Zum Inhalt springen

ADB:Sessing, Jakob Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Sessing, Jakob Friedrich“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 42–44, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sessing,_Jakob_Friedrich&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 10:03 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Serz, Georg Thomas
Band 34 (1892), S. 42–44 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand November 2009, suchen)
Jakob Friedrich Sessing in Wikidata
GND-Nummer 138425566
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|34|42|44|Sessing, Jakob Friedrich|Karl Friedrich Ledderhose|ADB:Sessing, Jakob Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138425566}}    

Sessing: Jakob Friedrich S., im Baseler Missionshaus gebildet, ist am 28. Mai 1802 auf der Eisenschmelze Steinbach bei Michelstadt im Odenwalde geboren und † am 6. September 1856. Seine Voreltern stammten aus Böhmen; um des Evangeliums willen vertrieben, ließen sie sich in Berlin nieder. Sein Vater hielt sich einige Jahre in der Brüdergemeine Zeist in Holland auf, schloß sich mit den Seinen überhaupt an dieselbe an und von hier kam er als Inspector an die oben genannte Eisenschmelze und wurde mit der Firma Benedict und Balthasar Stähelin in Basel bekannt. Im J. 1804 reiste die Familie S. selbst nach Basel in das Geschäft der vorhin genannten Firma. Mit großer Offenheit schildert unser S. sein früheres Leben. Obwohl seine frommen Eltern sich alle Mühe gaben, ihre Kinder in christlichem Sinne zu erziehen, bekennt er doch späterhin in seinem Lebenslaufe über seine Jugend: „Ich muß mich schämen, wenn ich an diese Zeit denke; ich war immer das unartigste und unfolgsamste Kind meiner Eltern.“ Er war noch nicht sieben Jahre alt, als schon sein Vater starb und drei Jahre nachher lag auch seine fromme Mutter auf dem Sterbelager. Christliche Leute in Basel nahmen sich der armen vier Kinder an. Unser Jakob Friedrich kam zu einem Gerber Martin Wenk. Er war aber noch der wilde ungezogene Knabe von früher. Alle Liebe, die auf ihn verwendet wurde, machte keinen tieferen Eindruck. Er bekennt sogar, daß er gegen seinen Herrn untreu wurde. Nun wollte derselbe ihn nicht mehr im Hause behalten. Er kam nach Liestal zu dem Schreiner Gysin, um dessen Profession zu erlernen; derselbe hielt ihn auch zur Feldarbeit an. Im J. 1817 trat er in den Confirmandenunterricht. „Ich faßte den Entschluß“, sagt er, „meinem Heiland von nun an zu dienen und der Welt abzusagen“. Er hatte einen ganz besonders eingreifenden Lehrer, den bekannten Pfarrer v. Brunn. Er blieb jetzt gerne allein zu Haus und beschäftigte sich mit Lesen, hielt auch seine Lehrzeit von vier Jahren getreulich aus. Weil er ein besonderer Freund der Musik und des Gesangs war, entschloß er sich noch, die Instrumentenfabrikation zu erlernen. Er machte gute Fortschritte darin. Während er bisher die Versammlungen der Brüder gemieden hatte, faßte er nun den Entschluß, dieselben wieder aufzusuchen und empfing einen solch tiefen Eindruck, daß er bekennt: „Der Herr hat gesiegt, ich bin nun sein, und Niemand wird mich aus seiner Hand reißen!“ Schon vorher und ganz besonders jetzt beschäftigte er sich viel mit der Missionssache. Selbst Missionar zu werden, war sein ernstes Anliegen. Er wandte sich nun an das Missionscomité von Basel und trat im November 1822 in die Anstalt [43] ein. In derselben hielt er fünf Jahre aus und wurde zu einem tüchtigen Missionar herangebildet. Zu eben jener Zeit faßte man in Basel zuerst den Gedanken, ein selbständiges Missionsfeld zu bearbeiten, während bisher die Brüder an verschiedene Gesellschaften verabfolgt wurden. Es war der schwarze Erdtheil, welchen man ins Auge faßte. Die Dänen hatten Besitzungen auf der Goldküste, und die Nordamerikaner hatten die Negercolonie Liberia gegründet. Ein frommer trefflicher Gouverneur von Liberia, der Geistliche Ashmun, hatte sich von dem Comité in Basel Arbeiter erbeten. Nach seiner Darstellung hatte die Colonie den hoffnungsvollsten Anfang. Schon im Mai 1827 reiste S. mit den Brüdern Hegele und Handt nach England ab, um sich bei einem Landgeistlichen in der englischen Sprache und in der Art des englischen Schulunterrichts zu üben. Wenn sie aber auch im November desselben Jahres abreisten, so mußten sie wieder zurückkehren wegen eines Unfalls, den einer der Brüder erlitt. Endlich landeten sie nach vieler Noth am 2. April 1828 in Sierra Leone und nach einem Monat in Monrovia, der Hauptniederlassung von Liberia. Aber den trefflichen Ashmun trafen sie nicht mehr; denn um einer schweren Krankheit willen hatte er sich nach Nordamerika zurückgezogen und starb noch in demselben Jahre. Er war die Seele