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ADB:Schoch, Johann Georg

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Artikel „Schoch, Johann Georg“ von Max von Waldberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 729–731, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schoch,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 00:10 Uhr UTC)
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Schoch *): Johann Georg S., ein deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts, dessen nähere Lebensumstände dunkel sind. Man vermuthet, daß er der Sohn des Leipzigers Bürgers Kaspar S. und seiner 1615 gestorbenen Frau Marie geborene Han sei. – Nach seiner, aller Wahrscheinlichkeit nach in Leipzig verlebten Jugend, er hat sich übrigens noch 1652 dort aufgehalten, soll er 1663 als „juris practicus“ in Naumburg, 1668 als Amtmann zu Westerburg, 1678 in nicht näher bezeichneter Stellung in Cöln an der Spree geweilt haben. In einer von Braunschweig datirten, an die Herzoge von Braunschweig-Lüneburg gerichteten Zueignung, unterzeichnet er sich am 30. März 1688 als deren „dienstfertiger Diener“, was – allerdings nicht zwingend – auf eine Hofstellung dortselbst schließen läßt. Auch Schoch’s Sterbejahr läßt sich nicht ermitteln.

S. repräsentirt unter den Lyrikern seiner Zeit diejenige Gruppe von Dichtern, die in die verkünstelten Formen Opitzischer Poesie frischen volksthümlichen Inhalt zu gießen suchten. In der äußeren Form, im Ausdruck, im poetischen Formelschatz, ja in den Stoffen ist er ganz vom normalen Schema der üblichen pastoralen Liebeslyrik jener Zeit abhängig, aber trotz alledem gelangt überall in seiner Dichtung seine eigene kräftige Persönlichkeit zum Durchbruch. Er verhält sich zu seinen Mustern, wie eine frische gelungene Parodie zum schwächlichen Original. Seine Schäferlieder haben ganz die canonische Form, wie sie Opitz in seinen „Oden“ und „Gesängen“ geschaffen, aber der freie Ton, die sinnlichere Lebensauffassung, die reichere Phantasie und viele volksthümliche Elemente ermöglichen ihm erfreulichere poetische Wirkungen als Opitz. Es ist nur eine natürliche Folge seiner gesünderen Begabung, daß er die Maske des süßlichen idealen Schäfers öfters durch die des „derben Bauernknechts“ ersetzt, und daß er in die erstarrte unwahre Liebesphraseologie öfter kräftigere Wendungen aus dem Sprachschatze des Volkes einführt. Den Kern seines lyrischen Schaffens bildet sein „Neu-erbauter Poetischer Lust- und Blumen-Garten“, Leipzig 1660, wo er neben hundert „Schäffer-Hirten-Liebes- und Tugend Liedern“ noch zweihundert „Lieb- Lob- und Ehren Sonnetten auf unterschiedliche Damen“, endlich vierhundert „Denck-Sprüche, Sprüch-Wörter, Retzeln, Grab- und Uberschriften, Gespreche und Schertz-Reden“ veröffentlicht. Alle Motive der volksthümlichen Schäferlyrik, die Aufforderung zum Lebensgenuß so lang die Jugend währet, Klagen über die Grausamkeit der Geliebten, dann wieder muthwilliger und höhnender Verzicht auf die spröde Schäferin, schwärmerisches Besingen der verehrten Dame und parodistische Verzerrung des Frauenlobs, finden sich in seinen Liebesliedern wieder, nur daß alles sangbarer, frischer, realistischer eingekleidet ist, als bei den anderen pastoralen Dichtern jener Zeit. Einzelne Bauerlieder bieten Genrebilder von der Lebenswahrheit der niederländischen Meister. Andere Studenten- und „Sauflieder“ haben, scheinbar gegen den Willen des Verfassers, [730] ihren Weg in die Schenken und in die weitesten Kreise des Volkes gefunden, wo sie nach Art der echten Volkslieder die mannichfachsten Wandlungen am Texte erlebten, und oft in einem verstümmelten, fast unkenntlichen Zustande dem Autor wieder zu Ohren kamen. In die Sonette dringen aber auch viele Motive der antiken Lyrik ein. Einzelne sind nichts als in Sonettform gepreßte Uebersetzungen aus der griechischen erotischen Poesie oder aus Horaz. Schoch’s Vorliebe für das Schließen des Sonetts mit pointirten Wendungen läßt ihn als Vorläufer der späteren galanten Lyrik erscheinen. Im „Poetischen Blumen-Garten“ werden die Pointen sogar durch den Druck hervorgehoben. Am wenigsten originell zeigt sich S. in seinen Denksprüchen und Epigrammen. Hier raubt er mit und ohne Angabe der Quelle die griechische Anthologie und Theokrit, Martial, Juvenal und Properz, die berühmtesten Neulateiner z. B. Owen, Franzosen wie Marot, Montaigne und Rusau, Italiener, ja selbst Opitz und Fleming aus und eignet sich widerrechtlich eine Blüthenlese der modischen Epigrammenlitteratur an. Von der antiken Litteratur zeigt sich S. auch sonst noch abhängig. So ist sein „Poetischer Weyrauch-Baum und Sonnen-Blume“, Leipzig 1656, eine in Alexandrinern gedichtete Bearbeitung des von Ovid in Metamorphosen IV geschilderten Vorganges von der Verwandlung der Leucothea, nachdem S. schon vorher die Metamorphosen in ihrer Gesammtheit in seinen „Kurtzen Verfassungen über des Ovidii Verwandlungs-Beschreibung“, Leipzig 1652, compendiös, als eine Art poetischen Text zu vorgedruckten Holzschnitten, bearbeitet hatte. In den vorausgeschickten Widmungsgedichten wird diese künstlerisch höchst dürftige Arbeit als ungewöhnliche Leistung gepriesen, und sein ihm im poetischen Schaffen am nächsten stehender Freund David Schirmer nimmt Naso den Lorbeerkranz ab, um damit Schoch’s Stirne für diese banausische Reimerei zu ehren.

