ADB:Schlieben, Wilhelm Ernst August von

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Artikel „Schlieben, Wilhelm Ernst August von“ von Viktor Böhmert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 510–512, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlieben,_Wilhelm_Ernst_August_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 10:56 Uhr UTC)
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Schlieben: Wilhelm Ernst August v. S., geboren zu Dresden am 24. Juli 1781 und † am 11. September 1839, hat sich als Begründer und erster Vorstand des sächsischen statistischen Vereins von 1831–1839, sowie auch [511] als Schriftsteller um die Statistik verdient gemacht. Er erhielt als Sohn des Appellationsraths v. S. zuerst durch Privatlehrer eine sorgfältige Erziehung, wurde dann 1793–1799 im adeligen Cadettencorps zu Dresden weiter ausgebildet und erhielt als junger Officier schon 1800 die Lehrerstelle der Militärwissenschaften. In der Zeit von 1800–1807 betheiligte er sich als Officier zugleich an einer Gradmessung in Thüringen, bewerkstelligte verschiedene geodätische Aufnahmen und wurde 1807 als Oberlandfeldmesser, hierauf 1815 als Director der Cameralvermessung und endlich mit dem Titel eines königl. Kammerraths als Oberaufseher der Civilplankammer angestellt. Wissenschaftliche Reisen in’s Ausland machten ihn nicht nur mit den Vermessungsmethoden, sondern auch mit den allgemeinen volkswirthschaftlichen Zuständen anderer Staaten bekannt, ganz besonders lernte er aber durch verschiedene Vermessungen und Herstellung von Karten die geognostischen und Culturverhältnisse seiner sächsischen Heimath näher kennen. Als nun im J. 1830 mit den Verhandlungen über eine neue Verfassung ein regeres politisches Leben in Sachsen erwachte, trat auch das Verlangen nach statistischen Mittheilungen über Land und Leute, über landwirthschaftliche, gewerbliche und commercielle Verhältnisse und innere staatliche und communale Einrichtungen immer mehr in den Vordergrund. Am 6. Januar 1831 veröffentlichte S. mit drei anderen gemeinnützigen Männern in der Leipziger Zeitung einen Aufruf zur Beförderung vaterländischer Staatskunde und theilte darin zugleich mit, daß sie, einer dringenden Aufforderung der Zeit entsprechend, die Bildung eines freien Vereins für vaterländische Staatskunde unter höchster Genehmigung unternommen hätten. Der Aufruf fand Anklang und es wurden sehr bald aller Orten Zweigvereine gebildet, die sich mit dem Hauptvereine in Dresden verbanden und in ihrem engeren Kreise eigene Forschungen anstellten, während sie zugleich für die Zwecke der Landesstatistik wirkten. S., der von Anfang an die Seele des „statistischen Vereins für das Königreich Sachsen“ gewesen war, wurde auch zum Vorstand ernannt und hat, da dem Verein schon im J. 1832 die Prüfung und Bearbeitung der Volkszählung und anderer Ermittlungen übertragen wurde, thatsächlich bis 1839 an der Spitze der amtlichen und nichtamtlichen Statistik Sachsens gestanden. Von ihm stammen nicht nur die Aufrufe und Regulative für den Verein, sondern auch werthvolle Denkschriften, welche die hohen Aufgaben und Ziele, die er der Statistik stellte, näher darlegen und begründen. Die Hauptpunkte, mit deren Ermittlung sich der „statistische Verein für das Königreich Sachsen“ in den ersten Jahren beschäftigte, waren: 1) Bewohnerverhältnisse, 2) Oeffentlicher Unterricht, 3) Resultate der Civil- und Criminaljustiz in Verbindung mit den Corrections- und Strafanstalten; 4) Medicinische Statistik, 5) Unglücksfälle, 6) Marktpreise, 7) Meß- und Marktverkehr, 8) Mild- und Wohlthätigkeitsanstalten, 9) Nachrichten über Kirchen-, Schul-, Stadt-, Communal-Vermögen und -Schulden, 10) Viehbestand des Landes, 11) Landtagswahlstatistik, 12) Ergebnisse des Postreiseverkehrs, 13) Preise des verschiedenen Brennmaterials, 14) Collectaneen ausländischer Statistiker. Eine Denkschrift v. Schlieben’s aus dem Jahre 1834 stellt als weitere Aufgaben des statistischen Vereins folgende Punkte hin, worüber damals nur unvollkommene Nachrichten zu Gebote standen: „Nachrichten über das höchst wichtige Manufactur-, Fabrik- und Gewerbewesen, über den Grund- und Boden, über Gebäudezahl, Grundsteuerwesen, Ernteverhältnisse, Polizeibetrieb, Militärwesen und über die der Militärpflicht unterworfenen Individuen, über die Ergebnisse der Ablösungen, der Gemeinheitstheilungen und der Dismembration der Grundstücke.