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ADB:Schlegel, Elias

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Artikel „Schlegel, Johann Elias“ von Johann von Antoniewicz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 378–384, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlegel,_Elias&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 14:23 Uhr UTC)
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Schlegel: Johann Elias S. wurde als zweitältester von dreizehn Geschwistern am 17. Januar 1719 zu Meißen geboren. Er entstammte einer geachteten sächsischen Familie vornehmlich von Predigern, Juristen und Hofbeamten, die 1651 in der Person des Großvaters, des zeitweise in Leutschau angestellten Oberpredigers Christoph S. von Ferdinand III. geadelt wurde, ohne jedoch Titel oder Beinamen („v. Gottleben“) zu tragen (erst August Wilhelm hat beide wieder aufgenommen). Der Vater Johann Friedrich, ein hochbegabter, seine [379] große Vorliebe für Poesie auch durch eigene Versuche bethätigender Mann von freierer Denk- und Lebensweise, vermochte nicht die eigenen geistigen Interessen und die edle Sorgfalt für die moralische, bürgerliche, besonders aber für die litterarische Erziehung und Ausbildung seiner Söhne mit den (vielleicht nicht übermäßigen) Forderungen eines trockenen Meißener Stiftssyndikats in Einklang zu bringen. Da er durch Lässigkeit und Vertrauensseligkeit gegen seine Untergebenen eine arge Mißwirthschaft im Amte mitverschuldet hatte, wurde er 1741 desselben endgültig enthoben; Gram und Sorgen brachten ihn schon 1748 ins Grab; die Mutter, geb. Wilke, war bereits 1736 gestorben. Johann Elias kam mit den gründlichsten classischen Kenntnissen ausgerüstet 1733 auf die Landesschule zu Pforta. Hier ward das classische Alterthum, auf dem ja das Schwergewicht des etwas einseitigen Lehrplanes ruhte, zur Grundlage und zum Ausgangspunkte für die beiden Hauptrichtungen seines Geistes, für das Drama und die theoretisch-kritische Aesthetik. In letzterer Hinsicht zeugt dafür der 1739 verfaßte (erst 1764 in den Werken abgedruckte) „Auszug eines Briefs über die Trauerspiele der Alten und Neuern“, in ersterer die prosaische Electraübersetzung von 1739 (die poetische Umschmelzung ist von 1741) und die beiden, stofflich im engsten Anschlusse an die antiken Vorbilder entstandenen Dramen „Hekuba“ (später „die Trojanerinnen“) von 1736 und „die Geschwister in Taurien“ (später „Orest und Pylades“) von 1737. Während ersteres Drama, aus dem gleichnamigen des Euripides und aus dessen und Seneca’s „Trojanerinnen“ zusammengeschweißt, uns entgegen dem Urtheile seiner Zeitgenossen hauptsächlich nur als ein Erzeugniß poetischer Legirungskunst interessirt, wären die „Geschwister“ falls rechtzeitig erschienen ein hervorragendes Ereigniß in der Entwicklung des nationalen Dramas geworden. In der Absicht, nicht etwa ein Buchdrama, sondern ein Bühnenstück zu schreiben, (wie es denn auch schon 1739 in noch sehr unfertigem Zustande auf die Bretter der Neuber’schen Bühne