Zu der frischen fröhlichen Eigenart seiner volksthümlichen Lieder hat sich S. nur noch in seiner „Comoedia Vom Studenten-Leben“ (Leipzig 1657 und öfter) aufgeschwungen. Auch hier ist er im Stoffe von fremden Mustern abhängig. Titel und einzelne Motive klingen an Stymmel’s gleichartiges Studentenstück an, und der Stoff ist im wesentlichen nach Wichgrev’s Cornelius relegatus geformt. Aber die Schilderung des wüsten akademischen Treibens jener Zeit, die bezeichnenden Züge des Studentenlebens sind Original, und selbst die Entwicklung der Handlung wird durch Einführung neuer Elemente geschickt gesteigert. Schon treibt Pickelhäring seine derben Späße, die allerdings an Rohheit und Unfläthigkeit denen seiner Nachfolger in nichts nachstehen. Aber die Art, wie S. gelegentlich die scheinbar dummen Aeußerungen Pickelhäring’s zu ironischer Schilderung[WS 1] der Umgebung verwendet, zeugt von großer Kenntniß der Bühnenwirkung, die auch seine theater-historisch interessanten eingestreuten Regienotizen bekunden.

Von Schoch’s sonstigen Arbeiten ist nur noch seine „Neu-erfundene Philyrenische Leipzigische Krieg, und Friedens-Schäfferey“ zu nennen. Es ist eine, in die Form der – „Schäfferey“ genannten – Schäfererzählungen, gekleidete, künstlerisch unbeholfene und plumpe Darstellung der Geschichte Leipzigs, die nicht einmal an die sehr unbedeutenden Muster dieser Gattung, wie sie von den Nürnberger Pegnitzschäfern geschaffen wurden, heranreicht.

Außer einigen Gelegenheits- und vereinzelten Kirchenliedern, von denen sein „Sterbe-Gesang“: Was ist es doch, was ist der Menschen u. s. w., sich in älteren Gesangbüchern erhalten hat, hat S. noch die Uebersetzung eines französischen Romans und der „Voyages de Jean Moquet en Afrique …“ veröffentlicht. Aber alle diese Arbeiten beeinflussen nicht das Bild des Dichters, das seine charakteristischen Züge von seinen weltlichen Schäfer- und Liebesliedern erhält. [731] Im Gegensatze zum Urtheil Erdmann Neumeister’s, der dessen Dichtungen ihrer Keuschheit wegen rühmt, hat Schoch’s Name lange als der eines obscönen Poeten fortgelebt, und noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts mußte sein Name für eine Sammlung lasciver Schäfergedichte das Lockmittel hergeben.

Jördens, Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten IV, 605 ff.

[729] *) Zu Bd. XXXII, S. 211.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schiderung