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ADB:Hagedorn, Friedrich von

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Artikel „Hagedorn, Friedrich von“ von Wilhelm Creizenach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 325–327, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hagedorn,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 10. Dezember 2024, 09:34 Uhr UTC)
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Band 10 (1879), S. 325–327 (Quelle).
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Hagedorn: Friedrich v. H., Bruder des Kunstschriftstellers Christian Ludwig v. H. (s. o.), wurde am 23. April 1708 als ältester Sohn des königl. dänischen Staats- und Conferenzraths Hans Stats v. H. geboren. Schon im J. 1722 wurde er seines Vaters beraubt, welcher die Familie nicht gerade in dürftigen, aber doch auch in keineswegs glänzenden Verhältnissen zurückließ. Indeß fand der talentvolle Knabe die trefflichste Gelegenheit, seine Anlagen auszubilden, indem Hamburg damals wie keine andere Stadt reich war an Gelehrten, die sich auch als Dichter einen Ruf erworben hatten oder doch schönwissenschaftlichen Interessen zugänglich waren; so vor allem Brokes, Richey, der Hagedorn’s Lehrer auf dem Hamburger akademischen Gymnasium war, Erdmann Neumeister u. a. Unter solchen Umständen lernte auch der poetisch angelegte Knabe schon im Jugendunterricht die klassischen Dichter ganz anders liebgewinnen, als es sonst damals der Fall zu sein pflegte, so daß seine Poesie, wie Vilmar sagt, „die erste gute Frucht wurde, welche die zwei Jahrhunderte lang nur schädlich, oft geradezu giftig wirkende classische Philologie getragen.“ Sein Liebling wurde Horaz, in welchem er für sein ganzes Leben einen „Freund, Lehrer und Begleiter“ fand und den er auch in mehreren Dichtungen frei nachbildete. Die Liebe zur Poesie nahm er auch auf die Universität nach Jena mit, wohin er sich 1726 zum Studium der Rechte begab und wo er drei Jahre verblieb, doch nahm er dort auch an den durch die Wolff’sche Philosophie hervorgerufenen Streitigkeiten lebhaftes Interesse. Dabei blieb er mit den Hamburger Litteraten, die eine eng geschlossene Cameraderie bildeten, in Verkehr; er arbeitete für ihre Zeitschrift „Der Patriot“ und veröffentlichte später auch einige lyrische Sachen in Weichmann’s „Poesie der Niedersachen“, dem großen Sammelwerke, in welchem die oft recht dürftigen poetischen Erzeugnisse der Angehörigen dieses Kreises vereinigt sind. Nach Hause zurückgekehrt, ließ er die erste selbständige Sammlung seiner Dichtungen: „Versuch einiger Gedichte oder auserlesene Proben poetischer Nebenstunden“ erscheinen, von denen er jedoch mit Recht nur wenige und auch diese erst nach gründlicher Umarbeitung in die späteren Sammlungen seiner Poesien aufgenommen hat, denn wenn man auch in diesen Gedichten schon hier und da Anklänge an die Manier seiner späteren besseren Zeit findet, so erscheint er doch, wie schon der Titel verräth, in seiner ganzen Dichtungs- und Empfindungsweise völlig in den Anschauungen seiner damaligen Umgebung befangen. [326] In der Vorrede vertheidigt er ganz in der hergebrachten Weise die Dichtkunst gegen ihre Feinde und Verächter als eine angenehme und nützliche Beschäftigung in Nebenstunden; unter den Gedichten selbst finden wir eine Beschreibung des Jenaischen Paradieses in Brokes’scher Manier, auch die altmodische Gattung der Heldenbriefe ist durch ein Sendschreiben der Cleopatra an Julius Cäsar vertreten.