kam), versuchte und brachte es der junge Dichter zuwege, die heterogenen Elemente des griechischen und französischen Dramas in ein drittes, ein für seine Zeit lebensfähiges Ganzes zu verbinden, das uns gewissermaßen als Typus des classicistischen Dramas in Deutschland gelten kann. Zwar war er noch unfähig, eine selbständige Conception und einen über die Vorlage hinausgehenden tragischen Conflict zu schaffen, aber er hat es verstanden, nach beiden Seiten hin vermittelnd, einerseits durch Ausscheidung des Chores und der Monologe, und durch Modernisirung der Charactere im französischen Sinne, andererseits durch Vermeidung jeglicher überflüssiger Liebesintrigue, (wie sie z. B. hier zwischen dem Freunde und der Suivante Eutrophe kein Franzose verschmäht hätte), beiden Richtungen durch ein wenigstens poetisch gedachtes Ganze gerecht zu werden. Trotzdem dürfen wir in diesen Jugenddramen kein vollgültiges Document für das künstlerische und geistige Können des jungen Pfortaners erblicken[WS 1], denn in Anbetracht der zahlreichen Verbesserungen und Umschmelzungen, denen beide Dramen (die Trojanerinnen 1742 u. 1745, Orest 1739, 1742 u. ö.) unterzogen wurden, läßt sich die ursprüngliche Gestalt eher errathen als feststellen; sicherlich ist z. B. der schöne, im echt humanen Sinne gedachte Schluß des Iphigeniedramas die Frucht einer späteren Umarbeitung. Auch so haftet beiden noch manches Unbeholfene an und besonders tadelnswerth erscheint mir die Einführung überflüssiger Nebenmotive, welche die ohnehin spitzfindige Anagnorisis der Euripideischen Vorlage nur noch mehr verwirren. Einen klareren Einblick in die kleinen und zahlreichen, im Style und Geiste seiner Zeit begründeten Mängel und in die beachtenswerthen, schon damals oft die Leistungen seiner Zeitgenossen überragenden Vorzüge gewährt uns ein drittes Drama „Dido“, das er 1739 kurz vor seinem Abgange aus Schulpforta in enger Anlehnung an die französische „Didon“ von Lefranc de Pompignan (1734) und vielleicht unter [380] Mitbenutzung von Metastasio’s „Didone abbandonata“ (1724) in Angriff genommen und abgeschlossen hat und mit unerheblicheren Verbesserungen 1744 im V. Band der Gottsched’schen Schaubühne drucken ließ. Eine freiere selbständige Entwicklung der Handlung dürfen wir hier weder suchen noch verlangen, die Vorzüge des Dramas bestehen in der Ausnutzung und Ausarbeitung der psychologischen Motive und besonders glückte ihm die Gestalt der erhaben leidenden Heldin, denn er besaß im hohen Grade das, was seinen Collegen so ganz abging, ein poetisches Temperament. Weniger erfreulich und ganz im Style jener zopfigen Deckenfresken, die den Thronsaal jeder kleinen Residenz schmücken mußten, ist das Huldigungsgedicht „Bemühungen Irenens und der Liebe“ zur Hochzeitsfeier der Prinzessin Amalie mit dem Könige Karl von Sicilien. Unsere Kenntniß des Menschen und der edlen Vorzüge seines Charakters wird durch die anmuthigen Schilderungen seines Bruders Adolf und des polnischen Bibliographen Daniel Janocki (Jänisch) aufs günstigste erweiterte.

