Zum Inhalt springen

ADB:Soest, Daniel von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Soest, Daniel v.“ von Franz Jostes in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 538–540, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Soest,_Daniel_von&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 08:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Soest, Albert van
Band 34 (1892), S. 538–540 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Mai 2019, suchen)
Daniel v. Soest in Wikidata
GND-Nummer 119129981
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|34|538|540|Soest, Daniel v.|Franz Jostes|ADB:Soest, Daniel von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119129981}}    

Soest: Daniel v. S., Dichter und Theolog. Im J. 1539 erschien ohne Angabe des Druckers und Ortes (wahrscheinlich in Köln): Ein gemeine bicht oder bekennung der predicanten to Soest, bewiset wu und dorch wat maneren se dar to stede dat wort gods hebben ingevort, up dat aller korteste dorch Daniel van Soest beschreven im jar MCCCCCXXXIIII. Vereinigt mit diesem war ein zweites gereimtes Werk, das „Dialogon“, in dem sich Daniel und Philochristus über die Soester Verhältnisse unterhalten. Beide Dichtungen wurden bald nach ihrem Erscheinen in irgend einer westfälischen Stadt unter Weglassung der den Liedern beigefügten Melodien nachgedruckt. Das ist das einzige Mal, das der Name Daniel v. S. in der Oeffentlichkeit auftaucht. Handschriftlich befinden sich indeß in der Soester Stadtbibliothek außerdem zwei prosaische Schriften von ihm, das „Apologeticon“, in welchem er sich seiner litterarischen Thätigkeit wegen vertheidigt, und der „Ketterspegel“, der theologisch-moralische Erörterungen über Ketzer und Ketzerei enthält.

Im Eingange des „Apologeticon“ nennt er als weiteres Werk von ihm das „Pareneticon“ (wol identisch mit der im Dialogon erwähnten Parenesis) dat is ein underrichtinge over Omekens ordinancie … und noch summige andere gesenge und gedichte mer.“ Aber weder diese noch das Pareneticon sind erhalten, wenigstens sind bis jetzt keine Exemplare davon bekannt geworden. Die erhaltenen Schriften sind mit Ausnahme des Ketterspegels gedruckt in – Daniel v. S. Ein westfälischer Satiriker des 16. Jahrhunderts. Herausgegeben und erläutert von Franz Jostes. Paderborn 1888.

[539] Die litterarische Thätigkeit des Daniel fällt in die Jahre 1534–1539, also in die Periode der stärksten kirchlich-socialen Gährung in Soest. Weder vorher noch nachher läßt sich eine Spur von ihm finden. Daß der Name Daniel v. S. ein angenommener war, geht, abgesehen von allem andern, aus seinem eigenen Geständnisse hervor. Weiterhin verräth er indirect, daß er ein Soester und ein gelehrter Geistlicher war, der aber (wenigstens zur Zeit des Druckes 1539) nicht mehr in Soest lebte. Obwol wir nun aber alle einigermaßen bedeutendere Geistlichen Soests kennen, will es doch nicht gelingen, ihn mit einem von diesen mit Sicherheit zu identificiren. Es ist das auch den Soestern seiner Zeit nicht einmal gelungen, wie wir aus den zu jenem Zwecke mit der Stadt Köln gewechselten Briefen sehen können. (Vgl. Jostes S. 55 ff.)

Ich habe seiner Zeit die Hypothese aufgestellt, Daniel sei mit dem Kölner Scholasticus und späteren Kardinal Johannes Gropper identisch, wobei ich mich vor allem auf den Brief des Kölner Raths vom 3. Mai 1540 stützte, in welchen „van unserm burger Daniell van Soist schroider“ geredet wird. Nachdem aber Krause-Rostock im Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 1888 S. 15, die, wie ich meine, zweifellos richtige Erklärung jener Stelle dahin gegeben hat, daß sich der Kölner Rath damit höhnend hinter einem in Köln ansässigen, wirklich Daniel von Soest heißenden ehrsamen Schneider versteckt habe, ist die Hypothese noch zweifelhafter geworden, als sie von Anfang an schon war. Man kann aus dem Briefe nur schließen, daß der Kölner Rath den Dichter kannte, ihn aber nicht verrathen wollte und zwar wahrscheinlich nicht auf Fürsprache eines Gliedes der in Köln wohnenden Familie des ehemaligen Soester Bürgermeisters Gropper, in der man sicher von dem ganzen Sachverhalt die genaueste Kenntniß gehabt hat. Meine Hypothese ist auch von Anfang an nicht ohne Widerspruch geblieben, die ihr entgegengesetzten sind indeß nicht weniger willkürlich. Beachtung verdient nur die von Strauch (Zeitschrift für deutsches Alterthum XXXIII, S. 308 ff.), der hinter Daniel den Canonicus Jasper van der Borch sucht. Die heftige Sprache und der lebhafte, gewandte Stil in den Briefen dieses Mannes hatte auch mich schon an ihn denken lassen, allein die Stelle der „Gemeinen Beichte“, Vers 823 ff., wo der Vater des Canonicus, mit dem der Sohn nachweislich in guten Beziehungen stand, böse mitgenommen wird, blieb mir bei der Annahme psychologisch unerklärlich, und sie ist es mir auch jetzt noch. Soviel ich sehe, ist es auf Grund der bekannten Documente unmöglich, das Dunkel, welches den Namen Daniel v. S. umgibt, zu lichten.

Interessant wäre es freilich im hohen Maße, wenn die Zukunft Aufschluß brächte, denn Daniel ist ein Mann von ganz hervorragender poetischer Begabung und ein Meister der Sprache, wie nur wenige Zeitgenossen. Wer den Eingang des Apologeticon liest, wird die Gewandtheit und Lebendigkeit seiner Prosa bewundern müssen und zugleich das Bedauern empfinden, daß der Verfasser seine eigentliche Kraft selbst nicht besser erkannt und geglaubt hat, am besten durch theologisch-moralische Erörterungen wirken zu können. Das Interesse für die theologischen Streitfragen jener Tage theilt er mit seinen Zeitgenossen, seine Haupttendenz ist nicht dichterischer, sondern confessioneller Natur: er will die altgläubige Partei in dem Kampfe gegen die Soester Reformation stärken. Da wo diese Tendenz nicht zu offen und aufdringlich hervortritt, sondern mehr in der Darstellung und Gruppirung der Thatsachen verborgen liegt, wie das meistentheils in der „Gemeinen Beichte“, vor allem in der zwar derben aber überaus wirksamen Hochzeitsscene der Fall ist, kommt seine satirische und dramatische Kraft am reinsten zum Vorschein. Hätte er seine Neigung, zu theologisiren und zu moralisiren überall in der Weise zu leiten verstanden, er hätte Meisterwerke [540] der Satire schaffen können. Aber auch so gehört die „Gemeine Beichte“ trotz mancher Fehler, die zum Theil aus einer überall sichtbaren Hast entsprungen sind, zu dem Besten, was wir an satirischen Dichtungen in unserer Sprache besitzen.

Anmerkungen (Wikisource)

Laut GND ist „Daniel von Soest“ identisch mit Gerwin Haverland.