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ADB:Schrader, Clemens

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Artikel „Schrader, Clemens“ von Johann Friedrich von Schulte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 425–427, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schrader,_Clemens&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 04:38 Uhr UTC)
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Schrader: Clemens S., Theolog, geboren im J. 1820 zu Itzum im Hildesheimischen (Provinz Hannover), † am 23. Februar 1875 im Ordenshause zu Poitiers. Nach Zurücklegung der Gymnasialstudien in Hildesheim studirte er im Collegium Germanicum zu Rom, wurde hier im J. 1843 Dr. phil., 1848 Priester, trat im selben Jahre in den Jesuitenorden ein und erhielt die theologische Doctorwürde. Nach dem Ausbruche der Revolution in Rom flüchtete er nach Deutschland unter einem anderen Namen und zugleich mit Passaglia, der als sein Diener auftrat, wie mir beide umständlich erzählt haben. Nachdem er kurze Zeit in der Heimath gewesen, übernahm er im J. 1850 die Professur der Dogmatik in Löwen, wurde aber bereits im folgenden Jahre nach Rom zurückberufen, Studienpräfect des Collegium Germanicum, 1853 Professor der Dogmatik am Collegium Romanum. Er arbeitete mit Passaglia an dem Werke über die unbefleckte Empfängniß und an der Ausgabe des Petavius. Ich habe ihn am 1. April 1854 mit Passaglia zuerst und dann wochenlang fast täglich gesprochen. Beide waren unzertrennlich, arbeiteten täglich Stunden lang zusammen, machten gegen die sonstige Ordenssitte ihre Spaziergänge zusammen – ich habe sie wiederholt begleitet – und schienen eine sehr privilegirte Stellung zu haben. Damals, wo Pius IX. noch nicht ganz für die Jesuiten gewonnen war, konnte S. und Passaglia nicht Tadel genug finden über dessen Benehmen, sie schoben ihm alle Schuld an den Zuständen in Rom zu, wußten nicht genug von der Zurücksetzung der Jesuiten durch ihn zu erzählen [426] und leiteten hieraus alles Unglück her. Das wurde anders, als das Dogma vom 8. December 1854 fertig geworden war; S. hat mit Passaglia im Jahre 1855 eine Reise in seine Heimath gemacht, besuchte mich mit diesem und einer Schwester, die er zum Eintritt in ein römisches Kloster abholte, in Prag, da war Pius IX. ein wahrer Held geworden. Als Cardinal Rauscher die theologische Facultät in Wien mit der correcten Theologie versehen wollte, erhielt S. auf dessen Wunsch die Professur der Dogmatik – für die Theologie des Thomas von Aquino wurde der Dominicaner Guidi berufen –, diese gab er 1863 auf, weil er den Eid auf die Verfassung zu leisten sich weigerte. Im J. 1868 und 1869 war er Mitglied der theologisch-dogmatischen Commission für das vaticanische Concil und hat ohne Zweifel einen sehr großen Antheil an der Abfassung der Vorlagen gehabt, zumal er schon im J. 1865 offen die Ausübung der Unfehlbarkeit durch Pius IX. verkündete. Seit 1870 lebte er in Frankreich als Professor der Theologie im Ordenshause zu Poitiers. Die Bedeutung Schrader’s liegt nicht in seinen Schriften, welche zum Theil unbedeutend sind und, was für die mit Passaglia bearbeiteten gilt, nichts als Fleiß verrathen, zum Theil keinen tieferen wissenschaftlichen Werth haben, sondern in dem Wirken des Mannes in Wien und für das vaticanische Concil. S. war der leidenschaftlichste Verfechter des Jesuitenordens, des päpstlichen Absolutismus und der Herrschaft der „Kirche“ über den Staat und über alle Lebensverhältnisse, der gedacht werden kann. Er hatte sich in die Scholastik in einer Weise eingelebt, daß er jeder anderen Auffassungsweise unfähig war. Ohne Geist, aber mit großem positivem Wissen in seiner Richtung ausgestattet hing er mit unbedingter Ueberzeugung an dieser. Infolge seiner scholastischen Durchbildung wußte er für Personen, welche keine tiefe selbständige Kenntniß der Geschichte besaßen, die Richtigkeit seiner Lehre mit einer Sicherheit vorzutragen, welche vielleicht auch die Sophismen unbewußt als wirkliche Beweise ansah. Er theilte mir im Mai 1866 mit, daß ein allgemeines Concil zum Zwecke der Dogmatisirung der päpstlichen Unfehlbarkeit einberufen werden sollte. Meine Vorstellungen versetzten ihn in einen Zustand der Aufregung, der sich nicht beschreiben läßt; er hat Recht behalten. Sein Wirken in Wien war einschneidend. Das Jesuitencolleg, welchem die Universitätskirche übergeben war, bildete den Sammelpunkt für die ultramontane Aristokratie. S. ganz besonders übte einen großen Einfluß, ihm sind auch verschiedene Conversionen, die Aufsehen machten, zuzuschreiben; er hat die scholastische Theologie zum Siege an der Wiener Facultät geführt und wesentlich beigetragen, daß der jüngere Clerus zum großen Theile in die Bahnen des Ultramontanismus einlenkte. Durch die Verbindungen der Wiener Jesuiten am Hofe und im Ministerium (Graf Buol, Bach, Graf Leo Thun, v. Meysenbug, v. Biegeleben, Helfert u. s. w.) und den Einfluß des Cardinals Rauscher wurden die Jesuiten allgewaltig, ihre Pensionate in Kalksburg und Feldkirch haben einen großen Theil des österreichischen und deutschen Adels erobert. – Schriften: „De triplici ordine naturali, praeternaturali et supernaturali“. Wien 1864; „Theses theologicae quas in Vindob. Acad. synopsis instar auditoribus tradidit“. 7 Serien. Freib. 1862–1869; „De unitate Romana, Lib. I. διδαϰτιϰός Freib. 1862; L. II. πϱαγματιϰός. Wien 1866; „Der Papst und die modernen Ideen“. Wien 1864–1867, 5 H. Diese geben eine Uebersetzung des Syllabus, worin in Anmerkungen die positiven vom Syllabus gewollten Gegensätze gegeben werden, mithin sind sie für die Auffassung des maßgebenden Kreises sehr werthvoll; „Pius IX. als Papst und als König“, 3 Hefte. Mit Passaglia zusammen: „De ecclesia Christi“. Regensburg 1856. 2 voll.; „De immaculata virginis conceptione“. 3 voll. Rom 1857.

[427] v. Wurzbach, Lex. XXXI, 253. – Friedrich, Gesch. d. Vatican. Concils I, 291 u. ö. (s. Index). – Mein Altkatholicismus S. 64.