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ADB:Steinhäuser, Johann Gottfried

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Artikel „Steinhäuser, Johann Gottfried“ von Robert Knott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 713–716, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steinh%C3%A4user,_Johann_Gottfried&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:08 Uhr UTC)
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Steinhäuser: Johann Gottfried St., geb. am 20. September 1768 zu Plauen im Voigtlande. Er entstammte einer alten adligen Familie v. Steinhäuser oder v. Steinhausen, deren Stammhaus wahrscheinlich Steinhausen unweit des Züricher Sees gewesen ist; die Familie wurde während der Schweizer Freiheitskriege um die Mitte des 15. Jahrhunderts, weil sie der Sache der deutschen Kaiser treu geblieben war, von ihrem Stammsitz vertrieben und flüchtete mit Rettung eines Theiles ihres Vermögens nach Steiermark und Kärnten, wo sie auch ansehnliche Güter besaß. Von hier wanderten um die Zeit der Kirchenreformation abermals zwei Nachkommen des Geschlechtes aus, der eine nach Gunzenhausen, der andere nach Plauen im sächsischen Voigtlande. Den Geburtsadel ließen sie erlöschen. Der letztgenannten Linie entstammte unser Steinhäuser. Sein Vater war kurfürstlich sächsischer Rath und Steuerprocurator und hatte sich durch Schriftstellerei wie namentlich durch eine ausgebreitete juristische Praxis einen bedeutenden Ruf erworben. Seine Mutter, Sophie Rebecka, war die Urenkelin des vom Kaiser Ferdinand III. am 14. August 1651 in den Adelstand [714] erhobenen Dr. und Prof. der Theologie Christoph Schlegel, Enkelin des königl. poln. und kurfürstl. sächs. Appellationsrathes zu Wurzen Dr. Joh. Elias Schlegel und Tochter des Rechtsconsulenten Johann Christoph Schlegel zu Plauen. Unser Steinhäuser hatte noch 8 Geschwister. Schon in seiner frühesten Jugend zeigten sich an ihm die Anlagen zum künftigen Denker; nicht selten ließ er sich bereits als Knabe mit seinem Vater und dessen gelehrten Freunden in kleine Disputationen mit solchem Eifer ein, daß er bisweilen den Abstand der Jahre vergaß und wol in die Schranken der Bescheidenheit zurückgewiesen werden mußte. Jugendliche Spiele, die zu einfach und kunstlos waren, sprachen ihn nicht an. Dagegen verleiteten ihn Stein-, Pflanzen- und andere naturgeschichtliche Sammlungen häufig zu langen und weiten Excursionen. In einem Alter von 9 Jahren soll er oft ganze Tage und Nächte ohne Nahrung und Schlaf in dem Laboratorium des Besitzers einer Kattunfabrik zu Plauen, der nebenbei ein geschickter Chemiker war, zugebracht haben. Durch kleine physikalische und Rechenkunststücke wußte er sich zu einem angenehmen Gesellschafter seiner Jugendgespielen zu machen. 11 Jahre alt beherrschte er bereits ziemlich gut die lateinische Sprache im mündlichen Gebrauch. Mit 12 Jahren kam er auf die Fürstenschule zu Pforta; da war es vor allem der Lehrer der Mathematik M. Schmidt, der ihn besonders fesselte. Seine Neigung, auf eigne Hand physikalische Experimente auszuführen, mußte wegen der bei seiner noch zu großen Unerfahrenheit in dergleichen Dingen drohenden Gefahr für seine und seiner Mitschüler Sicherheit durch Confiscation mancher bei ihm vorgefundener Materialien zu derlei Versuchen gewaltsam unterdrückt werden. Er fertigte sich eigenhändig eine Camera obscura an, stellte aus Pappe fünfkantige Erd- und Himmelsgloben her und überzog diese mit selbstgezeichneten Erd- und Himmelskarten. Hier war es auch, wo er einmal mitten im härtesten Winter mit bewunderungswürdiger Geduld aus einem mächtigen Eisblocke einen kolossalen Hohlspiegel auszuhöhlen versuchte. Auch kleine Montgolfieren verfertigte er sich. Zur Beobachtung der Sonnenflecken hatte er an dem einzigen Fenster seines Zimmers eine eigene Vorrichtung mit einem beweglichen Observationsrohre angebracht. Außer den Arbeiten, die die Schule ihm auferlegte, beschäftigte er sich noch privatim mit anderen Zweigen der mathematischen