ADB:Schmidt, Johann Ernst Christian

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schmidt, Johann Ernst Christian“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 743–745, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmidt,_Johann_Ernst_Christian&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 14:43 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schmidt, Johann Adam
Band 31 (1890), S. 743–745 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand November 2013, suchen)
Johann Ernst Christian Schmidt in Wikidata
GND-Nummer 117510181
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|743|745|Schmidt, Johann Ernst Christian|Julius August Wagenmann|ADB:Schmidt, Johann Ernst Christian}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117510181}}    

Schmidt: Johann Ernst Christian S., protestantischer Theolog und hessischer Prälat des 19. Jahrhunderts, geboren am 6. Januar 1772 zu Busenborn, Kreis Schotten in Oberhessen, † am 4. Juni 1831 in Gießen. – Aufgewachsen in dürftigen Verhältnissen, unterrichtet von seinem Vater David Jacob S., der Pfarrer und Schulmeister in einem einsamen Dorfe war, zeigte er frühe schon große Wißbegierde, trieb mit Vorliebe Geometrie und Naturgeschichte, blieb aber in der Kenntniß der alten Sprachen sehr zurück. Erst nachdem sein Vater 1783 auf eine einträglichere Pfarrstelle Heidelbach bei Alsfeld versetzt war, hatte dieser mehr Zeit, ihn im Lateinischen, Griechischen und Hebräischen zu unterrichten, aber auch schon mit den Elementen der Wolffischen Philosophie ihn bekannt zu machen. Bald aber überließ der Vater den wißbegierigen Jüngling ganz seiner eigenen Führung. Dieser trieb jetzt ohne rechte Ordnung und Anleitung classische Dichter- und orientalische Sprachstudien, philosophische und theologische Studien nach Benner, Gerhard, Chemnitz etc., soweit seines Vaters Bibliothek ihm dazu die Mittel bot. Vielseitig, aber wenig gründlich vorbereitet bezog er 1788 im siebzehnten Lebensjahr die Universität Gießen, hörte Kirchengeschichte und Dogmatik bei Ouvrier und Bechtold, neues Testament bei Schulz, altes Testament und morgenländische Sprachen bei Hezel, trieb daneben mathematische Studien bei Böhm, an dem er mit besonderer Liebe hing. Des regelmäßigen Collegienbesuches bald überdrüssig, kehrte er wieder zu dem liebgewordenen Selbststudium zurück, las mit rastlosem Eifer, aber ohne Ordnung und Methode allerlei theologische Novitäten, trieb daneben neutestamentliche, kirchenhistorische und patristische Studien, ergab sich aber auch zeitweise, mitten hinein zwischen das angestrengteste Studium, dem ausgelassensten und wildesten studentischen Treiben. Erst Herder’s Briefe über das Studium der Theologie und Semler’s Schriften halfen ihm, sich aus dem Labyrinth, in das er gerathen war, wieder herauszufinden. Nachdem er 1791 sein theologisches Examen mit Auszeichnung bestanden, kehrte er ins Vaterhaus zurück, wo er mit Ausarbeitung seiner ersten theologischen Schriften, einer Auslegung von 1. Mos. 49 (erschienen 1793 unter dem Titel: „Eine der ältesten und schönsten Idyllen des Morgenlandes“) und einer Erklärung [744] des Predigers Salomonis (gedruckt 1794), und mit der Vorbereitung auf die akademische Laufbahn sich beschäftigte. Mit Unterstützung seines Landesherrn trat er 1793 als Privatdocent in Gießen auf, hielt Vorlesungen über griechische Classiker, über neutestamentliche Schriften und Kirchengeschichte, nahm aber, um die nöthigen Subsistenzmittel zu gewinnen, zugleich eine Lehrerstelle am akademischen Pädagogium an. Zum Eintritt in dieses Amt schrieb er 1794 ein Programm über Emendationen zu Properz. Nachdem er durch mehrere theologische Schriften sich in weiteren Kreisen bekannt gemacht, auch einen Ruf nach Rostock erhalten hatte, wurde ihm 1798 die vierte ordentliche Professur an der Universität Gießen übertragen. 