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ADB:Spielmann, Anton Freiherr von

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Artikel „Spielmann, Anton Freiherr von“ von Hanns Schlitter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 168–171, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spielmann,_Anton_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 11:29 Uhr UTC)
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Spielmann: Anton Freiherr v. S. wurde im J. 1738 als der Sohn bürgerlicher Eltern in Wien geboren. Nachdem er seine philosophischen und juridischen Studien beendet hatte, trat er 1760 in die k. k. Hofkammer ein, in welcher er es nach vierjähriger Dienstzeit zum niederösterreichischen Regierungssecretär brachte. Da er sich als einen ungemein tüchtigen und talentirten Beamten zeigte, wurde er gar bald in die geheime Haus-, Hof- und Staatskanzlei berufen. Bald nach ihm wurde auch Thugut als jüngster Hofsecretär angestellt, nachdem er früher zum Hofdolmetsch ernannt worden war. Diese Beiden und Franz Ferdinand Schrötter, welcher auch in der Gelehrtenwelt eine angesehene Stellung einnahm, waren wol die Tüchtigsten unter den Subalternbeamten der Staatskanzlei von dazumal. Fürst Kaunitz besaß eben das für einen leitenden Staatsmann ungemein wichtige Talent, sich mit den richtigen Hülfsarbeitern zu umgeben.

Noch nicht dreißigjährig wurde S. zum Hofrath und 1790 zum Staatsreferendarius ernannt, welche Stelle seit Baron Binder unbesetzt geblieben war. Diese Beförderung befürwortete der Staatskanzler Fürst Kaunitz in einem Vortrage an den Kaiser vom 30. Januar 1790 folgendermaßen: Vorläufig muß ich zu erinnern die Ehre haben, daß es unumgänglich nöthig sein wird, die ehemalige Staatsreferendariistelle mit ihrem Gehalte, so wie sie der ehemalige Staatsreferendarius Baron Binder gehabt hat, sogleich wieder herzustellen und solche dem verdienstvollen dermaligen Hofrath v. Spielmann zu ertheilen, damit er mit dem nöthigen Anstand in meinem Namen bei den Conferenzen erscheinen könne; und weil es ansonst auch billig ist, daß derjenige, welcher diese Stelle rühmlich und schon seit vielen Jahren versieht, solche endlich auch wirklich mit dem Namen und dem Gehalte genieße.

[169] Der Kaiser verlieh jedoch S. blos den Titel eines Staatsreferendarius ohne den Gehalt eines solchen, so daß Jener, der als Vater vieler Kinder seine Lage zu verbessern gehofft hatte, sich nunmehr bitter enttäuscht sah. Am 2. Februar desselben Jahres erstattete Fürst Kaunitz dem Kaiser nochmals einen Vortrag, in welchem er sich wärmstens für den von ihm so sehr geschätzten Beamten einsetzte, wie aus folgendem erhellt: „Sicherlich kann es Eurer Majestät Absicht nicht gewesen sein, den Hofrath Spielmann betrüben zu wollen, als durch Ihre Resolution auf meinen gehorsamsten Vortrag vom 30. Jänner Allerhöchstdieselben demselben den Staatsreferendariustitel beilegten; und dennoch ist solches erfolget, weilen er dadurch des Gehaltes wegen nicht normaliter behandelt wird. Hofrath S., welcher acht lebendige Kinder und ausgezeichnete Verdienste für sich hat, ist dadurch so äußerst betroffen worden, daß er nach seiner angeborenen Lebhaftigkeit seitdem fast unbrauchbar geworden, und ich bin dahero in dem Falle, Ew. Majestät angelegentlich bitten zu müßen, daß Sie ihn alsbald möglichst durch Ertheilung des Normalis und einigen unmaßgeblich anzufügenden gütigen Ausdrücken wieder zu beruhigen geruhen mögen.“ Ueber den Erfolg dieser eindringlichen Befürwortung des Fürsten Kaunitz geben uns die Acten des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchives leider keinen Aufschluß.

