ADB:Stülpnagel, Ferdinand von (preußischer Generalleutnant)

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Artikel „Stülpnagel, Ferdinand von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 743–745, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:St%C3%BClpnagel,_Ferdinand_von_(preu%C3%9Fischer_Generalleutnant)&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 11:55 Uhr UTC)
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Stülpnagel: Ferdinand Wilhelm Wolf v. St., königlich preußischer Generallieutenant, wurde am 10. Juli 1781 zu Prenzlau, wo sein Vater, welcher demnächst ausschied, das Familiengut Grünberg in der Uckermark übernahm und dort 1802 starb, als Lieutenant beim Infanterieregimente v. Wunsch in Garnison stand, geboren. Im elterlichen Hause erzogen, trat er am 7. Juni 1794, dem Tage, an welchem er beeidigt wurde, beim Infanterieregimente v. Pirch (Nr. 8), in dessen Listen er schon seit 1793 als Gefreiter-Korporal geführt war, in den activen Dienst, ward am 1. März 1795 zum Fähnrich, am 8. Juni 1797 zum Secondlieutenant befördert und nahm, seit dem 5. November 1804 Premierlieutenant, als solcher im Infanterieregimente Prinz Wilhelm von Braunschweig (Nr. 12), in welches er am 16. Mai 1804 versetzt worden war, am Kriege des Jahres 1806 gegen Frankreich teil. Im November wurde er bei Lübeck verwundet. Am 3. Februar 1808 zum Stabscapitän aufgerückt und gelegentlich der Reorganisation des Heeres beim 2. pommerschen Reservebataillon eingetheilt, [744] am 20. März 1808 in das Leibinfanterieregimeut versetzt, erbat er, als im folgenden Jahre der Krieg zwischen Oesterreich und Frankreich ausbrach, den Abschied, welchen er am 13. Juni mit der Erlaulmiß in österreichische Dienste zu gehen erhielt. Seine Absicht, unter den k. k. Fahnen am Kampfe theil zu nehmen, ist aber nicht zur Ausführung gekommen. Ob und inwieweit seine am 5. Februar 1809 erfolgte Verheirathung mit Jeanette v. Blankenstein und ein Versuch durch Selbstbewirthschaftung des von ihm übernommenen Gutes Grünberg die Erträgnisse des letzteren zu vermehren hierbei von Einfluß gewesen sind, war nicht zu ermitteln. Grünberg trat er bald darauf an seinen Bruder ab. Am 14. Februar 1810 kehrte er, als dem 2. ostpreußischen Infanterieregimente aggregirt, in den preußischen Dienst zurück, ward aber schon am 20. Juni d. J. zu den inactiven Officieren versetzt und schied am 10. Juni 1812 zum zweiten Male aus, um in den Reihen des russischen Heeres gegen Frankreich zu fechten. Er wurde hier zunächst am 6. September zum Capitän, bald darauf aber zum Major ernannt und dem mit Errichtung der russisch-deutschen Legion betrauten Herzog Peter von Oldenburg zur Dienstleistung überwiesen. Um die Aufstellung dieser Truppe hat er sich das größte Verdienst erworben. Der Geschichtschreiber derselben (Die kaiserlich russisch-deutsche Legion von Hauptmann B. v. Quistorp, Berlin 1860) sagt über St. (S. 25): „Dieser Officier, fähig und thätig wie er war, hatte in seinem Auftreten etwas Weiches und Förmliches, so daß er bei dem raschen und heftigen Minister v. Stein, mit welchem er öfters in Geschäftsverbindung trat, ein Vorurtheil gegen sich erweckte und für matt und unkräftig gehalten wurde. Desto glänzendere Genugthuung erhielt der Major dadurch, daß der große Mann nachmals sein hartes Urtheil änderte und den Ausspruch that, daß gerade durch v. Stülpnagel’s Beharrlichkeit, Geduld und Einsicht die Legion überhaupt so weit gekommen sei, um im Frühjahr nach dem Kriegsschauplatze aufbrechen zu können. Der Kaiser ernannte ihn auf Antrag des Herzogs in Anerkennung dieser Verdienste zum Ritter des Sanct Annenordens II. Classe.“ Im folgenden Jahre marschirte die Legion, um an dem bevorstehenden Kampfe theil zu nehmen, nach Deutschland, traf während des Waffenstillstandes in der zweiten Hälfte des Juli in Mecklenburg ein und ward der zur Thätigkeit auf dem nordwestlichen Kriegsschauplatze bestimmten Heeresabtheilung des Generallieutenants Graf Ludwig v. Wallmoden-Gimborn zugewiesen, welcher am 28. Juni zu ihrem Chef ernannt worden war. Oberstlieutenant Karl v. Clausewitz stand diesem als Chef des Generalquartiermeisterstabes zur Seite; zu Wallmoden’s erstem Generaladjutanten wurde am 15. August 1813 der zum Oberstlieutenant aufgerückte St. ernannt.