“ Ferner stellte S. auch an die Medicinalstatistik sehr weitgehende Anforderungen, welche erst in der Gegenwart verwirklicht werden. Endlich betonte er: daß in dem Geheimen Archiv „Schätze zur geschichtlichen Statistik von Sachsen geboten würden, [512] die abzuweisen dem Vereine von der Gegenwart und Zukunft zum größten Verbrechen angerechnet werden könnte“. – Die allgemeinen Zwecke des statistischen Vereins beruhten nach v. Schlieben’s Denkschrift „im Aufsuchen, Sammeln, Zusammenstellen und Vergleichen statistischer Landesnachrichten zur Benutzung für den Staatshaushalt in allen seinen Zweigen und zur Begründung einer den Zeitverhältnissen entsprechenden Nationalökonomie“. Besondere Beachtung verdient, daß S. auch die wissenschaftliche Seite der Statistik, die vergleichende Methode und die Bedeutung der Statistik für die Geschichte gleich anfänglich richtig zu würdigen verstand. Unter der Leitung v. Schlieben’s sind in den Jahren 1831–1839 im ganzen zwölf Hefte von „Mittheilungen des statistischen Vereins für das Königreich Sachsen“ erschienen. Das 13. Heft, welches gegen Ende des Jahres 1839 erschien, enthält einen Nekrolog über den am 11. September 1839 verschiedenen würdigen Vorstand, worin es u. A. heißt: „Die Arbeiten, welche der statistische Verein in amtlicher Beziehung und im Dienste der Wissenschaft unternahm und ausführte, verdanken den Anregungen und Vorschlägen des verewigten von Schlieben theils ihr Entstehen, theils ihre Ausführung. Die durch den Druck veröffentlichten statistischen Mittheilungen, die so wesentlich zur genauen Kenntniß aller für die Verwaltung des Landes wichtigen Zahlenangaben beigetragen haben, werden stets ein ehrendes Denkmal seiner rastlosen Thätigkeit und seines gemeinnützigen Wirkens bleiben.“ – S. hat zahlreiche Schriften über Erd-, Land- und Feldmessung, Kriegsgeschichte und Kriegswissenschaft, Mathematik und Geographie veröffentlicht. Unter seinen Schriften statistischen Inhalts sind hervorzuheben: 1) „Ansichten über Zweck und Einrichtung statistischer Sammlungen oder Bureau’s. Halle, bei Anton u. Helbet, 1830; 2) „Grundzüge einer allgemeinen Statistik aus dem Gesichtspunkt der Nationalökonomie“. Wien, Verlag von Wallishauser, 1834 und 3) „Statistische Aphorismen in Beziehung auf Nationalökonomie und Staatenkunde“. Leipzig, Verlag von Gerhard Fleischer. In Commission bei Adolf Frohberger, 1837. – In seinen „Grundzügen“ (von 1834) führt S. aus, daß es in der Statistik vorzüglich auf Ermittlung folgender Gegenstände ankäme: 1) Objecte des statistischen Forschens, 2) Art des Forschens, und 3) Benutzung der erlangten Materialien. Die Statistik wird von ihm definirt als „die wissenschaftliche Darstellung derjenigen wirklich vorhandenen Zustände, welche in jedem Staatenverbande die Nationalökonomie und also auch die Nationalwohlfahrt fördern oder behindern“. In seiner späteren Schrift „Statistische Aphorismen etc.“ (v. 1837) erklärt sich S. mit der 1834 von ihm gegebenen Definition „nicht ganz zufrieden, da sie alles Geschichtliche ausschließt, und nicht allein eine Statistik der Vergangenheit historischen Werth hat, sondern die Gegenwart oft nur aus der Vergangenheit erklärlich wird und diese aufhellt“. Er spricht sich daher dahin aus: „daß die Statistik die Wissenschaft sei, die uns mit dem Zustande der Staaten nach ihren wesentlichsten Beziehungen und insofern sie sich als Ergebnisse darstellen, die theils der Gegenwart, theils der Vergangenheit angehören, bekannt macht“. S. betont ausdrücklich: daß er der Statistik eine erhabenere Stelle anweise, als Say in seinem Handbuche der praktischen Nationalökonomie und daß er sich bei der Statistik stets als Zweck denke: „durch klare Verzeichnung der Zustände auf alles Vortheilhafte und Zweckmäßige, sowie auf alles Unvollkommene und Nachtheilige hinzuweisen und durch die Wohlfahrt des Ganzen das Glück des Einzelnen zu befördern“. –