Zum Inhalt springen

ADB:Schottelius, Justus Georg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schottelius, Justus Georg“ von Max von Waldberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 407–412, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schottelius,_Justus_Georg&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:48 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schott, Peter
Band 32 (1891), S. 407–412 (Quelle).
Justus Georg Schottelius bei Wikisource
Justus Georg Schottelius in der Wikipedia
Justus Georg Schottelius in Wikidata
GND-Nummer 118610554
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|32|407|412|Schottelius, Justus Georg|Max von Waldberg|ADB:Schottelius, Justus Georg}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118610554}}    

Schottelius: Justus Georg S., Sprachforscher und Dichter, ist als der Sohn des Predigers Johann S. am 23. Juni 1612 zu Einbeck im Hannöverischen geboren, wurde nach dem frühen Tode seines Vaters zunächst für ein Handwerk, dann für den Kaufmannsstand bestimmt, bis endlich sein Wunsch sich für die gelehrte Laufbahn vorbereiten zu dürfen, durch Eintritt in die Hildesheimische Schule erfüllt wurde. Schon hier, wie später beim Besuche des Hamburger Gymnasiums, erwarb sich der junge S. seinen Lebensunterhalt durch Unterweisung seiner Mitschüler. Drei Jahre, von 1633–36, widmete er sich dann in Leyden dem Studium der Jurisprudenz. Durch die Kriegsunruhen veranlaßt nach Hause zurückzukehren, lehnte er das ihm in der Vaterstadt angebotene Conrectorat ab, um in Leipzig, und als ihm dort die Lebensverhältnisse zu kostspielig erschienen, im ruhigeren und billigeren Wittenberg seine Studien fortzusetzen. Im J. 1645 ging er als Hofmeister eines jungen Adeligen nach Braunschweig, wo er bald in den Dienst des dortigen Herzogs, ursprünglich nur als Erzieher des später als Romanschriftsteller bekannten Anton Ulrich von Braunschweig, später auch als Lehrer der Geschwister des Prinzen, der Prinzessinnen Sibylla Ursula, Clara Augusta und des Prinzen Ferdinand Albrecht, trat. Wiederholt war ihm Gelegenheit geboten, das recht beschwerliche Amt mit einem behaglicheren Dienste zu vertauschen, aber er hielt treu an seinen übernommenen Pflichten fest, wofür er vom Herzoge 1642 durch die Ernennung zum Hofgerichtsassessor und 1645 durch die Berufung zum Consistorialrath belohnt wurde. Im darauf folgenden Jahre sah er seine Thätigkeit als Prinzenerzieher beendet. Von nun ab besorgte er von Wolfenbüttel aus als Rath die fürstlich Dannebergischen Geschäfte. Als wirklicher Hofconsistorial- und Kammerrath starb er im fünfundsechzigsten Jahre seines Lebens am 25. October 1676 zu Wolfenbüttel. Im J. 1634 hatte er zu Helmstedt die Würde eines Doctor juris mit einer Disputation „de poenis juxta cujuscunque delicti meritum juste aestimandis“ erworben. Ein Jahr vorher war er als Mitglied in die „Fruchtbringende Gesellschaft“ mit dem Gesellschaftsnamen „Der Suchende“, 1646 als „Fontano“ in den „Blumenorden“ aufgenommen worden.