1800 trat er in die Ehe mit Sophie Minnigerode aus Alsfeld. 1803 wurde er an Kühnöl’s Stelle Universitätsbibliothekar, später, nachdem er einen Ruf nach Heidelberg abgelehnt, Kirchen- und Schulrath, 1805 dritter, 1806 erster Professor der Theologie und Doctor theol., auch hessischer Historiograph und Mitglied der Gesetzgebungs-Commission. 1808 wurde er unter Entbindung von den eine Zeitlang geführten Superintendentur-Geschäften zum Geheimrath ernannt, 1813 Director des neuerrichteten philologischen Seminars, 1816 Doctor phil. honoris causa. Als 1820 der erste constitutionelle Landtag im Großherzogthum Hessen berufen wurde, erhielt er die Würde eines Prälaten mit lebenslänglichem Sitz in der ersten Kammer, sowie das Großkreuz des hessischen Haus- und Verdienstordens. (Ueber seine politische Thätigkeit vgl. Buchner a. u. a. O.) Von der Leitung des philologischen Seminars wurde er 1827, von der Theilnahme am Kirchen- und Schul-Collegium 1830 entbunden. Nachdem durch mancherlei Krankheitsanfälle seine körperliche und geistige Gesundheit geschwächt war, starb er zuletzt nach kurzem Krankenlager an Entkräftung. – Seine theologischen Vorlesungen wie seine ausgebreitete litterarische Thätigkeit, welche früher fast über alle Zweige der Theologie (altes und neues Testament, Kirchengeschichte, Dogmatik, Moral, Encyklopädie) sich erstreckt hatten, beschränkten sich zuletzt auf das Gebiet der Kirchengeschichte, und hier hat er das unbestrittene Verdienst, im Gegensatz gegen den im 18. Jahrhundert zur Herrschaft gebrachten oberflächlichen Pragmatismus, neue Bahnen eingeschlagen, und vor allem auf gründliches Quellenstudium und eine streng objective Darstellung gedrungen zu haben (s. in seinen „Grundlinien der Kirchengeschichte“, 1800 und öfter; „Lehrbuch der Kirchengeschichte“ 1803 und 1823, und in seinem freilich unvollendet gebliebenen Hauptwerk, dem „Handbuch der Kirchengeschichte“, Gießen und Darmstadt 1801–20, 6 Theile; 2. Auflage des 2.–4. Theiles 1824–27, 8°, sowie in seinen „Beiträgen zur Kirchengeschichte des Mittelalters“, Gießen 1796). Sein eigener theologischer Standpunkt aber war und blieb der des vulgären Rationalismus, unter Einfluß der Kant’schen, später auch der Fichte’schen Philosophie, so besonders in seinem „Lehrbuch der Sittenlehre“, 1799, und in seinem „Lehrbuch der Dogmatik“, 1800, sowie in mehreren kleinen Schriften und Abhandlungen philosophischen und theologischen Inhalts (z. B. in Fichte’s und Niethammer’s Journal, 1796, und Grolmann’s Magazin, 1799 etc.). Zur biblischen Theologie lieferte er außer einigen exegetischen Arbeiten zu alttest. Büchern (s. o.) eine, freilich unvollendet gebliebene „Philologisch-exegetische Clavis zum neuen Testament“, 1793–1805, sowie eine „Historisch-kritische Einleitung in das neue Testament“, 1804–05 und 1818.

Ein vollständiges Verzeichniß seiner Schriften nebst weiteren Nachrichten über seine Lebensgeschichte und Beiträgen zu seiner Characteristik geben der Neue Nekrolog der Deutschen 1831 I, 491 ff.; Zeitgenossen III, 3, 7, S. 85 (von Karl Buchner). – Döring, Die gel. Theologen Deutschl. III, 838 ff. – Strieder, Hess. Gel.-Gesch. XIII–XVII. – Justi, Hess. Denkwürdigkeiten IV, 2, 232 ff. – Scriba, Biogr.-litt. Lexikon der Schriftsteller des Großh. [745] Hessen I, 369 ff. – Meusel, Gel. Deutschl. VII, X, XI, XV, XX. – G. Frank, Gesch. der protest. Theologie III, 318.