Mit einem historischen Thema verabschiedete er sich am 30. März 1739 von Schulpforta und begab sich nach Leipzig, um dort bis zum Herbst 1742 als „beyder Rechte Beflissener“ seine Studien zu absolviren; doch hospitirte er auch bei Christ und Gottsched. Behutsam auftretend und schon durch seinen guten Geschmack, die tiefere Bildung und Einsicht vor jeder extremen Parteigängerei bewahrt, trat er, besonders seit 1740, zu Letzterem in ein näheres Verhältniß, wurde Mitglied seiner „Rednergesellschaft“ und Mitarbeiter an den Zeitschriften Gottsched’s und seines Parteigängers Professor Schwabe. Litterarischen Ausdruck fand dieses Verhältniß in dem poetischen „Schreiben an den Prof. Gottsched“, in dem er ihn gegen die Keckheiten der Mauvillon’schen „Lettres françoises et germaniques“ 1740 in Schutz nahm, aber eigentlich Haller, dessen Einfluß auf Schlegel’s Lyrik unzweifelhaft ist, als die Hauptzierde der deutschen Litteratur hinstellte.

Er fühlte sich Gottsched gegenüber zu manchem Dank verpflichtet, ohne ihm jemals Heeresfolge geleistet, oder sich zu seinen Grundsätzen bekannt zu haben. Gleichzeitig begann er die Veröffentlichung der von großer Belesenheit und durchdringender Gedankenarbeit zeugenden theoretischen Untersuchungen, die zu einem großangelegten, auf dem Grundsatze der poetischen Nachahmung gegründeten ästhetischen System führen sollten. Gottsched’s Theorie bleibt unberücksichtigt; auch die Schweizer, deren freieren theoretischen Ansichten und poetischen Erzeugnissen er sich zwar nicht verschloß, werden jedoch nur nebenher benutzt, denn zwischen den schwankenden und im Grunde grob realistischen Anschauungen derselben und seinen im vornhinein feststehenden, idealisirenden, unter dem Einflusse der feinsinnigen Untersuchungen der französischen Akademiker Fraguier und Vatry stehenden ästhetischen Ueberzeugungen, die auch gelegentlich in seinen kunsttheoretischen Dichtungen zum Ausdruck kommen, gab es nur sehr spärliche Berührungspunkte. Aber seine Theorie konnte mit ihren idealen Zwecken eine unmittelbare Nutzanwendung, eine Vorschrift für das Erreichbare nicht beabsichtigen; daher auch der scheinbare Widerspruch und die große Kluft zwischen Vorsätzen und Thaten, zwischen ästhetischen Forderungen und poetischen Erzeugnissen. Durch die in den polemisch sich gegen Straube wendenden Ausführungen seines geistreichen „Schreibens an den Herrn N. N. über die Comödie in Versen“ (1740) geforderte versificirte Form wollte er das Lustspiel dem gemeinen Leben entrücken, eine Forderung, die er im Grundsatze noch 1745 in der Vorrede zu der (wahrscheinlich nur bis zum dritten Act) von ihm ausgeführten Uebersetzung des „Ruhmredigen“ des Destouches noch aufrecht erhielt; aber seine sämmtlichen größeren Lustspiele sind bis auf den Einacter „die stumme Schönheit“ in Prosa. Er schlägt fürs Drama freiere Versformen, den jambischen [381] Trimeter u. s. w. vor, hat aber fast durchgehends in den ausgeführten Originalen den Alexandriner beibehalten und erst 1749 in der fragmentarischen aber vortrefflichen Uebersetzung von Congreve’s „Braut in Trauer“ den fünffüßigen Jambus in kunstvoller Weise eingeführt; der reimlose jambische Trimeter, eine Uebergangsform vom Alexandriner zum fünffüßigen Jambus findet sich nur in dem fragmentarisch erhaltenen Leipziger Nachspiel „die entführte Dose“ und in dem Entwurfe des „Gärtnerkönigs“ vor. Er ist muthig in der „Vergleichung Shakespears und Andreas Gryphs“ mit der brennenden Fackel in den dunklen Raum, wo die Shakespeare’schen Schätze aufgespeichert lagen, vorangeschritten, aber es weisen der gleichzeitige „Herrmann“ sowohl, als die 1742 vorgenommene Ueberarbeitung der „Dido“ (wo die Geistererscheinung des Sichäus nicht auf Hamlet, sondern auf die französische Vorlage zurückgeht) nicht die leiseste Spur eines unmittelbaren Einflusses auf. Er ist schon seit der witzigen Kritik des Klaj’schen Heroldes (1741) öfters für die freie Behandlung der Zeit- und Ortseinheit eingetreten, ohne in Drama oder Lustspiel haarbreit von der strengen Observanz abgewichen zu sein. Er hat sich im „Todtengespräche Demokritus“ weidlich über den Anachronismus des Regnard’schen Lustspiels lustig gemacht, übersah aber die tiefer liegende, den Hauptgestalten seines „Herrmann“ (1741) anhaftende Zeitwidrigkeit, die sie uns ebensowenig altdeutsch und ebensosehr modern französisch erscheinen läßt, wie es die Staatskleider waren, in denen sie auf der Bühne erscheinen mußten. Eine bedeutsame Leistung war aber dieses, nebenbei bemerkt stark überschätzte Drama schon deswegen, als sich hier der junge Dichter zum erstenmale vor die Aufgabe gestellt sah, selbständig, da ihm der Lohenstein’sche Roman nur wenige Anhaltspunkte bot, einen historischen Stoff zu einer dramatischen Fabel zu gestalten, psychologische Motive zu erfinden und tragische Conflicte zu schaffen; dieser Aufgabe war er nicht ganz gewachsen. Die Vorzüge des Dramas, ebenso wie die des 1742 in Dresden in Angriff genommenen und bis zum dritten Buche ausgearbeiteten nationalen Epos „Heinrich der Löwe“ liegen mehr in der Wahl des Stoffes als in dessen Ausarbeitung und sind entschieden mehr ethische als ästhetische. Der neue Stoff fand keine neue Form, die Charaktere sind schematisch, erinnern in ihrer Gruppirung sehr an Corneille’s Horace und das schöne Pathos, in dem sie über sich und ihre Verhältnisse verhandeln, kann uns in keiner Weise für die mangelnde Handlung, die sich hauptsächlich hinter den Coulissen abspielt, entschädigen. Bei manchen Vorzügen in Vortrag und Empfindung bleibt dieses Drama doch nur ein Versuch, während S. auf theoretischem Gebiete entschiedene Erfolge zu verzeichnen hatte.