Schon in Schottelius’ erster Veröffentlichung macht sich jene vaterländische Gesinnung und die ehrliche Entrüstung über das Ueberwuchern des fremden Geistes im deutschen Leben, die sich in seinem gesammten Wirken dauernd zeigt, deutlich bemerkbar. In der „Lamentatio Germaniae expirantis. Der nunmehr hinsterbenden Nymphen Germaniae elendeste Todesklage“ (Braunschweig 1640) wird mit aufrichtiger Betrübniß, in allerdings mehr gut gemeinten als gelungenen Versen, der Jammer und das Elend in Deutschland geschildert und in ungekünstelter patriotischer Erregung den Vorfahren das verödete und verheerte Vaterland gezeigt. Sobald er den „Spansch-Welsch-Fransch-Teutschen Sinn“ seiner Zeitgenossen zu schildern beginnt, da belebt sich seine Sprache und seine Verse steigern sich zu wirkungsvollen patriotischen Strafreden in der Art eines Moscherosch. [408] Aber S. begnügt sich nicht nur zu klagen und zu strafen, er bestrebt sich, wenigstens auf den Gebieten, die er zu beherrschen glaubt, auch die rechten Wege zu weisen. Fast sein ganzes Leben hindurch ist er bemüht sein bestes Können der Ausbildung und Regelung seiner Muttersprache und der deutschen Dichtkunst zu widmen. In einer Reihe weit verbreiteter und wirkungsvoller Einzelschriften hat er sich systematisch für sein Hauptwerk vorbereitet, für den stolzen Bau seiner „Teutschen Haubt Sprache“, eine Arbeit, die ihm in der Geschichte der deutschen Sprachforschung einen dauernden Platz sichert.

Den Grund zu seinen Forschungen legte S. mit seiner „Teutschen Sprachkunst“, die 1641 in Braunschweig und dann ebenda 1651 verbessert und vermehrt erschien. Hier ist wol die Summe des Wissens von unserer Sprache, über die jene Zeit verfügte, zuerst systematisch aufgespeichert. Mit emsigem Fleiße hat S. alle Aeußerungen der einheimischen und fremden Autoren über die deutsche Sprache gesammelt. Mit freudigem Behagen verzeichnet er die „Testimonia der Gelahrten von der Treffligkeit der teutschen Sprache“ und müht sich mit der Widerlegung der Ausländer ab, welche „diese Haupt-Sprache verachtet und verächtlich allegiret haben“. In den weiteren Lobreden wird bewiesen, „daß die itzige Sprache annoch im Grunde eben die uhralte Teutsche Sprache sei“, ein seiner Neuheit wegen bemerkenswerther Versuch einer Periodisirung der deutschen Sprache gemacht, über den Ursprung der deutschen Lettern, über Wortzusammensetzung oder, wie es S. nennt, über „Verdoppelung“ und über die Eignung der Muttersprache zur Poesie gehandelt. Er versucht den Nachweis, daß in fast allen europäischen Sprachen deutsche Bestandtheile enthalten seien, und führt heftige Polemik gegen Diejenigen, welche die deutsche aus fremden Sprachen ableiten. Er entwirft einen umfassenden Plan für ein deutsches Wörterbuch mit Proben und Rathschlägen, ein Plan, den Leibnitz in seine „Unvorgreiflichen Gedanken“, die auch sonst von S. stark beeinflußt sind, übernommen hat. Auch auf die Namenkunde und ihre Bedeutung für die Sprachforschung weist S. in seiner Sprachkunst hin. Im zweiten Buche dieses Werkes beschäftigt er sich mit der Laut- und Formenlehre, wobei z. B. die Conjugation in eine „gleichfließende“ und „ungleichfließende“ getheilt wird. Das dritte Buch ist der Syntax gewidmet. Mit einem Verzeichniß der verdeutschten Terminologien, soweit sie in der Sprachkunst gebraucht werden, und die neben mißglückten Bildungen auch geschickt geprägte noch heute übliche „Kunstwörter“ enthalten, schließt er seine treffliche, für jene Zeit mehr als achtbare wissenschaftliche Leistung ab. Was aber an dem Werke besonders erfreut, ist die überall zu Tage tretende, innige, aus dem Herzen quellende Liebe für die Muttersprache. Mit mehr poetischem Sinn und kühneren Bildern, als je in seinen Gedichten, weiß er von den „süßen Geheimnissen der Sprache“ zu erzählen und ihre Herrlichkeit beredt zu preisen.

