ADB:Schnitter, Wilhelm
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Schnitter: Gottfried Joachim Wilhelm S., als Lyriker wie Dramatiker productiv und namhaft, ward am 26. Februar 1802 in Stralsund geboren, † ebendaselbst am 24. April 1887. Seine Vorbildung erhielt er auf dem Gymnasium der Vaterstadt, bezog 20 Jahre alt die Universität Heidelberg, um sich der Jurisprudenz zu widmen und beendete seine akademischen Studien in Berlin. Hier bestand er nach praktischer Ausbildung beim Stadt- und Kammergericht seine juristischen Prüfungen und wurde am 11. Juli 1834 zum Kammergerichtsassessor ernannt. Nach vierjähriger Beschäftigung an mehreren Gerichten erster und zweiter Instanz erhielt er 1838 seine Ernennung zum Kreisrichter und bereits 1842 zum Director des Kreisgerichts zu Greifswald. Aber in dieser Stellung verblieb er nur sechs Jahre. Obwohl er sich des „Allerhöchsten Anerkenntnisses“ durch die Verleihung des Rothen Adlerordens zu erfreuen hatte, mußte er doch bei der neuen Justizorganisation im Jahre 1849 und infolge der dadurch bedingten Aufhebung des bisherigen Kreisgerichtes zu Greifswald seine directorale Stellung mit der eines Mitgliedes des neu errichteten Kreisgerichtes zu Stralsund vertauschen, in welcher Eigenschaft er durch Patent vom 1. April 1850 bestätigt wurde. Aber theils das ihm wenig Zusagende dieser neuen Stellung, theils ein zunehmendes Gehörleiden veranlaßten ihn schon 1853 zur Einbringung eines Gesuches um Pensionierung. So schied S. mit dem 1. Januar 1854 endgültig aus seiner richterlichen Thätigkeit, um nunmehr in beschaulicher Zurückgezogenheit von jeder öffentlichen Beschäftigung ganz der Poesie zu leben, die schon von Kindheit an seinem phantasiereichen Geiste schöne Früchte abgewonnen hatte. Versagte ihm auch die Muse die gewaltigsten Töne der Leier, so stand doch seinem begabten Geiste eine Fülle von dichterischen Stoffen und eine schöne und edle Sprache zu Gebote. In den Jahren 1835–1885 veröffentlichte er außer mehreren Sammlungen lyrischer Poesien eine Anzahl Dramen, von denen hier „Polykrates“ (1836), „Der Fürst von Tarent“ (1861), „Die Braut von Syrakus“ (1867), „Richildis“ (1878) genannt sein mögen. Strebte er in seinen Trauerspielen Shakespeareschen Vorbildern nach, so entfaltete er in seinen lyrischen Gedichten und Lustspielen die ganze Tiefe eines innigen Gemüthslebens. Das geistig-gesellige Leben seiner Vaterstadt beförderte er bis zu seinem Lebensende mit regstem Eifer und unterstützte allezeit thatkräftig die beiden Vereine, welche sich die harmonische Ausbildung von Leib und Seele in den breiteren Schichten der städtischen Bevölkerung zur Aufgabe machen, den „Männerturnverein“ und den „geselligen Verein.“
- Stralsundische Zeitung, 1887, Nr. 98.