Noch klarer tritt dieser Widerspruch in den gleichzeitigen Lustspielen zu Tage. Es lagen in ihm die Keime jener kunstidealistischen Richtung, die zu Winckelmann und Schiller führt, aber es steckt damals noch in ihm etwas von dem kleinen deutschen Spießbürger, den kleinliche Interessen und ein unbeholfenes Gesellschaftsleben schwer zu Boden drücken. Seine ersten Versuche „Der geschäftige Müssiggänger“ (1741), ferner der erst 1746 vollendete „Geheimnißvolle“, beide von Moliere’schen Typen angeregt, schließlich „Die Pracht zu Landheim“ unvollkommen erhalten, gehören doch, von kleineren Vorzügen abgesehen, noch im ganzen und großen jener plattrealistischen, von Frau Gottsched eingeschlagenen Richtung an, die selbst Lessing’s Beispiel auf keiner höheren Sphäre zu erhalten vermochte und der es beschieden war, in den erbärmlichen Plattheiten der Jünger, Bretzner und Stephanie unterzugehen. –

Schlegel’s scharfe auf die heimischen Zustände gerichtete Beobachtungsgabe und sein feineres Verständniß des weiblichen Gemüths und der menschlichen Verhältnisse überhaupt hätten jedoch zur Schaffung dieser Erzeugnisse ohne das [382] form- und anstoßgebende Element der litterarischen Vorbilder nicht ausgereicht. Seine Muster waren Molière und seine Schule mit ihrer „allgemein menschlichen“ alles in feststehende Typen zusammenfassenden Komik und in zweiter Linie Holberg mit seiner scharf im Detail arbeitenden, zeitweilig bestehende Verhältnisse geißelnden Satyre. Auch stilistisch wird die Verschiedenartigkeit beider Richtungen bemerkbar und für eine fein witzige und elegante Wendung aus der Schule Marivaux’s und Saintfoix’s müssen wir oft einen derben Holberg’schen Witz mit in den Kauf nehmen. Größere Beachtung verdient die leider Entwurf gebliebene, sichtlich durch Regnard’s Democrite angeregte Idee zu einem versificirten Lustspiele „Die drei Philosophen“ 1742.

Im Herbst 1742 ging er mit dem späteren sächsischen Gesandten am dänischen Hofe, v. Spener, als dessen Privatsecretär nach Dresden und bald darauf 1743 über Berlin und Hamburg, wo er Hagedorn näher trat, nach Kopenhagen. Jetzt erst begann (1742–45) seine systematisch ausgearbeitete „Abhandlung von der Nachahmung“ zu erscheinen; in dieser Untersuchung, die sich mit allem, was die deutsche Aesthetik vor Lessing geleistet, kühn messen kann, versuchte er seine in früheren Aufsätzen zerstreuten Kunsturtheile auf die Höhe einer allgemein gültigen Theorie zu bringen; unwillkürlich merkt man ihm hier den Dramatiker an, während er die Lyrik nur mit Mühe in den Rahmen seiner Theorie hineinzwängt. Praktische Erläuterungen und Einschränkungen bietet unter Beibehaltung des idealistischen Ausgangspunktes die „Abhandlung, daß die Nachahmung der Sache, der man nachahmet, zuweilen unähnlich werden müsse“, die, schon 1741 als Rede entworfen, erst 1744 gedruckt wurde. 1745 bis 1746 gab er „den Fremden“ heraus und regte in dieser Wochenschrift in freimüthiger Weise culturelle, historische und litterarische Fragen an. Für dieselbe schrieb er auch den Einacter „Der gute Rath“ und betheiligte sich gleichzeitig mit lyrischen Erzeugnissen an dem 1746 von seinem Bruder Adolph herausgegebenen, bis jetzt noch nicht wieder aufgefundenen „Buch ohne Titel“.