Bald nach dem Erscheinen der Sprachkunst war S. Mitglied der fruchtbringenden Gesellschaft geworden. Schon vorher war er in wissenschaftliche Beziehungen zu ihrem Haupte, dem Fürsten Ludwig von Anhalt-Köthen, getreten, als ihm dieser Gueintzens „Sprachlehre“ zur Begutachtung überschickt hatte. Dem Fürsten Ludwig hatte allerdings gerade Schottelius’ „Sprachkunst“, die in mancher Beziehung andere Wege als das von ihm geschätzte Gueintzische Buch ging, nicht sonderlich gefallen. Zu mehr als einer kühlen Anerkennung, daß er viel Gutes darin gefunden, und daß sie „ein feines unserer deutschen Sprache wohlanständiges Werk“ sei, hat er sich nicht entschließen können. Auch Harsdörffer berichtet, daß Schottelius’ „Sprachkunst“ noch zur Zeit geringen Beifall habe, und Fürst Ludwig meinte, als ihm berichtet wurde daß sie in den Nürnberger Unterrichtsanstalten als Schulbuch eingeführt sei, es scheine, daß man sich in [409] Nürnberg übereilt habe. Von anderer Seite dagegen, wie von Rist, Klaj, und vielen Anderen wurde das Buch als ein Wunderwerk gepriesen. Daß Fürst Ludwig’s kühle Zurückhaltung keine Verstimmung zwischen ihm und S. veranlaßte, beweist die 1643 erschienene Schrift „Der Teutschen Sprach-Einleitung. Zu richtiger gewisheit und grundmessigem vermügen der Teutschen Haubtsprache, samt beygefügten Erklärungen“, in der er dem kunstsinnigen Fürsten den Dank aller „teutschliebenden Gemüther“ als dem „Schutzherrn, Pflanzer und Erheber des weitgerühmten Kunstgewächses der teutschen Sprache“ ausspricht. Als Zweck seiner Schrift gibt er an, daß er nur habe zeigen wollen, „was die teutsche Sprache nach ihrer Abkunft und nach ihren Gründen sei, und was sie nach ihren reinen und eigenen Kunstquellen vermöge“. Er wendet sich gegen die Sprachmengerei, jenes Uebel, das damals so viele Federn in Bewegung setzte. Mit derben und bitteren Worten rügt er, daß man den deutschen Geist in undeutscher Weise ersticke. Die deutsche Sprache – hier redend eingeführt – klagt, daß kein Wort mehr ihr eigen sei. S. verweist auf Muster deutscher Schreibweise, u. a. auf die Reichsabschiede, Aventin, auf den „Teutschenfreund“ Goldast, und „Herrn Lutheri auch fast große Bücher Last“. Hier kündigt er auch schon sein Hauptwerk an. In der fruchtbringenden Gesellschaft, wo S. in wissenschaftlichen Fragen bald eine dominirende Stellung erlangte, wird jedoch sein Interesse zunächst von der Sprachforschung zur Poetik gelenkt. In dem von Schottelius’ Seite bis 1645 noch lateinisch geführten Briefwechsel mit dem „Nährenden“, dem hohen Schutzherrn der Gesellschaft, leitet Letzterer den Forscher auf Fragen der Metrik und muntert ihn auf, die „Grundrichtigkeit der deutschen Poesie zu finden“. Man war wieder in der Schätzung der Opitzischen Prosodie etwas schwankend geworden und einer Revision der seit Opitz kanonischen Regeln nicht abgeneigt. Der rege briefliche Meinungsaustausch zwischen Fürst Ludwig, S. und Anderen führte zu keinem Ziele und so wurde 1645 eine Zusammenkunft der Fruchtbringenden Gesellschaft behufs endgültiger Regelung dieser schwebenden Fragen veranlaßt. S. aber von einzelnen Genossen z. B. Moscherosch („Komm es ist die höchste Zeit – – sonst wird unser Reimen-weben, Ein Gewäsch und Babbel geben“) gedrängt, veröffentlichte, ohne die Ergebnisse dieser Versammlung abzuwarten oder die Erlaubniß des „Nährenden“ einzuholen, seine „Teutsche Vers- oder Reim-Kunst“ (Wolfenbüttel 1645), was ihm nicht wenig übel vermerkt wurde. Dieses umfangreiche Werk trägt dem seit Opitz bedeutend erweiterten Formenreichthum in der Dichtkunst Rechnung. Vieles was in Opitz conciser Fassung nicht ausgesprochen oder nur angedeutet wurde, ist hier, allerdings nicht immer im Sinne der „Poeterey“ breit behandelt. Die neue Kunst, wie sie besonders durch die Nürnberger repräsentirt wird, macht sich hier schon in der vorgedruckten Harsdörfferischen Zugabe bemerkbar. Das Spielen mit den poetischen Formen, mit Worten und Reimen wird hier schon als Programm aufgestellt. Der metaphorische Unfug des Marinismus wagt sich schon keck hervor und all den unwahren poetischen Posen und der erkünstelten Darstellung von Affecten das Wort geredet. Schottelius’ Reimkunst nimmt sich fast wie die praktische Ausführung dieses Programms aus. In den drei Büchern dieser Poetik werden die bekannten Betonungsgesetze breitgetreten, aber doch auch Ausnahmen zugelassen. Im Versbau ist S. zuweilen strenger als Opitz, gestattet aber andererseits zahlreiche Freiheiten. Seine Regeln über Theilbarkeit der Verse, Cäsur und Reime sind voll der willkürlichsten Sonderheiten, oft, wie es den Anschein hat, nur geäußert, um den technischen Künsteleien seiner Freunde die theoretische Weihe zu geben. Am weitgehendsten ist der Abschnitt, der die Strophenformen behandelt, wo alle noch so ungereimten fast kindischen Reim- [410] und Versspielereien gebilligt ja gefördert werden. Mit großer Umständlichkeit wird all das Reim- und Wortgeklapper, alle nur für das Ohr und das Auge berechneten Verskünsteleien, wie sie die Nürnberger Pegnitzschäfer bis ins Unerträgliche trieben, behandelt, und großes Gewicht auf allerlei typographische mit Reimen combinirte Kunststückchen gelegt. Dazu kommt noch eine ebenso prätentiöse als unverständliche Terminologie, und „Dreiständige und Dreigeschränkte Reime“, die „Wiedertritte und Trittreime“, die „abwallenden und eilhebenden Reimarten“ schwirren von hier aus in die zierlichen Büchlein der Nürnberger Spielwaarendichter, mit denen S. oft durch freundschaftliche Beziehungen verbunden war. Einiges scheint zur Poetik auch August Buchner beigesteuert zu haben und S. beruft sich öfter auf ihn. S. selbst legt sich in seinen Dichtungen, die im „Fruchtbringenden Lustgarten“ (Wolfenbüttel 1647, gedruckt durch Johann Bißmark) in 5 Abtheilungen gesammelt, erschienen sind, eher einigen Zwang auf, obgleich er auch nicht wenige in der äußeren Gestaltung und in den Reimwirkungen ausgeklügelte Gedichte hat. Dieser Widerstreit scheint ihm jede künstlerische Individualität, und sei sie nur in der Art der Pegnitzschäfer, geraubt zu haben. Er wechselt im Stil und in den Stoffen, kommt in seinen geistlichen Gedichten einerseits dem fast blasphemisch familiären Tone einzelner späterer pietistischer Liederdichter nahe, während er anderseits nach Art der Renaissancelyriker oft mythologische Elemente mit christlichen mengt. In seinen geistlichen Werken wie „Jesu Christi Namens-Ehr“ (Wolfenbüttel 1666), „Vorstellung Des Jüngsten Tages“ (Braunschweig 1668), in der „Grausamen Beschreibung und Vorstellung der Hölle“ (Wolfenbüttel 1676) u. a. werden oft in Prosa und in Versen Dantische Stoffe in einem erbärmlichen Gemisch von marinistisch schwülstiger Sprache