberitalien, Hietzing, Aussee suchte er Heilung, zuletzt in Meran – vergebens; es war zu spät. Seine schwersten Leidenstage fielen in die Zeit der Entdeckung des Koch’schen Tuberkulins; so ward S. in Meran [723] einer der ersten, an denen man es erprobte: und wirklich trat eine überraschende Besserung mit erheblicher Zunahme der Kräfte und des Körpergewichts ein. Hoffnung auf ein neues Leben durchdrang den Kranken, und er machte seine hingebungsvolle Pflegerin Luise zu seiner Gattin. Da erwachten in dem ewig regen Geiste, der während der langen schweren Leidenszeit trotz unabgebrochenen Denkens und Planens seine gelehrten Facharbeiten aufgeben mußte, künstlerische Regungen seiner Jugend. Humorvolle Lieder erfreuten und befreiten da seine Seele unter dem Martyrium der schmerzvollen Pein. Freilich mischte sich in die Liebe zur herrlichen Natur und zum Leben eine sicher krankhaft sinnliche Vorspiegelung erträumter Genüsse, sarcastischer Spott über seine schlimme Krankheit mit ihren Einzelheiten, Hohn und Satyre über sein Elend und das gewisse nahe Ende; so muß man mit dem Meister klagen: „O welch ein großer Geist ward hier zerstört!“ Dies bleibt der wesentliche Eindruck der packenden Bände „Gedichte“ (1892) und „Im Volkston. Allerhand Verse und G’stanzeln“ (1892). Die reizenden „Mädchenlieder“ (1894), der Braut des Dichters in den Mund gelegt, zeugen für den edeln, reinen Einfluß dieses weiblichen Wesens, dem seine Vergangenheit nicht unbekannt geblieben, aber gleichsam alles ein Ansporn zu rastloser Hingabe und Anregung zu schönen Gedichten wird: die letzten, keineswegs traurig stimmenden Grüße an Freunde und Gleichstrebende. Der breitschulterige, starkknochige Mann, in gesunden Tagen voll geistsprühender Heiterkeit, den einst die Vorboten des tückischen Todfeindes wie ein Blitz vom blauen Himmel getroffen, plauderte fast bis zuletzt lebhaft über Politik und Litteratur mit unvermindertem Antheil: ein Jammerbi1d der starken Empfänglichkeit für alles Große und Schöne. Am 3. Juli (nach Freundesangaben am 29. Juni) 1896 ward ihm der Tod ein wahrer Erlöser, unweit Meran. Bauer nennt ihn traurig eine ebenso ernste und wahrheitsliebende wie liebenswürdige Persönlichkeit aus der jüngeren Generation österreichischer Socialschriftsteller; ein feinsinniger, lebenskräftiger Kopf und sinniger, leidenschaftlicher Mensch und Poet, setzen wir hinzu.

Neue Freie Presse Nr. 444 (4. Juli 1896) Abdbl. S. 1. – St. Bauer im Biogr. Jhrb. u. Dtsch Nekrolog I, 446 f. – K. L. Leimbach, Die deutschen Dichter der Neuzeit IX, 294–95 (authentisch); 296–299 Proben. – Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Pros. d. 19. Jahrh.5 III, 560. – Kukula, Hochschulalmanach S. 791 (Suppl. S. 292).