Als nach dem Tode Joseph’s II. die österreichische Politik auf eine Vergrößerung der Monarchie im Osten Verzicht leistete und auch Preußen gegenüber eine versöhnlichere Sprache zu führen begann, erfolgte auch gar bald im Berliner Cabinete eine politische Wandlung, welche ihren Ausdruck in den Verhandlungen fand, die von den Bevollmächtigten beider Staaten im Sommer des Jahres 1790 in Reichenbach gepflogen wurden. Baron S., welcher im Verein mit dem kaiserlichen Botschafter in Berlin, Fürsten Reuß die österreichischen Interessen vertrat, hatte mit Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen, um seiner Mission gerecht zu werden; nicht die geringsten waren diejenigen, welche ihm der preußische Minister Graf Herzberg in den Weg legte. So berichtete S. an Kaunitz: „Es ist unnöthig und würde eben so zeitversplitternd als beinahe unmöglich sein, die wahre Höllenmarter zu beschreiben, welche uns während der bisherigen Unterhandlungen die Grobheit, der Stolz, die Aufgeblasenheit, die Zudringlichkeit und die unglaubliche Irraisonnabilität der Grafen Herzberg ausstehen gemacht hat.“

Eines Tages bestand Herzberg darauf, daß von Seiten des Königs von Preußen den Niederländern bis zur wirklichen Zustandebringung eines Vergleiches mit seinem Hofe ein Waffenstillstand zugestanden werde. „Der Mann war so unverschämt offenherzig, uns rundaus zu sagen“ schrieb S. nach Wien, „daß dieser sein Antrag aus der Ursache geschehe, damit wir nicht inzwischen bei unserem nun verstärkten Truppenstande etwa Brüssel wieder einnehmen und dadurch seinem Hofe einen großen Diversionsvortheil auf den Fall, wenn unser Reichenbacher Vergleich nicht zu Stande käme, zum Voraus vereiteln möchten.“ Mit geziemendem Ernste wiesen S. und Reuß diese Verdächtigung ihrer Regierung zurück und erklärten zugleich, daß Bender Befehl habe, alles gegen die Rebellen zu unternehmen, was nur in seinen Kräften stände. Weiter wiesen sie Beide darauf hin, daß sie von dem Kaiser ausdrücklich beauftragt seien, über die Niederlande nichts in die Reichenbacher Vergleichsartikel aufzunehmen.

Bald nach diesen keineswegs erfreulichen Vorgängen machte Graf Herzberg den beiden kaiserlichen Ministern „auf die anständigste und freundschaftlichste Art“ die Eröffnung. „Seine königliche preußische Majestät würden sich nach zu Stand gebrachtem Vergleich zum besonderen Vergnügen gereichen lassen, dero Stimme bei der bevorstehenden Kaiserwahl unserem allergnädigsten Herrn zu geben, als welchen Höchstdieselbe hiezu in jeder Rücksicht als den Allerwürdigsten fänden.“ [170] Herzberg setzte ja alle Hebel in Bewegung, um seiner Gleichgewichtspolitik zum Siege zu verhelfen.