und süßlichen spielenden Empfindungen behandelt, mit der kaum erreichten Absicht, die Frommen „gottselig“ zu erbauen, und dem „gottlosen Menschen gleichsam die höllischen Funcken annoch in dieser Welt ins Gewissen zu stieben und Rükk-gedanken zur Ewigkeit zu erwekken“. Etwas nüchterner sind die vereinzelten Proben geistlicher Lieder in seiner „Vers-Kunst“ und die in einzelnen Gesangbüchern zerstreuten, die sich oft auf Sterbensgefahr und Tod beziehen und wol aus der Zeit stammen, wo er seinem Zögling Anton Ulrich von Braunschweig die frommen Lieder in dessen „Christ-fürstlichem David-Harpfenspiel“ verbesserte. Wenigstens haben die Schottel’schen Lieder mit diesem „Fürbild Himmel flammender Andacht“ mancherlei, vor allem eine gewisse Ruhe des Ausdruckes und objectivere Empfindung gemeinsam. Sonst sind Schottelius’ geistliche Dichtungen schon von jener „süßen Innigkeit“ und vertieften Subjectivität erfüllt, die sich in der geistlichen Lyrik beim Uebergang aus dem davidischen Psalmenton in die des salomonischen Hohen Liedes zeigt und bedeuten schon eine Vorstufe der späteren pietistischen Liederdichtung.

Auch auf dramatischem Gebiete hat sich S. versucht. Er hat ein „Neu erfundenes Freudenspiel genannt Friedens Sieg“ gedichtet. Es wurde 1642 im fürstlichen Burgsaal zu Braunschweig „von lauter kleinen Knaben“ dargestellt, und später als eine Art Nachfeier des westfälischen Friedens unter dem Subrectorate Joh. Höpner’s von den Schülern des Kölnischen Gymnasiums auf dem Rathhause für die Bürgerschaft von Berlin und Köln an der Spree am 16. und 18. Januar 1649 aufgeführt. S. hat auch eine „Ethica. Die Sittenkunst oder Wollebenkunst“ (Wolfenbüttel 1669) veröffentlicht, eine keineswegs selbständige Arbeit, die ihm den wol anzuzweifelnden Ruf eines „ersten deutschen Moralphilosophen“ brachte. In das Gebiet der Curiosa gehört sein Schriftchen „Von unterschiedlichen Rechten in Deutschland“ (Frankfurt u. Leipzig 1671), die vom „Hagestolzenrecht“ und ähnlichem handelt. Alle diese Schriften treten an Bedeutung [411] zurück, wenn sein Hauptwerk, die „Ausführliche Arbeit von der deutschen Haubtsprache“ (Braunschweig 1663) betrachtet wird, in welchem er die Ergebnisse aller seiner Bestrebungen vereinigte. S. gibt selbst als nächsten Entstehungsgrund dieser Arbeit das Drängen des Verlegers und des Publicums nach neuen Auflagen seiner früheren sprachlichen und theoretischen Werke an. Nun faßt er sie alle soweit sie auf die deutsche Sprache, Poetik und Metrik bezug haben in diesen großen umfangreichen Quartband zusammen. In den vier ersten Büchern werden die „Lobreden“, der Kern seiner „Sprachkunst“, dieser aber wesentlich verändert und gebessert, und seine „Verskunst“ wieder abgedruckt. Im letzten fünften Buche werden sieben Tractate veröffentlicht, von denen der erste eine Neuausgabe seiner „Sprach-Einleitung“ ist, die anderen über Erklärung deutscher Namen, Sinnbilder, Denksprüche und Bilderreime handeln, über „alle bekannten Leute, welche von teutschen Dingen vormals und neulich teutsch geschrieben haben“ berichten, ein treffliches Zwiegespräch wie man recht verdeutschen soll und eine Abhandlung über Stammwörter enthalten, und in einem lateinischen Schlußcapitel eine Art Zusammenfassung des Ganzen bieten. Dieses Buch ist ein stolzes Denkmal deutscher Gelehrtenarbeit und in der Geschichte der deutschen