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ADB:Schall von Bell, Adam

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Artikel „Schall, Adam Johann“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 556–557, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schall_von_Bell,_Adam&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 23:49 Uhr UTC)
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Schall: Adam Johann S., Astronom und Orientalist, geboren zu Köln a. Rh. 1591, † zu Peking am 15. August 1666. Das Leben des jungen S. gehört erst von dem Momente der Geschichte an, da er, ein Zwanzigjähriger, in den Orden Jesu eintrat. Als solcher machte er den von der „Ratio“ vorgeschriebenen Studiengang durch, beschäftigte sich eingehend mit mathematischen Studien und begleitete 1620 die Patres Trigault und Rho auf ihrer Missionsreise nach China. Dieses Land sollte er nicht wieder verlassen. Bekanntlich wußten die klugen Jesuiten dadurch sich Eingang in dem sonst gegen fremde Einflüsse so ablehnend sich verhaltenden Lande zu verschaffen, daß sie sich des arg darniederliegenden Kalenderwesens annahmen; S. that sich bei dieser Gelegenheit besonders hervor und wurde deshalb von Suntschi, dem ersten Kaiser der Mandschudynastie, zum Hofastronomen und zum Vorstande der mathematischen Lehranstalt erwählt, an welcher vierhundert chinesische Jünglinge für staatliche Stellungen herangebildet werden sollten. Allmählich stieg S. zu den höchsten Ehrenstellen empor, und nach dem sehr verständigen Gebrauche des Reiches der Mitte, nicht in absteigender sondern in aufsteigender Linie den persönlichen Adel zu verleihen, wurden auch die Ahnen Thang-jo-wangs – so, oder auch Tao Wei hieß S. bei seinen neuen Volksgenossen – geadelt. Davon handelt ein heute noch in der Bibliothek des Prager Jesuitencollegiums aufbewahrtes Büchlein mit folgendem Titel: „Libellus continens encomia et titulos, quos Imperator Sinensis P. Joanni Adamo Schall S. J. Coloniensi, ejus parentibus et avis in tertiam scilicet generationem contulit, Anno Imperii suo VIII ob restauratam ab eodem apud Sinas Astronomiam, editis Sinice libris“. In der erwähnten Stellung verblieb S. dreiundzwanzig Jahre und arbeitete während dieser Zeit in angestrengtester Weise daran, seine Wissenschaft in China einzubürgern. Man sagt, daß er hundertundfünfzig selbständige Schriften über Mathematik und Astronomie verfaßt habe, allein selbst wenn diese Zahl, wie Abel Remusat behauptet, auch viel zu groß sein sollte, so bleibt immer noch genug übrig, denn das, was sich von Schall’s Arbeiten allein im Besitze der vaticanischen Bibliothek zu Rom befindet, erfüllt allein noch vierzehn große Quartbände. Diese Arbeiten sind größtentheils elementare Lehrbücher für den Gebrauch seiner Zöglinge, andere sind der Finsternißberechnung, der Construction der trigonometrischen und Planetentafeln und hauptsächlich auch der Vermessungskunde gewidmet. Daneben konnte S., einflußreich wie er war, auch viel für die Ausbreitung des Evangeliums in China thun, er übersetzte christliche Erbauungsbücher und unterhielt einen regen Briefwechsel mit den europäischen Freunden des Missionswerkes. Diese Correspondenz lieferte wesentlich das Material für die folgenden beiden Darstellungen: Narratio historica de initiis et progressu missionis S. J. apud Sinenses (Wien 1665); Historica relatio de ortu ac progressibus fidei in regno Chinensi (Regensburg 1671). Den Prinzen Kanghi, der als zweiter Mandschukaiser eine neue Epoche des inneren Glückes sowol wie der politischen Machtentfaltung für China anbahnte, unterrichtete S., und seiner Einwirkung war es gewiß in erster Linie zuzuschreiben, daß Kanghi so viel Toleranz gegen das Christenthum an den Tag legte. Plötzlich aber nahm die Herrlichkeit Schall’s, von der derselbe, wie zugestanden werden muß, stets nur zu Gunsten höherer Culturinteressen Gebrauch machte, ein jähes Ende. Suntschi verstarb, ehe sein Sohn großjährig geworden war, und während des Interregnums beherrschten Palastintriguen das Feld, die es 1664 dahin zu bringen wußten, daß S. seiner Ehrenämter entsetzt, gefänglich eingezogen und sogar zu dem furchtbaren Tode, in Stücke geschnitten zu werden, verurtheilt wurde. Dieser Justizmord kam allerdings nicht zur Ausführung, vielmehr wurden die Machthaber durch ein Erdbeben und das Erscheinen eines Kometen von der Vollstreckung des Urtheiles [557] zurückgehalten, allein auf das Befinden des Greises hatten alle diese Aufregungen doch derart eingewirkt, daß er bald nach seiner Freilassung einer Krankheit zum Opfer fiel. Sein Andenken wurde von Kanghi glänzend rehabilitirt, und der von S. gestreute Same ging unter den Händen anderer europäischer Sendlinge und der von jenem selbst gebildeten Schüler dergestalt auf, daß auf chinesischem Boden die Sternkunde eine, wenn auch nur vorübergehende Blüthe erlebte.

Zedler, Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, 34. Band, Leipzig-Halle, 1742, Sp. 831 ff. – Backer, Bibliothèque des écrivains de la compagnie de Jésus, tome III. Löwen-Lyon, 1876, Sp. 588 ff. – v. Mannsegg, Geschichte der chineischen Mission unter der Leitung des Pater Adam Johann Schall, Wien 1845. – Verbiest, Liber organicus astronomiae Europaeae apud Sinas restauratae sub imperatore Sinico-Tartarico Camhy appelato. Dillingen 1687.