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ADB:Schrader, Heinrich Eduard Siegfried von

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Artikel „Schrader, Heinrich Eduard Siegfried von“ von Ernst Landsberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 428–429, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schrader,_Heinrich_Eduard_Siegfried_von&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 21:05 Uhr UTC)
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Schrader: Heinrich Eduard Siegfried v. S., Jurist, ist geboren am 31. März 1779 zu Hildesheim, wo sein Vater Secretär des lutherischen Consistoriums war. Er verlor denselben schon früh, wurde jedoch von seiner Mutter Dorothea geb. Raue trefflich erzogen. Nachdem er das Gymnasium in Hildesheim absolvirt hatte, bezog er 1798 die Universität Helmstedt, um Theologie zu studiren, und dabei seiner Lieblingswissenschaft, der Mathematik, obzuliegen. Mit dem Entschluß, sich letzterer ganz zu widmen, ging er 1800 nach Halle, ließ sich dann jedoch für die Rechtswissenschaft gewinnen und begab sich deshalb 1801 nach Göttingen in die Schule Hugo’s. Dieser brachte er um so größere Empfänglichkeit entgegen, als er auf Gymnasium und Universität neben allen übrigen auch eifrig philologische Dinge getrieben hatte. Von Hugo mit Liebe und Eifer für sein neues Fach erfüllt, löste er 1802 und 1803 zwei akademische Preisaufgaben, promovirte am 20. Juli 1803 zu Göttingen und habilitirte sich dortselbst als Privatdocent am 21. August noch desselben Jahres. Als außerordentlicher Professor wurde er 1804 nach Helmstedt berufen, heirathete 1805 die Tochter des Hannoveraner Gymnasialdirectors J. H. Köppen, ward 1808 vom Könige von Westfalen zum ordentlichen Professor ernannt und 1809 bei der Auflösung der Universität Helmstedt nach Marburg überwiesen. Einem Rufe aus Tübingen folgte er 1810 und ist sodann dieser Universität auf Lebenszeit treu geblieben, während er noch nebenbei 1813–17 das Amt eines Obertribunalrathes bekleidet hat. Mutter und Ehefrau wurden ihm 1837 binnen dreien Tagen, Schlag auf Schlag, durch den Tod entrissen, während er Kinder nie besessen hat. Als er im J. 1853 in voller körperlicher und geistiger Frische seinen 75jährigen Geburtstag feierte, erhielt er das Komthurkreuz des Ordens der württembergischen Krone. Erst in den letzten Jahren seines langen Lebens trat merkliche Abnahme seiner Kräfte ein, schließlich in solchem Maaße, daß der am 16. August 1860 erfolgte sanfte Tod als Erlösung bezeichnet wurde. – S. hat eine hervorragende Bedeutung als Lehrer deshalb, weil er der erste und, lange Zeit hindurch, der einzige Vertreter der historischen Rechtsschule in Tübingen war, dort den Samen der neuen Methode mit glücklicher Hand ausstreute und so der Meister einer großen Schaar heranwachsender und -strebender juristischer Kräfte wurde; Männer wie K. G. v. Wächter und R. v. Mohl gehören zu seinen Schülern. – Weniger erfolgreich war die juristisch-philologische litterarische Thätigkeit, welcher S. seit 1819 fast sein ganzes Leben gewidmet hat. Bis dahin hatte er mancherlei dogmatische und rechtshistorische Aufsätze geschrieben, auch die Mathematik so sehr weiter gepflegt, daß er 1814 in einem mathematischen Preiswettstreit der Akademie der Wissenschaften zu Kopenhagen gegen 12 Concurrenten den Preis erhielt. Aber bereits in seinen 1808 erschienenen Abhandlungen aus dem Civilrecht findet sich eine „Ueber eine neue Handausgabe des Justinianischen Gesetzbuches“; 1818 verband er sich mit dem Philologen S. J. Tafel und dem juristischen Privatdocenten Clossius zu der Bewältigung der in jenem Artikel zuerst kurz angedeuteten, nun wesentlich erweiterten Aufgabe; 1819 gewann er dafür einen Verleger; 1823 legte er dem Publicum eine Uebersicht der Studien, des Materials u. s. f. für die Institutionen in dem „Prodromus corp. iur. civ.“ vor; 1832 erschienen die Institutionen, ein starker Quartband, „ein Muster deutschen Fleißes und deutscher Gründlichkeit“; 1837 zum Jubiläum Hugo’s trat eine kleine Probe aus dem Pandektentitel „De origine iuris“ ans Licht; wenige Wochen vor seinem Tode gelangte S. bis zum Ende des 14. Titels des zweiten Buches der Pandekten; daß die inzwischen in andere Hände übergegangene Verlagsfirma, an welche er sich nunmehr mit dem Ersuchen wandte, das Fertige einstweilen zu drucken, sich dessen weigerte, war gar zu selbstverständlich, die Mitarbeiter – schon über der Institutionenbearbeitung [429] war J. C. Maier an Stelle von Clossius getreten – waren längst weggefallen; so liegen denn die Schrader’schen Papiere jetzt, eine endlose Reihe sorgsamst gearbeiteter und zusammengestellter Hefte, Notizen, Manuscriptvergleichungen u. s. f. auf der Tübinger Universitätsbibliothek, eine ebenso gewaltige und sorgfältige, wie ergebnißlose Arbeit. Fast weiß man nicht, worüber man mehr erstaunen soll, über den unentwegten Eifer, mit welchem S. an diesem Werk, dessen Unausführbarkeit ihm doch längst klar geworden sein mußte, bis zum letzten Athemzuge festhielt, oder über die völlige Unfruchtbarkeit aller dieser Bemühungen. Letztere erklärt sich theils aus des Verfassers veralteter philologischer Methode, welche alle Handschriften, ja selbst spätere Ausgaben heranzog, mit unendlichen Mühen, Kosten und Zeitverlusten verglich und zusammenstellte und so schließlich in der Masse unterging; theils daraus, daß S. nicht darauf verzichten wollte, mit der eigentlichen Quellenedition einen fortlaufenden Commentar, unter Benutzung der Romanisten aller Jahrhunderte, zu verbinden. Die, mir persönlich bekannten, Schrader’schen Papiere zu Tübingen kommen heute höchstens noch als Informationsquelle über Manuscripte, ihr Alter, ihren Aufenthaltsort, ihre Glossen u. dgl. m. in Betracht; eine kurze Notiz aus ihnen darüber zusammenzustellen wäre vielleicht verdienstlich; sie selbst werden schwerlich je zur Veröffentlichung gelangen. – Politisch ist S., obschon im allgemeinen nicht illiberal gesinnt, in den Wirren des Jahres 1848 gegen jede Ueberstürzung und radicale Maßregel aufgetreten und hat zu diesem Behufe in zahlreichen Volksversammlungen seine Person einzusetzen sich nicht gescheut, trotz einer gewissen natürlichen Befangenheit und Gemüthsweichheit; persönlich wird er als ein weiblicher Lebensleitung gern unterstehender Charakter, als ein in der späteren Lebenszeit äußerst religiös gesinnter, stets aber in ausgedehntestem Maaße wohlthätiger und pflichttreuer Mann geschildert.

Nekrolog (gez. B…s, (wohl Bruns) im Schwäbischen Merkur, zweite Abtheilung, Nr. 51 vom 28. Februar 1861, S. 383–385. – Klüpfel, Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen 451.