Schon hatte es den Anschein, als ob die Unterhandlungen zu keinem Erfolge führen sollten, da Leopold infolge der englischen Einwände, welche bei dem Könige von Preußen Eingang gefunden hatten, sich vor die Alternative gestellt sah, den Status quo anzuerkennen oder einen neuen Krieg zu führen. Die österreichischen Bevollmächtigten sahen sich wie in einer Zwickmühle, bestand ja doch nun einmal die eiserne Nothwendigkeit, einen Krieg mit Preußen zu vermeiden. Graf Herzberg eröffnete ihnen trocken und ohne alle Umschweife, daß er positiven Befehl habe, ihnen zu erklären, daß wenn in spätestens acht bis zehn Tagen Leopold nicht zu einer bestimmten Antwort sich entschlossen hätte, der König von Preußen die Unterhandlungen als abgebrochen ansehen werde. Die Entmuthigung steigerte sich, als die Nachricht von dem am 14. Juli 1790 erfolgten Tode Laudon’s eintraf. Daraus, daß Preußen seine Truppen gegen die österreichische Grenze vorschob, konnte man schließen, daß eine Weigerung österreichischerseits, den Status quo anzuerkennen, das Signal zur preußischen Kriegserklärung sein werde. Daß England und Holland in diesem Falle gemeinsam mit Preußen vorgehen würden, war nicht zu bezweifeln. Endlich brachten es S. und Reuß so weit, die Vertreter Englands und Hollands insofern auf ihre Seite zu bringen, als dieselben versprachen, zwar für den Status quo, aber im Sinne einer Erklärung zu stimmen, wie sie S. und Reuß entworfen hatten. Weiter verpflichteten sie sich, die preußische Einmischung in die niederländischen Angelegenheiten entschieden zurückzuweisen, dagegen sollte Preußen bestimmt werden, die Verfassung mit zu garantiren. So wurden die Vertreter Englands und Hollands infolge der Beredsamkeit Spielmann’s und Reuß’ und des guten Rechtes der Oesterreicher umgestimmt und Herzberg erlitt auf diese Weise eine unverkennbare Schlappe. Im übrigen hielt Graf Philipp Cobenzl den Status quo noch immer nicht für ganz unvortheilhaft. „Vielleicht wäre sachdienlich“ schrieb der Staatsvicekanzler am 20. Juli an Spielmann, „wenn Sie dem Herzberg zu Gemüthe führten, daß es nicht unsere, sondern blos der Engländer Schuld ist, daß Preußen jetzund leer ausgeht und daß ein künftiges freundschaftliches, aufrichtiges und gut nachbarliches Einvernehmen mit uns dem preußischen Hofe weit größere Vortheile schaffen könnte, als die bisherige Spannung und gehässige Rivalität.“

Am 27. Juli 1790 wurde die Reichenbacher Convention abgeschlossen und S. konnte den „Aufenthalt in der Reichenbacher Hölle“ verlassen. Leider versprach sie Oesterreich wenig Vortheil. Die nächsten Folgen dieses österr.-preußischen Uebereinkommens waren: die Friedensschlüsse von Sistowa und Jassy, und eine abermalige Theilung Polens. Die wichtigste jedoch war, daß die beiden Nachbarstaaten in bessere Beziehungen zu einander traten, wie die vom 25. bis 27. August 1791 in Pillnitz stattgefundene Fürstenversammlung beweist. Dieser wohnte auch Baron S. bei. Das Urtheil desselben über den König und den Kronprinzen von Preußen war gerade nicht schmeichelhaft für diese Beiden. Den König nennt er „eine ungeheure Fleischmasse“ und vom Kronprinzen sagte er, „daß er so ziemlich einem Feldwebel gleich sehe“. Den Kurfürsten von Sachsen hingegen stellte er als „einen sehr wol instruirten, edel und rechtschaffen denkenden Herrn“ hin. Ueber die Wirkung, welche die Zusammenkunft in Pillnitz hervorgebracht hat, schrieb er an Kaunitz, sie bestehe darin, „daß Seine Majestät einen sichtbaren, entscheidend guten Eindruck auf Herz und Gemüth des Kurfürsten, der Kurfürstin und der ganzen kurfürstlichen Familie, zugleich aber auch alle jene günstige Impression auf den König gemacht haben, deren seine, nicht gar zu empfindsame Seele fähig sein dürfte.“