Wissenschaften. Dadurch erwarb er sich die Zuneigung und das Vertrauen seines Lehrers Schmidt in dem Maße, daß ihn dieser zu seinem Famulus erwählte und ihm auch bei dem Rector die Erlaubniß auswirkte, mit seinen Mitschülern Abendexcursionen zu unternehmen, vornehmlich um sie und sich selbst in der Astronomie zu belehren. Im Jahre 1787 verließ er, begleitet von den Segenswünschen seiner Lehrer, ausgerüstet mit einem reichen Schatze von Kenntnissen vornehmlich in den mathematischen Wissenschaften die Fürstenschule, um zunächst in das elterliche Haus zurückzukehren. Der Wunsch des Vaters in Bezug auf die fernere Laufbahn seines Sohnes wurde zu einem guten Theil mitbestimmt durch einen ihm bekannten Oberberghauptmann; danach sollte unser Johann Gottfried sich zunächst auf der sächsischen Bergakademie zu Freiberg zu einem tüchtigen Mineralogen und Bergmanne und hierauf auf der Universität Wittenberg zu einem guten Juristen ausbilden, um alsdann im Oberbergamte einen angemessenen Wirkungskreis zu finden. So bezog denn der junge St. 1787 die Bergakademie zu Freiberg, wo er u. a. ein Schüler des berühmten „Vaters der Geologie“ Werner wurde. Nach einem Jahre verließ er die Akademie, um die Universität Wittenberg zu beziehen. Eifrig studirte er hier Philosophie und die Grundwissenschaften der Rechtsgelehrsamkeit; seine freie Zeit aber verwandte er auf höhere Mathematik, Physik, Geographie und die Lectüre besserer englischer und französischer Reisebeschreibungen. Bei seinem Abgange von Wittenberg erhielt er im Examen die erste Censur. 1792 kehrte er abermals in das Vaterhaus zurück, wieder [715] aber nur auf kurze Zeit. Wohl hätte der Vater gern gesehen, daß der Sohn zunächst einige Zeit mit ihm zusammen juristisch praktisch thätig gewesen wäre. Die Vorliebe für die Naturwissenschaft und ausdrückliche Zusicherungen vortheilhafter Bedingungen bestimmten den jungen Steinhäuser jedoch, alsbald nach Freiberg zu gehen. Dort angekommen sah er sich jedoch bald selbst in seinen bescheidensten Erwartungen getäuscht, und so verließ er denn die Stadt wieder, selbst ohne Aussicht auf eine künftige Anstellung im Bergfache. Da erschien im J. 1793 im Gothaischen Reichsanzeiger eine Aufforderung an einen Mann, der, mit dem Bergwesen bekannt, ein Fabrikgeschäft in einer überrheinischen Gegend zu leiten sich zutraue, wobei sehr annehmliche Bedingungen versprochen wurden. Sofort entschloß sich Steinhäuser, gegebenen Falles die Stellung anzunehmen. Im Frühjahr 1794 reiste er nach Frankfurt a.M., um für ein angesehenes Handelshaus daselbst in Kirchheim-Bolanden, einem lieblichen Städtchen am Donnersberge, das Fabrikgeschäft geschliffener Manufacte aus grünem Jaspis zu leiten. Nach eingehender Kenntnißnahme der obwaltenden Verhältnisse versicherte er dem Unternehmer bald, daß aus verschiedenen Gründen das aufgewandte Capital sich nicht eben hoch verinteressiren würde. Er besuchte um diese Zeit auch die Schleifmühlen in der Pfalz und im Zweibrückenschen und befuhr bei dieser Gelegenheit auch die Quecksilbergruben am Stahlberge. In der dortigen Grube Steinkreuz hatte man trotz aller aufgewandten großen Kosten damals noch keine Erze gewinnen können. St. bemerkte alsbald aus der Lage und Beschaffenheit der Gebirgsart, daß man im Hängenden einen wichtigen Gang hatte sitzen lassen, und daß man durch einen von ihm angegebenen Querschlag sehr bald auf ein bedeutendes Erzmittel stoßen würde. Die Befolgung seines Rathes war in der That von Erfolg begleitet; man versicherte ihm bald darauf schriftlich, man werde in 10 Jahren die am angezeigten Orte entblößten Erze noch nicht alle gewinnen. Man bot ihm infolge dieses seines guten Rathes die Oberleitung der Gruben an; er lehnte jedoch in Rücksicht auf seine bereits eingegangene Verpflichtung zu Kirchheim-Bolanden, wiewol die Bedingungen daselbst viel weniger günstig waren, ab. Der Erfolg in der Grube Steinkreuz verbreitete jedoch schnell seinen Ruf, und so wurde er bald darauf aufgefordert, sich um die erledigte Bergrichterstelle in