Die Aufgabe, welche dem General Graf Wallmoden und seinen Gehülfen zufiel, war keine leichte. Das Armeecorps, so lautete die dienstliche Bezeichnung, war bunt zusammengesetzt. Es bestand aus Russen und Engländern, Preußen und Hannoveranern, Dessauern und Mecklenburgern, Hanseaten und Schweden, fast alles neuformirte Truppen, meist ungenügend ausgebildet, vielfach mangelhaft bekleidet und bewaffnet. Zu den Schwierigkeiten, welche an und für sich vorhanden sind wenn ein Befehlshaber Truppen zu commandiren hat, welche verschiedenen Kriegsherren unterstehen, kam hier noch der Umstand, daß ein Theil der Wallmoden unterstellten Truppen Schweden waren, daß einer seiner Unterführer ein schwedischer General war, zu dessen Division die Schweden, die Mecklenburger und die Hanseaten gehörten, und das Wallmoden selbst an die Befehle des commandirenden Generals der Nordarmee, des Kronprinzen Karl Johann von Schweden, des früheren Marschalls Bernadotte, gewiesen war, welcher Sonderinteressen verfolgte und allemal die kriegerische Zweckmäßigkeit hintangesetzt zu sehen wünschte, wenn sie sich mit seinen politischen Absichten nicht vertrug. Daß [745] trotzdem alles zu einem guten Ende geführt wurde und daß Erfolge zu verzeichnen waren wie der im Treffen bei der Göhrde am 16. September 1813 davongetragene, legt ein glänzendes Zeugniß ab für die Leistungen der Truppen und das Geschick ihrer Führung; an letzterer hatten Stülpnagel’s Fleiß, Ordnungssinn und Umsicht ihren vollen Antheil. Leichter gestaltete sich die Arbeit, als die Mitte Februar vor Harburg abgelöste Legion nach den Niederlanden abmarschirt war; doch kamen auf diesem Kriegsschauplatze nur noch unbedeutende Gefechte vor. Dagegen trat an die Legionäre nun die Lebensfrage heran, was aus ihnen in Zukunft werden, ob sie in den preußischen, den hannoverschen oder den niederländischen Dienst übergehen oder ob sie den Stamm für die Truppen eines der Gebiete am Rhein bilden sollten, welche dergleichen bis dahin selbständig noch nicht aufgestellt hatten. Der Gedanke, sie auf diese Weise zu erhalten und fortbestehen zu lassen, gehörte St. (Pertz, Leben Stein’s III, 584.) Die Mehrzahl der ehemals preußischen Officiere, welche die Tonangeber waren, wünschte natürlicherweise in den Dienst ihrer engeren Heimath zurückzukehren; daß sie dieses Ziel erreichten, haben sie vornehmlich den beharrlichen Bemühungen Stülpnagel’s zu danken, welcher dasselbe, sobald sich herausstellte daß sein anfänglicher Wunsch sich nicht verwirklichen lassen würde, nachdrücklichst verfolgte. Er verstand das Interesse der vielbeschäftigten Staatsmänner für die von ihm vertretenen Ansichten zu gewinnen und führte die Angelegenheit zu dem gewünschten Ende. Es geschah in Paris, wohin Wallmoden, nachdem der Friede geschlossen, von St. begleitet, gereist war, um für die Legion thätig zu sein. Am 2. Juni, unmittelbar bevor die Monarchen sich nach England begaben, kam eine Uebereinkunft zwischen Rußland, England und Preußen zu Stande, welche zwar nicht aussprach, daß die Legion in die Dienste des letzteren Staates übergehen solle, diesen Schritt aber vorbereitete. Zunächst nahm die Truppe den Namen „Deutsche Legion“ an und ward dem III. Armeecorps des damals noch russischen Generallieutenants v. Thielmann überwiesen. Mit diesem ward sie der Armee des Niederrheins unter dem preußischen General Graf Kleist v. Nollendorf zugetheilt. St. ging dann mit Wallmoden nach England. Als sie von da zurückkamen, fanden umfangreiche Formations- und Personalveränderungen in der Legion statt, deren Commando, da Wallmoden dasselbe abgab und auch die übrigen älteren Officiere ausschieden, Clausewitz übernahm; St. ward Commandeur des 2. Infanterieregiments, welches den Winter 1814/15 hindurch am Rhein verblieb und, nachdem Napoleon’s Wiedererscheinen in Frankreich Beilegung der unter den Mächten schwebenden Fragen und erneute Aufstellung der Heere zur Bekämpfung des gemeinsamen Feindes veranlaßt hatte, am 31. März 1815 als 31. Infanterieregiment endgültig in den Verband des preußischen Heeres aufgenommen wurde. An der Spitze desselben nahm Oberst v. St. an dem nachfolgenden Feldzuge im Verbande des dem General Freiherrn v. Thielmann unterstellten III. Armeecorps theil; zeitweilig befehligte er während desselben die 12. Infanteriebrigade, zu welcher sein Regiment gehörte, und focht bei Ligny und Wavre.

Nach der Rückkehr in die Heimath wurde St. am 8. Mai 1817 zum Inspecteur des Landwehrregiments Gumbinnen, am 2. Februar 1820 zum Commandeur der 1. Landwehrbrigade, am 30. März 1822 zum Generalmajor, genau zehn Jahre später zum Commandeur der 1. Infanteriebrigade, am 5. März 1834 zum Präses der Ober-Militär-Examinationscommission zu Berlin und, nachdem er am 30. März 1837 zum Generallieutenant befördert worden war, am 29. April des nämlichen Jahres zum Director des Allgemeinen Kriegs-Departements im Kriegsministerium ernannt. In dieser Stellung ist er am 29. December 1839 zu Berlin gestorben.