Philologie von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Schottel schöpft aus allen Quellen, aus denen die Sprache fließt. Bei allen seinen verfehlten Experimenten und Schlüssen, zeigt er doch schon lebhaften Sinn für historische Entwicklung der Sprache und dämmerndes Verständniß für ihr Leben. Er lenkt seinen Blick auch auf die ältere deutsche Litteratur, schätzt Goldast’s Veröffentlichungen nach Verdienst, betont den Zusammenhang der germanischen Sprachen, ahnt die Bedeutung des Altnordischen für die deutsche Sprachgeschichte. S. hat bedeutsame von anderen dann aufgegriffene Anregungen für eine Wissenschaft von der deutschen Sprache gegeben, und den achtungswerthen Versuch gemacht die deutschen Stammwörter zu sammeln. Er unterscheidet sich von gleichstrebenden Zeitgenossen auch schon dadurch, daß ihm nicht nur die Codificirung des Sprachrichtigen am Herzen lag, sondern daß er es auch historisch zu begründen suchte, und daß er bemüht war nach großen Gesichtspunkten und einem einheitlichen Plane die deutsche Sprache wissenschaftlich zu behandeln. Daß er dabei so häufig Irrwege ging, kann ihm beim damaligen Stand der Wissenschaft kaum nachgetragen werden. Sein rührender Fleiß, sein stetes Bemühen dem Ganzen zu dienen kann nicht übersehen werden, und bei aller Vielseitigkeit hat er nie die Schwäche so vieler zeitgenössischer Polyhistoren gezeigt, die nur an der Oberfläche der Dinge klebten und gar nicht den Versuch machten, in die tieferen Schachte der Wissenschaft zu dringen. Bei allem Eifer wußte er auch Maß zu halten. Selbst in der Frage der Sprachreinigung, die ihm sein ganzes Leben lang am Herzen lag, hat er nie mit blindem Haß gekämpft. Er ist zumeist bemüht die „eingeschobenen a la mode Lappwörter“ zu entfernen und die wissenschaftliche Terminologie zu verdeutschen, ist aber duldsam gegen Lehnwörter und fest eingebürgerte fremde Sprachelemente. – Auch seine letzten Arbeiten sind noch seinem Hauptgebiete, der deutschen Sprachwissenschaft, gewidmet. Sein „Horrendum bellum grammaticale Teutonum antiquissimorum“ (Braunschweig 1673) ist eine in derb komischer Weise ausgeführte Mahnung zur deutschen Einigkeit, wobei nicht immer sehr glücklich Fragen der Grammatik und Politik zu einander in Beziehung gebracht werden. Sein letztes Schriftchen, seine „Kurze und gründliche Anleitung zu der Rechtschreibung und der Wortforschung in der deutschen Sprache“, ist nur ein für Schulen bestimmter Auszug aus der „Hauptsprache“.

Schottelius’ weitausblickender Geist, seine treue oft naive Freude an der Muttersprache, die sein ganzes Wirken verklärt, sein hohes von Sittlichkeit getragenes [412] Streben, dem deutschen Volke seine Sprache lieb und werth zu machen, und sein ernster Forschungstrieb haben ihm schon zu Lebzeiten freudige Anerkennung verschafft. Harsdörffer hat aus Schottelius’ Namen ein „Paragramma“ gemacht: Varro teutonicus, vindex linguae. Doch auch ein neuerer Forscher hat ihm den allerdings nicht unbestritten gebliebenen, aber auch nicht ganz unverdienten und bezeichnenden Ehrennamen eines „Jakob Grimm des 17. Jahrhunderts“ verliehen.

Jördens, Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten, Bd. IV, S. 614 ff. – E. C. Reichardt, Versuch einer Historie der deutschen Sprachkunst, Hamburg 1747, S. 98 ff. – Borinski, Poetik der Renaissance, Berlin 1886, S. 149 ff.