Das Lustspielfragment „Der Gärtnerkönig“, das er seit 1746 öfters in Angriff nahm, bietet eine Fülle der originellsten Motive, die antike, der Phantasie freien Spielraum lassende Welt, die in den Regionen des Wintermärchens sich bewegende Handlung, die Wiedereinsetzung des verschollenen Königsohns, seine romantische Verbindung mit der Gärtnerstochter, das komische Element im Gärtner, das burlesk-satyrische in der Gärtnersfrau und im Petit-maître, alles dies sind Motive wie aus einem Shakespeare’schen Lustspiele. Sicher erscheint mir eine tiefere Kenntniß Shakespeare’s aus Schlegel’s hervorragendstem Drama „Canut“ zu sprechen. Sie offenbart sich hier (so wie im Fragment „Gothrika“ 1748) in der Wahl eines dem frühen Mittelalter (der Chronik des Saxo Grammaticus) entlehnten nationalen Stoffes, in der kraftvollen bilderreichen Sprache, vor allem aber in dem gigantischen und dämonischen Wesen des sichtlich Richard III. nachgebildeten Helden Ulfo, dessen Charakter vom Dichter hier gerade so wie er es schon 1747 an Shakespeare’s Dramen bemerkt haben wollte, „gliedweise vorgetragen wird“. Diese großen Vorzüge müssen umsomehr betont werden, als ja bereits die zeitgenössische Kritik die unleugbaren Schattenseiten des Stückes: die unmännliche Schwäche Canut’s, das allzu passive Wesen Estrithens genügend hervorgekehrt hat. Er hinterließ auch Bruchstücke einer Shakespeare-Uebersetzung, die aber sein Bruder leider in die Werke nicht aufnahm.

Die „Theatralischen Werke“ 1747, den (bereits 1746 separat erschienenen) Canut, die Trojanerinnen, den Geheimnißvollen und die Electraübersetzung umfassend, hat S. mit einer längeren unter dem Titel „Ueber die Würde und Majestät des Ausdrucks im Trauerspiele“ in die Werke aufgenommenen Vorrede eingeleitet; [383] es ist dies eine theils kritische, theils theoretische, auf Longin und Fenelon gestützte, nicht besonders tiefgehende aber allgemein verständliche und zeitgemäße Erörterung über den tragischen Stil, der es an satyrischen Seitenhieben auf die Gottschedische Schule nicht mangelt. An dem in Kopenhagen damals für Drama und Theater neu erwachenden Leben nahm er regsten Antheil. In dem „Schreiben von Errichtung eines Theaters in Kopenhagen“ 1746 (?) plaidirt er für die Einsetzung von Aufsehern (Intendanten) und für die Honorirung der Dichter. Weit hervorragender als diese in technischen und finanziellen Fragen noch recht naiven Ausführungen, und durch die ihnen von Lessing zutheil gewordene Anerkennung auch weiterhin bekannt, sind die leider ebenfalls erst 1764 gedruckten „Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters“. Nachdrücklich betont hier S. die Nothwendigkeit und den poetischen Vortheil nationaler Stoffe und bekundet in der theoretisch nicht ganz geglückten Neueintheilung der dramatischen Gattungen nach Ständen und Leidenschaften und in der das Theater als eine Einrichtung für das Bürgerthum bezeichnenden Bemerkung eine gesunde, bürgerlich demokratische Gesinnung. Ganz als Lessing’s Vorläufer auftretend, hat er hier die ästhetische Berechtigung des bürgerlichen Trauerspiels motivirt, geistreich und treffend den Unterschied zwischen englischem und französischem Wesen und Drama erwogen, antigottschedianisch dem Charakter im Drama vor der Fabel den Vorzug gegeben und für die Behandlung der Orts- und Zeiteinheit weitgehende Freiheit gefordert.

Doch mitten unter diesen reformatorischen Ideen entsteht 1747 das Lustspiel „Der Triumph der guten Frauen“, ein feingedachtes und zierlich ausgeführtes, in den Sitten schon undeutsches, in Technik und Durchführung ganz französisches Stück, aber nach Mendelssohn’s Urtheil voll „Lebens in den Charakteren, Feuers in der Handlung und echten Witzes in den Gesprächen“. Doch wird es noch bei weitem übertroffen von dem gleichzeitigen Nachspiel „die stumme Schönheit“, das uns in seiner reizvollen Anmuth und durch die heiter und sorglos in den geschmeidigsten Alexandrinern dahinfließende Handlung als das vollendetste, am meisten abgerundete seiner poetischen Erzeugnisse erscheint. Beide Lustspiele sind zusammen mit dem Vorspiele „Die Langeweile“, womit am 18. December 1747 das neue Theater eröffnet wurde, als „Beyträge zum dänischen Theater“ 1748 erschienen.