der Grafschaft Falkenstein zu bewerben; der Staatsminister Dominique in Coblenz und der Graf Sumerau erboten sich, das Gesuch zu unterstützen. Die Preisgabe der ganzen überrheinischen Gegenden an die französischen Wachen am 15. Juli 1794 veranlaßte ihn jedoch, zunächst nach Frankfurt a. M. zurückzukehren. Da bot sich alsbald wieder eine glänzende Aussicht für das dortige Unternehmen. Der Oberbergrichter von Carado sagte ihm ein Privilegium zu, vermöge dessen er auf fünfzig Granatschleifmühlen, die keinen Absatz, brodlose Arbeiter dagegen in Menge hatten, fremde Steine verarbeiten lassen könnte. Allein wegen der damaligen unruhigen politischen Verhältnisse war kein Capitalist zur Hergabe des nöthigen Geldes zur Ausbeutung dieses Anerbietens zu bewegen, und so mußte St. auch diese günstige Aussicht zur Hebung des von ihm dirigirten Fabrikunternehmens schwinden sehen. Auf Wunsch seines Vaters schlug er bald darauf einen anderen Antrag aus. Eine Colonie, aus Rheinländern, Schwaben und Schweizern bestehend, wollte sich in Nordamerika niederlassen; ein vortheilhaft gelegenes Terrain war schon gekauft; St. wurde von den Hauptunternehmern beauftragt, den ganzen Landesstrich auf Kosten der Colonie zu bereisen, ihn im allgemeinen zu vermessen, zoologisch, botanisch, mineralogisch zu untersuchen, sein Verhältniß zu dem Herrscherstaate und die möglichen Handelswege zu erforschen, einen passenden Platz zur Errichtung einer Stadt auszuersehen u. dergl. m., eine Arbeit, die ganz dem Geiste unseres St. entsprochen hätte. Allein, wie schon erwähnt, [716] wünschte sein Vater, daß er zunächst einmal in die Heimath zurückkehrte. St. lehnte also dieses Anerbieten ab, erbat sich von seinem Principal zu Kirchheim seine Entlassung, die ihm dieser gegen sein Versprechen, bald zurückzukehren, bewilligte, und kehrte in den Schooß der Seinen zurück. Nunmehr stand er zu einem Theil seinem Vater als praktischer Jurist zur Seite, freilich mit wenig innerer Befriedigung; vornehmlich warf er sich jetzt auf ein eingehendes Studium der Mathematik und Physik. Er verfertigte nach eigner Erfindung eine Uhr ohne Gewicht und Federn, nur von einem Magneten getrieben, und schrieb mehrere kleine Abhandlungen. Alsbald wurde er zum Mitglied der naturforschenden und mineralogischen Gesellschaft zu Jena ernannt; er erhielt das Diplom eines Ehrenmitgliedes der Leipziger ökonomischen Gesellschaft, in deren Schriften mancherlei Aufsätze von ihm enthalten sind, und begann an seiner „Theorie des Erdmagnetismus“ zu arbeiten. So kam es, daß man ihm, dem nunmehr schon rühmlichst bekannt gewordenen, nach dem Tode seines Freundes J. J. Ebert die durch dieses Hinscheiden erledigte Professur für Mathematik an der Universität zu Wittenberg übertrug. 1806 reiste er nach Wittenberg. Berufungen nach Greifswald, Dorpat, Charkow im südlichen Rußland lehnte er aus Patriotismus ab. Hier in Wittenberg schrieb er seine „Theorie über den Magnetismus der Erde“ nieder und bestimmte viele Jahre voraus, welche Veränderungen die Magnetnadel haben würde. Interessant ist, was er in Beziehung auf diesen Gegenstand im J. 1819 an einen seiner Freunde schrieb: „Ich zweifle nun nicht mehr an dem Dasein eines Trabanten im Innern der Erde, der mit seinem eisernen Scepter die Erdoberfläche dirigirt. Zu Luther’s Zeiten war er uns am nächsten.“ Bekanntlich wird diese Annahme auch heute noch von Forschern vertreten. Durch den im Mai 1815 geschlossenen Friedenstractat wurde die Universität Wittenberg mit Halle verschmolzen. Auch St. siedelte 1816 nach Halle über, um dort eine Professur der Bergwissenschaften zu übernehmen. Hier war es, wo er sich noch mit Arbeiten zu einer „Weltsprache“ beschäftigte. Sein Lebensabend war nicht ungetrübt. Wiederholte Schlaganfälle trafen ihn; in der Nacht vom 16. zum 17. November 1825 verschied er.

Das Verzeichniß seiner Schriften siehe bei Poggendorff, Biographisch-Litterarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften. – Neuer Nekrolog der Deutschen. Dritter Jahrgang. 1825.