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ADB:Steiger, Isaac

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Artikel „Steiger, Isaak v.“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 582–584, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steiger,_Isaac&oldid=- (Version vom 20. November 2024, 10:41 Uhr UTC)
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Steiger: Isaak v. St. gehörte einer der vornehmsten Familien Berns an, welche, wahrscheinlich aus dem Wallis stammend und seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in Bern begütert, mit dem Schultheißen Johannes St. (1519–1562), dem Urgroßvater Isaak’s, zu hervorragendem Reichthum und [583] Ansehen gelangt war. Dieser erwarb neben ausgedehntem Grundbesitz im bernischen Gebiete namentlich die waadtländische Freiherrschaft Rolle am Genfersee, und hat als Staatsoberhaupt in äußerst schwierigen Zeiten mit Muth und Geschick die Republik geleitet. Sein Geschlecht führt einen weißen Steinbock im Wappen. Isaak’s Vater, Johann Anton St., dessen schwester die Urgroßmutter von Albrecht Haller’s erster Gattin wurde, lebte als bernischer Commandant auf der Festung Aarburg. Hier wurde Isaak geboren und am 7. März 1669 getauft. Der Reichthum der Familie war längst wieder einem sehr bescheidenen Wohlstande gewichen, und als Johann Anton schon 1677 starb, hinterließ er acht Kinder, aber ein ganz geringes Vermögen. Isaak war auf eigenen Erwerb angewiesen; als körperlich schwächlich und geistig schwerfällig betrachtet, wurde er zum Beruf eines Schreibers bestimmt. Es wird behauptet, daß er eine Zeit lang an den Markttagen auf den Straßen die Geschäfte der Bauern um spärliche Bezahlung besorgte. Aber durch Bildungseifer und ungewöhnliche Energie errang er sich allmählich ein nicht geringes Maß von Kenntnissen und von Tüchtigkeit, und endlich auch die Anerkennung dieser Eigenschaften. Zuerst, seit 1698, Schriftführer im obersten Ehegerichte, wurde er 1701, durch den Zufall des Looses begünstigt, Mitglied des Großen Rathes, 1705 „Obervogt“ des Bezirks Schenkenberg im bernischen Aargau, 1711 Mitglied des obersten Gerichtshofes, diente 1712 in dem für Bern siegreichen Religionskriege gegen die katholischen Kantone als Zahlmeister, später noch als Oberinspector der öffentlichen Straßen und in verschiedenen kleinen Aemtern, bis ihn endlich 1720 das allgemeine Vertrauen in die Regierungsbehörde, den Kleinen Rath, berief. Im J. 1725 wurde er Venner seiner Zunftgesellschaft, der Gerber, 1726 Präsident des Schulraths und der Akademie von Lausanne, dann 1729 deutscher Sekelmeister und zuletzt, zu Ostern 1732, an der Stelle seines Namens- aber nicht Geschlechtsverwandten, des Schultheißen Christoph v. St., Schultheiß von Bern. Als bernischer Gesandter hatte er im gleichen Jahre in Solothurn über ein Bündniß mit Frankreich zu verhandeln und an den vom französischen Ambassadoren veranstalteten Festlichkeiten theilzunehmen; aber wichtiger war seine Abordnung nach Neuenburg, um dort die gegen die preußische Beherrschung unwilligen Bürger zu beruhigen, ein Auftrag, der ihn in directen brieflichen Verkehr mit Friedrich Wilhelm I. gebracht hat. Seine Gewandtheit bewährte sich hier dermaßen, daß auf ihn wieder die Wahl fiel, als ein in Genf ausgebrochener Aufstand das Einschreiten der Berner Regierung nothwendig machte. In Gemeinschaft mit einem Abgesandten von Zürich, zum Theil auch in Verbindung mit einem Vertreter des französischen Königs, mußten von August 1737 bis zum Anfang des folgenden Jahres die Unterhandlungen zwischen der unzufriedenen Bürgerschaft und ihrem Rathe geführt werden. Dem billigen und der Umsicht Steiger’s wird es allermeist zugeschrieben, daß es gelang, nicht nur die Ordnung herzustellen, sondern auch die Eifersucht Frankreichs zu schonen, ohne doch seinem Einflusse in Wirklichkeit allzugroßen Raum zu gestatten. Am 17. Februar 1738 erklärte der Große Rath von Bern, durch die überzeugende Darstellung Steiger’s gewonnen, seine Zustimmung zu den Vermittlungsartikeln. Doch erst am 7. April erfolgte die allseitige Unterzeichnung des Vertrags und am 8. Mai die feierliche Beschwörung durch die Parteien. Hatte die Herstellung des Friedens in Genf St. große Anerkennung gebracht, so sollte nun, nach einigen Jahren stiller Arbeit im Dienste des Staates, die Entdeckung eines ähnlichen innern Zwiespaltes in Bern selbst seinen Tod beschleunigen, nämlich die sogenannte Henzi’sche Verschwörung von 1749. Ein Theil der Bürgerschaft, der sich politisch zurückgesetzt glaubte, plante, von dem litterarisch-gebildeten Samuel Henzi und Anderen geleitet, einen gewaltsamen Umsturz und eine Aenderung der Staatseinrichtungen. [584] Der Plan wurde zwar vor dem Ausbruch verrathen und rasch unterdrückt, allein der schwere Kummer über dieses Ereigniß erschütterte den alternden Schultheißen aufs tiefste, um so mehr, da ihm gerade in diesem Jahre, als Alt-Schultheißen und Präsidenten des Geheimen Rathes, die Untersuchung gegen die Verschworenen zu führen oblag. Er starb am 27. December 1749. Durch seine Verheirathung und nachher noch durch fast zufällige Erbschaften war St. später in den Besitz eines beträchtlichen Vermögens gelangt. Seine Mußezeit benutzte er zur Beschäftigung mit der Geschichte seines Vaterlandes. Er verfaßte ein „Staats- und Standbuch“, das jedoch ungedruckt geblieben ist; es besteht aus 6 Quartbänden und enthält sowol die Geschichte der gesammten Eidgenossenschaft und ihrer 13 Kantone, als dann namentlich diejenige von Bern, ist aber eine bloße Compilation. Außerdem schrieb er indessen noch seine Denkwürdigkeiten, welche nicht ohne Bedeutung sind und ihn als einen nicht nur sehr wohlgesinnten und umsichtigen, sondern auch in mancher Hinsicht über die Vorurtheile seiner Zeit- und Standesgenossen hinausgehenden Mann erkennen lassen. Albrecht v. Haller, der ihn seinen „Vetter“ nannte, schätzte ihn hoch und hat in seinem Gedichte über „Die verdorbenen Sitten“ ihn in vorzüglich günstiger Weise geschildert; ähnlich hat ihn auch Lessing in seinem Trauerspiel „Henzi“ gezeichnet. Sein einziger Sohn, Franz Ludwig St., genannt v. Allmendingen, war Haller’s vertrautester Freund und stand mit ihm während dessen Aufenthalt in Göttingen in äußerst fleißigem Briefwechsel, wobei die politischen Verhältnisse und Zustände der Vaterstadt in eingehendster Weise besprochen wurden. Franz Ludwig St., den man um seiner vorzüglichen Geistesgaben willen bereits als künftigen Schultheißen ansah, starb auf der Vorstufe zu dieser Würde, als Sekelmeister, schon 1755.

Berner Taschenbuch, Jahrg. 1879. – v. Tillier, Geschichte des Freistaates Bern V. – Archiv des historischen Vereins von Bern IX, 411–437. – Haller’s Briefwechsel in der Berner Stadtbibliothek.