Nun fand er auch bald eine Stelle, die ihm bei seinem feinen, weltmännischen Wesen sehr zusagen mußte, er ging im J. 1729 als Secretär des dänischen Gesandten nach London, wo er bis 1731 verblieb und die Zeit fleißig zum Studium des Englischen benutzte. Er erwarb sich darin eine große Gewandtheit und seine häufigen Hinweisungen auf die englische Litteratur trugen viel dazu bei, daß diese Litteratur im vorigen Jahrhundert in Deutschland so große Verbreitung und solchen Einfluß auf die Entwickelung unserer Litteratur gewann. Nachdem er nach Hause zurückgekehrt war, durfte er hoffen, bald eine passende Anstellung in Dänemark zu erhalten; doch schlug ihm diese Hoffnung fehl und er lebte, da seine Vermögensverhältnisse immer noch sehr ungünstig standen, längere Zeit in drückender Verlegenheit. Damals (1732) starb auch seine Mutter. Endlich, im J. 1733, fand er bei dem englischen Court, einer Handelsgesellschaft in Hamburg eine Stelle als Secretär, die ihn aller Nahrungssorgen überhob und ihm auch Muße genug ließ, sich seiner Neigung zur Poesie hinzugeben. Seine Ehe mit der Tochter eines in Hamburg lebenden Engländers scheint nicht glücklich gewesen zu sein; wie die Biographen angeben, hätte H. die Ehe mit dem durch keinerlei besondere persönliche Eigenschaften hervorragenden Mädchen hauptsächlich in Erwartung eines großen Vermögens geschlossen, worin er sich aber getäuscht sah. Im übrigen verlief der Rest seines Lebens ruhig, sorglos, ohne besondere Abwechselung. Mit den Hamburgischen Gelehrten und Dichtern v. Bar, Wilkens, dem Arzt Carpser, dem Tragödiendichter Behrmann, Brokes, Liscow, dem Bruder des Satirikers stand der heitere, lebensfrohe Mann in freundschaftlichem Verkehr, auch gehörte er eine Zeit lang dem Hamburger „Orden des guten Geschmacks“ an, der jedoch eine ziemlich dunkle Existenz führte. In Gemeinschaft mit Wilkens redigirte er einen Auszug aus Brokes’ Hauptwerk, dem „Irdischen Vergnügen in Gott“ (1738). In demselben Jahre ließ er seinen „Versuch in poetischen Fabeln und Erzählungen“ erscheinen, der diejenigen Fabeln enthält, welche in den späteren Sammlungen das erste Buch ausmachen. Im Erzählungston nahm er sich die Franzosen, besonders Lafontaine zum Muster. An Leichtigkeit und Grazie übertraf er alle deutschen Fabel- und Erzählungsdichter vor ihm und seine Fabeln wurden, zumal da damals durch die ästhetischen Schriften der Schweizer das Interesse auf diese Kunstgattung hingelenkt wurde, rasch beliebt; sie wurden das Vorbild für die Fabeln Gellert’s. Einige darunter, wie z. B. „Johann der muntre Seifensieder“ gehören zu den ältesten deutschen Gedichten, für die sich heute noch ein unmittelbares, nicht rein litterarhistorisches Interesse erhalten hat, manche, wie z. B. „Das Hühnchen und der Diamant“ figuriren noch immer in Schul- und Kinderbüchern. Die seinen Fabeln zu Grunde liegenden Stoffe entlehnte er aus den verschiedensten älteren und neueren Schriftstellern; er zeigt dabei eine umfassende Belesenheit. Eine seiner Hauptquellen war Burkhard Waldis. Wir sind über das Verhältniß Hagedorn’s zu seinen Vorgängern dadurch unterrichtet, daß er selbst seinen Fabeln ebenso wie seinen übrigen Dichtungen ausführliche Anmerkungen beifügte, ein Gebrauch, der damals schon zu veralten begann, dem er jedoch mit großer Vorliebe anhing. Hagedorn’s litterarischer Ruhm war durch die Fabeln fest gegründet; fast alle, die sich damals in der Litteratur auszeichneten, suchten mit ihm in Verbindung zu treten. Er stand denn auch mit Männern von den verschiedensten litterarischen Richtungen, mit den Schweizern, wie mit Gottsched in [327] Verkehr, indem er sich völlige Unabhängigkeit seines Standpunktes bewahrte; mitunter äußert er sich sogar mit leiser Ironie über die Kampfeshitze der streitenden Parteien. Diese Unbefangenheit konnte er sich um so leichter wahren, da er seine dichterische Thätigkeit, die außer allem Zusammenhang mit seiner Berufsthätigkeit stand, rein als ein heiteres Spiel zur Erhöhung der Lebensfreude betrachtete. Auch die Bremer Beiträger fühlten sich zu ihm als Dichter wie als Menschen hingezogen. Sie standen mit ihm durch Johann Arnold Ebert in Verbindung, den er schon bei seinen ersten poetischen Versuchen mit Rath und Hülfe unterstützt hatte; auch hatten sie Gelegenheit, sein hülfreiches und freundliches Wesen kennen zu lernen, als er sich des armen Leipziger Studenten Gottlieb Fuchs, dessen poetische Erstlingsversuche viel zu versprechen schienen, mildthätig annahm. Die innige Verehrung der Bremer Beiträger für H. hat ihren schönsten Ausdruck in Klopstock’s Odencyclus „an meine Freunde“ gefunden. Auch die Hallischen Anacreontiker mußten sich ihm geistesverwandt fühlen.

In den folgenden Jahren[WS 1] ließ H. seine Oden und Lieder in mehreren kleineren Sammlungen erscheinen (vgl. die bibliographischen Angaben in Eschenburg’s unten zu citirender Abhandlung S. 98 f.); außerdem erschienen damals mehrere von den Dichtungen, die er später unter seine „Moralischen Gedichte“ (1. Aufl. 1750) einreihte, auf einzelne Blätter gedruckt. In den Oden und Liedern zeigt er sich wieder als Schüler des Horaz, oft aber singt er auch im Ton der französischen Chansonniers leichte und heitere Lieder mit epigrammatischer Zuspitzung. Auch in seinen moralischen Gedichten predigt er in Horazischer Manier durch weises Maß beschränkten Lebensgenuß. Der zweiten Auflage (1752) hat er eine Sammlung seiner Sinngedichte angehängt. H., der, wie es scheint, etwas allzusehr den Tafelfreuden huldigte, litt in der letzten Zeit seines Lebens an podagrischen Beschwerden; er starb am 28. Octbr. 1754. Von seinen gesammelten Werken sind mehrere Ausgaben erschienen; die werthvollste ist die von Eschenburg besorgte in 5 Theilen, Hamburg 1800. In dieser Ausgabe enthält der 4. Theil eine ausführliche Biographie und Charakteristik Hagedorn’s, nebst einem „Nachtrag Hagedornischer Gedichte“, zum Theil aus Handschriften, die sich in Hagedorn’s Nachlaß fanden; der 5. Theil enthält Auszüge aus Hagedorn’s Correspondenz. Außerdem sind die bibliographischen Nachweise in Schröder’s Hamburgischem Schriftstellerlexikon und der Aufsatz über H. von Schmitt in Henneberger’s Jahrbuch, Heft I. zu vergleichen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Jahre