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ADB:Schafhäutl, Karl Emil von

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Artikel „Schafhäutl, Karl Emil“ von August Rothpletz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 729–731, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schafh%C3%A4utl,_Karl_Emil_von&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 10:56 Uhr UTC)
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Schafhäutl: Karl Emil Sch., geboren am 16. Februar 1803 zu Ingolstadt, war früh verwaist. Seine erste wissenschaftliche Erziehung erhielt er im Studienseminar zu Neuburg, das er aber 1816, ohne es absolvirt zu haben, [730] verließ. Weiteren Studien lag er an der Universität Landshut ob, aber, wie es scheint, ohne rite dort immatrikulirt zu sein. Durch seine belletristischen und physikalisch-experimentellen Arbeiten erregte er schon von seinem 16. Lebensjahre an ein gewisses Aufsehen, und um seine musikalischen Neigungen besser befriedigen zu können, ging er nach München, wo er 1827 eine Stelle als Scriptor an der Universitätsbibliothek erhielt. Gemeinsam mit dem Silberarbeiter und Flötenvirtuosen Theobald Böhm arbeitete er an Verbesserungsplänen für die Fabrikation des Pianoforte und der Flöte, und dies führte beide 1834 nach England, wo Schafhäutl’s experimentelle Erfindungsgabe durch den Umstand mächtig angeregt wurde, daß es dort noch nicht gelungen war, aus dem einheimischen Rohmateriale den vorzüglichen englischen Gußstahl herzustellen, sondern daß dazu Erze aus Schweden und Rußland bezogen werden mußten. Wirklich gelang es ihm, Methoden zu erfinden, die diesem Uebelstande abhalfen, und die sieben Jahre, die er, mit solchen Arbeiten beschäftigt, in England zubrachte, gehörten jedenfalls zu den glücklichsten und erfolgreichsten seines Lebens. Zugleich erwarb er sich in Dublin zuerst 1835 den philosophischen und 1838 auch den medicinischen Doctorgrad. Reicher an wissenschaftlichen als an geschäftlichen Erfolgen kehrte er 1841 nach München zurück, wo er jedoch gegen Ueberlassung seiner verbesserten Puddlingsmethode für 20 Jahre eine Rente von 1600 fl. vom Staate erhielt, auf Vorschlag von Nepomuk Fuchs 1842 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften erwählt wurde und 1843 an der staatswissenschaftlichen Facultät der Universität eine Professur für Geognosie, Bergbaukunst und Hüttenkunde erhielt.

Damit sah er sich im Alter von 40 Jahren unversehens vor eine ganz neue Aufgabe gestellt, nämlich Vorlesungen über Geologie zu halten. Er war dazu fast ganz unvorbereitet, und ohne Zweifel verdankte er diese Ernennung hauptsächlich seinem Gönner N. Fuchs und seinen extrem-neptunistischen Anschauungen, durch die beide Männer sich vereinigt, aber auch nach außen isolirt sahen.

Mit großem Eifer ging Sch. an sein neues Arbeitsgebiet heran, und um eine Sammlung und zugleich eine Basis für seine Vorlesungen zu gewinnen, benutzte er „jede freie Stunde zum Studium der bairischen Alpen“, bis 1849 eine Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung Baierns, darin eine geologische Section mit einer jährlichen Subvention von 300 fl. geschaffen und er zu deren Vorstand ernannt wurde.

Das Ergebniß einer siebenjährigen Thätigkeit waren die „Geognostischen Untersuchungen des südbairischen Alpengebirges“, worin neben zahlreichen vortrefflichen Beobachtungen doch in stratigraphischer und paläontologischer Hinsicht so viel Seltsamkeiten stehen, daß es keiner weiteren Aufklärung bedarf, warum 1853 die Leitung der geognostischen Landesuntersuchung ihm entzogen und dem jüngeren Gümbel übertragen wurde. Zwar hat Sch. weiterhin die von ihm gesammelten und zum Theil recht werthvollen Versteinerungen in eingehender Weise in seiner „Lethanea bavarica“ (2 Bde. 1863) beschrieben und abgebildet; aber er konnte auch da keinen großen Erfolg erzielen, denn er hatte sich auf ein Gebiet hinausgewagt, auf dem er nicht zu Hause war. Als nun gar erfahrene Paläontologen, wie Oppel 1860 und Zittel 1866 ihre Vorlesungen an der Universität und später auch Gümbel an der technischen Hochschule mit vielem Erfolg abzuhalten begannen, da erlahmte seine Lehr- und Forschungsfreude rasch, und er wandte sich mit erhöhtem Eifer dem Studium der Musik und ihrer Theorien zu. In den letzten 25 Jahren seines Lebens hat er thatsächlich auf die akademische Lehrthätigkeit ganz verzichtet, und die Studenten erfuhren von seinem Dasein nichts, außer wenn sie etwa ins Examen gingen. [731] Da stellte er ihnen mit Vorliebe Fragen über den Vulkanismus, und wenn auch immer wieder die Antworten nicht im Sinne seines schroffen Neptunismus ausfielen, so horchte er doch hin, als ob er die Hoffnung noch nicht aufgegeben hätte, daß endlich einer käme mit seinen Anschauungen. Trotzdem er fast 50 Jahre lang Professor der Geologie gewesen war, so hat er doch keinen einzigen Schüler groß gezogen. Aber alle diese Mißerfolge reichten nicht hin, ihn mißvergnügt oder vergrämt zu machen. Sein frommes Gemüth fand Trost in der Beschäftigung mit der Musik; hier hatte er ebenso wie früher in der Technik Erfolg und Anerkennung gehabt. Beiträge zur Geschichte der Kirchenmusik lieferte er in „Der echte gregorianische Choral in seiner Entwicklung bis zur Kirchenmusik unserer Zeit“ (1869), „Ein Spaziergang durch die liturgische Musikgeschichte der katholischen Kirche“ (1887) und in seiner „Biographie des Abtes Vogler“ (1888). Im Hause seines musikalischen Freundes Böhm fand er bis zu seinem am 25. Februar 1890 erfolgten Tode ein friedliches Heim. In seinem Kirchenstuhl neben dem Chor der Michaeliskirche sah man die charakteristische Gestalt des originellen Mannes im Hochamt jeden Sonn- und Festtag. Dem früh verwaisten hatte die Stütze des Elternhauses und die strenge Zucht der Schule gefehlt. Frühzeitige Erfolge führten zur Zersplitterung seiner großen geistigen Kräfte, und als mehr ein äußerer Zufall als der innere Drang den 40jährigen Mann zur Geologie führte, konnte er es darin nicht weiter als zu einem gelehrten Dilettantismus bringen.