und das Haupt der ganzen Colonie gewesen, und mit seinem Abzuge trat Unordnung und Verwirrung ein. Als S. einem englischen Gottesdienst für Neger beiwohnte, hatte er seine Freude daran und äußerte einmal, die Schwarzen hättens ihm angethan; er werde sein Leben lang nicht mehr von ihnen los kommen. Das ist eingetroffen, freilich nicht in Afrika, sondern in Amerika, wie wir bald sehen werden. Inzwischen waren noch andere Missionsbrüder angekommen und sie mußten sich entschließen, sich häuslich einzurichten. Sie bauten sich eine elende Hütte im dichten Wald, und bereits war S. erkrankt. Hegele und S. beschlossen dann, unter den Bassas zu missioniren, während Handt mit dem Ranzen auf dem Rücken, unter die Neger ziehen wollte. Weil Hegele vom Sonnenstich getroffen und krank geworden war, mußte er sich zurückziehen; so arbeitete S. allein. Der König Joe schenkte ihm Zutrauen und übergab ihm seine Kinder zur Erziehung. Bei dem freundlichen Verkehr mit den Leuten war S. im Stande, werthvolle Nachrichten über den Stamm der Bassa aufzuzeichnen, auch benützte er seinen Aufenthalt zu einer Wörtersammlung. Da der krankhafte Zustand Hegele’s immer zunahm, erhielt S. die Aufgabe, ihn nach Sierra Leone zu begleiten. Als er mit dem Kranken Ende Januar 1829 in Freetown ankam, mußte er sich entschließen, den armen Hegele selbst nach Europa zurückzubringen. Weil er nach Afrika zurückzukehren wünschte, indem er nicht entmuthigt war, schickte ihn das Comité im September 1829 mit drei Missionaren ab. Auch hatte er sich inzwischen verheirathet. Er reiste mit seinen Gefährten über Amerika und fand schon mehrere Brüder durch das Klimafieber aus der Thätigkeit hinweggerissen. Ein Bruder mußte den andern pflegen. Frau S. blieb noch die stärkste. Bis Juli 1834 arbeitete S. auf der englischen Negercolonie York bei Freetown (Sierra Leone), aber gerade in diesem Monat löste sich sein Verhältniß zur dortigen Colonialregierung. Neben seiner eigentlichen Missionsthätigkeit, welche er eifrig betrieb, versah er zugleich das Amt eines bürgerlichen Gemeindevorstehers. Als solcher übte er strenge Zucht, und die, welche die Zucht haßten, waren seine Gegner. Als ein neuer Gouverneur kam, klagten die Gegner, und die Folge war, daß S. jenes bürgerliche Amt verlor. Durch diese Entlassung sah er seine Missionsthätigkeit beschränkt, und vergessen wir nicht, daß die übrigen Brüder meistens gestorben waren und er allein dastand. So verließ er mit seiner Frau und einem Söhnchen Sierra Leone am 11. Juli 1834. Im Januar 1836 forderte ihn der Secretär der kirchlichen Missionsgesellschaft in England auf, in ihren [44] Dienst zu treten. Er nahm den Ruf an; schon im März 1836 treffen wir ihn auf der Insel Jamaica. Es war ihm die Aufgabe gestellt, frei gelassene Neger, welche früher als Sklaven auf den Kaffeeplantagen beschäftigt gewesen waren, zu sammeln und zu organisiren. Die Station heißt Birnamwood. Da war weder eine Capelle noch eine Schule, und das für den Prediger bestimmte Haus lag halbzerfallen da. Der entschiedene praktische Mann machte sich bald daran, Kirche und Schule zu erbauen, auch vergaß er nicht, ein Pfarrhaus herzustellen. Schon am ersten Sonntag eröffnete er seine Arbeit mit einem Gottesdienst, und am zweiten begann er eine Sonntagsschule. Außer der Negerbevölkerung lebten auch europäische Familien, ehemalige Plantagenbesitzer, in der Umgegend. Es versteht sich, daß er dieselben auch besuchte und zum Anschluß an die Gemeinde aufforderte. Der größte Theil schloß sich der Gemeinde an. Es war eine schwere Geduldsarbeit, die wild dahin lebende schwarze Bevölkerung zu einer christlichen Gemeinde heranzubilden. Da war keine Eheordnung, was zum Theil von den Weißen befördert ward. Er drang auf die Heilighaltung der göttlichen Gebote und des Evangeliums, stellte die Kindertaufe her und überhaupt legte er den Eltern eine christliche Erziehung ans Herz. Während im Anfang seiner Thätigkeit durchschnittlich nur 50 Zuhörer sich einstellten, so mehrte sich die Zahl derselben nach drei Jahren auf 300–400. Er eröffnete auch eine regelmäßige Tagschule, die pünktlich besucht wurde. Im J. 1842 wurde die Gemeinde Birnamwood als regelmäßige Kirchgemeinde mit der englischen Kirche vereinigt. Immer lieber wurde ihm im Lauf der Jahre seine Gemeinde, und er gedachte, dort zu sterben. Im J. 1849 und dann 1856 machte er mit seiner Familie Reisen nach Württemberg. Schon seit Jahren war S. kopfleidend, und als er im J. 1856 sich auf der Rückreise in London aufhielt, traf ihn am 6. September ein Schlaganfall, welcher diesem thätigen, ernsten Arbeiter das Ende herbeiführte.

Basler Missions-Archiv. Aus dem Leben Hegeles. – Georg Adam Kißling, Ein Missionsleben. – Familiennachrichten.