1748 heirathete er seine geliebte Chloris, Johanna Sophia Niordt, die er in lyrischen Ergüssen voll innerster Liebesglut besungen hatte. Eine ihm in diesem Jahre verliehene Professur an der Ritterakademie zu Soröe lenkte seinen Geist auf historische Untersuchungen, deren mehrere er zum Abschluß brachte. Angestrengt arbeitete er an einem großen nationalhistorischen Werke über Heinrich den Löwen. Doch kam er über die ersten Bücher nicht hinaus, denn schon am 13. August 1749 ereilte ihn im rastlosen Schaffensdrange mitten unter großartigen Entwürfen zu Soröe der Tod.

Außer den schon erwähnten Einzelausgaben und Sammlungen: (Mit Giseke) Sammlung einiger Schriften zum Zeitvertreibe des Geschmackes 1746–1747. Lustspiele des Saintfoix 1750, 2 Bde. Werke (unter Mitwirkung Joh. Adolph’s) herausgegeben von Joh. Heinrich, 5 Theile, 1761–1770 (Theil 1 öfters aufgelegt). Aesthetische und dramaturgische Schriften, herausgegeben von Johann v. Antoniewiecz 1887 (in Seuffert’s D. Litt.-Denkm. des 18. und 19. Jahrhunderts, Band 29).

Briefe: an Hagedorn in der Eschenburg’schen Ausgabe 5, 284 ff.; an Gottsched bei Seeliger, Joh. Elias Schlegel. Mittheilungen des Vereins f. Gesch. der Stadt Meißen, 1888, Bd. 2, 145–188; an Bodmer, herausgegeben von Crueger im Archiv f. Lit.-Gesch., 14, 49 ff. Lit. Pamphlete. Aus der Schweiz. [384] Nebst Briefen an Bodmern. 1781. Stäudlin: Briefe ber. und edler Deutschen an Bodmer 1794. Die Originale auf der Züricher Stadtbibliothek; andere Briefe besitzen die Herren Prof. Litzmann in Jena und N. F. Schlegel in Kopenhagen; ungedruckte Gedichte Herr Dr. E. Wolff und der Verfasser.

Biographisches und Litterarhistorisches: J. D. Janozki, kritische Briefe 1745. – Gellert (Klee’s Ausgabe 1839, 6, 343 ff.) – J. Adolf Schlegel, Batteux-Uebersetzung 13, 50. – J. Heinrich Schlegel’s Werke 5, I–LII 1770.
Jördens IV, 497, 1809 (mit den Nachweisen der Urtheile Lessing’s, Mendelssohn’s und Nicolai’s, Herder’s Urtheil über J. E. Schlegel findet sich A. D. Bibl. 5, 1, 165 ff. Suphan’s Ausgabe 4, 232 ff., Schiller’s in der Abhandlung über naive und sent. Dichtung). – Danzel, Gottsched und seine Zeit. 1848. – Thaarup, Biographiske Efterretningar om familjen Schlegel (Geneal. og Biogr. Archiv I, 257). – F. Mayer, Ein Vorläufer Lessing’s. Progr. Oberhollabrunn, 1869. – W. Söderhjelm, Om J. E. Schlegel särskildt som lustspeldiktare, Helsingfors 1884. – v. Antoniewicz, s. o. S. I–CLXXX. – Minor, Zeitschr. f. österr. Gymn., 1888, 39, 533 ff. – Braitmaier, Gesch. der poet. Theorie und Kritik, 1888, I, 249–295. – O. Walzel, Vierteljahrsschrift f. Litteraturgesch. I, 212. – Seeliger s. o. – E. Wolff, J. E. Schlegel 1889 und Anzeiger 1890, XVI, 140. – M. Koch, Zeitschr. f. vergl. Litteraturgesch. 2, 3 f. – Creizenach, Zeitschr. f. d. Phil., 1889, 22, 230. – Rentsch, Anzeiger, 1888, XV, 347. – F. Muncker, Bremer Beiträger II, 103 ff. (in Kürschner’s D. Nat. Litt., Bd. 43, 2). – J. Rentsch, Joh. Elias Schlegel als Trauerspieldichter, mit besonderer Berücksichtigung seines Verhältnisses zu Gottsched. Erlangen 1890. (Dissertation).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: erbicken