[171] Weiter machte S. in seinen etwas launig gehaltenen Berichten Kaunitz mit den darstellenden Personen auf der Pillnitzer Schaubühne bekannt, was dem Staatskanzler sehr gelegen kam. Da „eine zuverlässige Bekanntschaft von Menschen, mit welchen man in Zukunft öfters zu handeln Gelegenheit haben wird, keineswegs gleichgiltig ist,“ schrieb er an Spielmann zurück, „so ist mir die Schilderung, welche sie mir von selben machen und die mit den Begriffen, welche ich mir von solchen gemacht hatte, vollkommen übereinkommt, sehr willkommen gewesen.“ Als im Frühjahr 1792 die polnische Frage durch die entschlossene Haltung Rußlands in ein Stadium gelangte, welches Oesterreich und Preußen mahnte, auch ihres Vortheiles bedacht zu sein, da war es S., der von Schulenburg hiezu aufgefordert, die politische Richtung angab, welche das Wiener und Berliner Cabinet hiebei verfolgen sollten. Er stimmte für die Vergrößerung Preußens und Rußlands in Polen, jedoch gegen jene Oesterreichs am Rhein. Weiter sollten Oesterreich und Preußen sich entschließen, Rußland gegenüber eine freiere Sprache zu führen. Nochmals regte S. bei dieser Gelegenheit den Austausch der Niederlande gegen Baiern und die Oberpfalz an. Schulenburg, welcher verlangte, daß diese ganze Angelegenheit zwischen ihnen Beiden allein discutirt werden sollte, bis sie reif sein würde, um zwischen den Regierungen behandelt zu werden, wurde in der That für das Austauschproject gewonnen. Als es endlich dazu kam, entschied Kaiser Franz, welcher befürchtete, daß die Berichtigung des österr.-preuß. Uebereinkommens hinsichtlich Polens auf schriftlichem Wege schwer erzielt, zum mindesten jedoch nicht so zeitlich erwirkt werden könnte, als es mit Rücksicht auf die Ereignisse in Polen wünschenswerth schien, daß Baron S., begleitet von dem Hofrathe Collenbach in das preußische Hauptquartier in der Champagne entsendet werde. Die französischen Wirren ließen es jedoch zu keinem erfreulichen Abschlusse der beiderseits gepflogenen Verhandlungen kommen.

Seit Juli 1792 hatte sich Fürst Kaunitz von den Geschäften zurückgezogen. Dieselben leitete nach ihm Graf Philipp Cobenzl, der wiederum völlig von S. beeinflußt war. Da jedoch diese beiden Staatsmänner dem Kaiser die Interessen Oesterreichs in der polnischen Angelegenheit nicht eifrig genug gewahrt zu haben schienen – wie auch ein österreichischer Diplomat sagte, „daß S. Polen auf der Karte von Europa zwei Jahre lang übersehen hätte“ – wurde Cobenzl durch Thugut ersetzt, und zum italienischen Hofkanzler ernannt. Die Stelle eines Staatsreferendarius hingegen wurde aufgehoben und Kaiser Franz ernannte den Baron S. im März 1793, „um von dessen Fähigkeiten und Talenten einen weiteren nützlichen Gebrauch zu machen und ihm zugleich von seiner Zufriedenheit über seine bisherige, lange, mühsame und wichtige Dienstleistung ein untrügliches Merkmal zu geben“ zum zweiten österreichischen Directorial- und burgundischen Gesandten bei dem Reichstage zu Regensburg, welche Stelle S. jedoch niemals antrat. Bei dieser Gelegenheit verlieh er ihm auch die Würde eines Geheimen Rathes. Im J. 1801 erfolgte Spielmann’s Berufung in die böhmisch-österreichische Hofkanzlei, welcher er nunmehr als Vicepräsident vorstand. Bald darnach trat jedoch S. in den Ruhestand und starb am 27. Februar 1813 in Wien. Zu erwähnen wäre noch, daß am 11. August 1804 vom Balkon des S. gehörigen auf dem Graben gelegenen Hauses in Wien, das Pragmatikalgesetz feierlich verkündet wurde, gemäß dessen Kaiser Franz den Titel eines Erbkaisers von Oesterreich angenommen hatte.