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ADB:Stettin, August Lebrecht

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Artikel „Stettin, August Lebrecht“ von Karl Gustav Veesenmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 130–132, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stettin,_August_Lebrecht&oldid=- (Version vom 20. November 2024, 04:34 Uhr UTC)
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Stettin: August Lebrecht St., geboren zu Halle in Sachsen am 8. September 1725, wurde einer der bedeutendsten Buchhändler der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Nach einer gründlichen Vorbildung war er längere Zeit eifrig thätiger Geschäftstheilhaber an der Buchhandlung des Johann Benedict Metzler in Stuttgart gewesen, kam dann nach Ulm, und brachte daselbst im J. 1766 die Gaum’sche Buchhandlung an sich, welcher er die Firma „Stettinische Buchhandlung“ gab. Er war sehr unternehmend, und verlegte viele größere Werke. Der damals noch nicht berühmt gewordene Michael Ignaz Schmidt (s. A. D. B. XXXII, 6) hatte nach vielen Bemühungen für seine großartig angelegte Geschichte der Deutschen keinen Verleger finden können: er kam nun auf einer Reise von Würzburg nach Ulm, trug sein Werk dem Buchhändler Stettin an, und dieser übernahm sofort den Verlag. Der letzte (27.) Band des nach Schmidt’s Tode von Milbiller fortgesetzten Werkes erschien 1816 in der Stettin’schen Buchhandlung. St. stand mit den Ulmer Gelehrten, vornehmlich [131] u. a. mit dem berühmten Gymnasialrector und Stadtbibliothekar Johann Peter Miller (s. A. D. B. XXI, 748), der die bekannte Berliner Ausgabe der lateinischen Classiker von 1745 an bis 1766 besorgt hatte, welche in Ulm gedruckt wurden, in täglichem Umgang und Verkehr: und gleicherweise durch einen viele Jahre hindurch geführten Briefwechsel in vertrauter Freundschaft mit dem Verwandten des eben genannten, dem Göttinger Professor Johann Peter Miller (s. A. D. B. XXI, 749), welcher ganz gleichen Alters mit Stettin, und früh mit ihm bekannt geworden war. Er war selbst auch litteratisch thätig, aber bescheiden und ohne seinen Namen zu nennen; er schrieb unter anderem Beiträge zu der Zeitschrift: Physikalisch-ökonomisches Wochenblatt oder Realzeitung, welche von 1755 an in Stuttgart von Ernst Friedrich Bernhard, Diakonus und Professor der italienischen Sprache daselbst, herausgegeben wurde; ferner zu der in Halle erscheinenden Wochenschrift: Der Mensch, und Aufsätze in der in Stuttgart in 5 Theilen herausgekommenen: Satyrischen Bibliothek. – St. hatte sich, als er die Gaum’sche Buchhandlung übernahm, mit Jungfrau Euphrosine Regine Baur verheirathet, und nachdem er 1779 gestorben war, heirathete Gaum die Witwe und kam dadurch wieder in den Besitz der Buchhandlung; die berühmt gewordene Firma wurde aber von ihm und seinen Nachfolgern Christian Gottlob Ebner und dessen Sohn Johann Friedrich Ebner beibehalten, sie bestand bis 1876. Am Ende dieses Jahres starb ihr letzter Inhaber Rudolf Nagel. – Von dem Gründer dieser Firma, von unserm August Lebrecht St., sagt einer der bedeutendsten Buchhändler jener Zeit, Johann Georg Heinzmann, Buchhändler in Bern in der Schweiz, der mehrere Jahre in der Stettin’schen Buchhandlung Gehülfe gewesen war, folgendes: „St. war der respectabelste Buchhändler, den ich jemals kannte. Unaufhörlich geschäftig, zugleich sanft und menschenfreundlich, und von einem durchaus edeln Charakter. Kein Mensch hat jemals Klage gegen ihn geführt, kein Schriftsteller wurde von ihm bedrückt, kein Buchhändler von ihm despotisirt. Sein größter Ehrgeiz war, ein Bücherlager zu haben, das an Vollständigkeit und Auswahl wenige seines gleichen in ganz Deutschland hatte. Dieses Streben war fast über seine Kräfte.“ So sagt Heinzmann in dem merkwürdigen, aber fast verschollenen Buche: Appell an meine Nation über Aufklärung und Aufklärer, über Gelehrsamkeit und Schriftsteller, über Büchermanufacturisten, Recensenten und Buchhändler, über moderne Philosophen und Menschenerzieher, auch über mancherlei anderes, was Menschenfreiheit und Menschenrechte betrifft. Bern 1795. Der Nebentitel, mit einer Vignette, heißt kurz: Ueber die Pest der deutschen Litteratur. –

Dieser Heinzmann ist überhaupt eine interessante Persönlichkeit, ein rühriger Schriftsteller, aber weil er die meisten seiner Arbeiten anonym herausgab, wenig bekannt. Weyermann hatte ihn deshalb um ein eigenes Verzeichniß der von ihm verfaßten Druckwerke gebeten, er willfahrte dem Landsmann gerne, und dieses Verzeichniß findet sich denn bei Weyermann a. a. O. S. 307, fast jede Nummer mit recht charakteristischen Bemerkungen des Verfassers oder Herausgebers, einige Beispiele werden genügen. 1) Die Feierstunden der Grazien. 6 Theile, Bern 1780–1791. „Der 2. Theil hat den Beititel: Poetische Anthologie für Töchter; der 3., 4. u. 5. Theil soll ein vollständiges System weiblicher Kenntnisse sein, und hat zusammengefaßt den besonderen Titel: Lehrbuch der brauchbarsten Wissenschaften für Mädchen von reiferem Alter und aus den gesitteten Ständen. 3 Theile, Bern 1788–1789. Dieses Werk wurde von Weise in Leipzig in seinem Briefwechsel des Kinderfreundes als ein Vorzügliches und zweckmäßiges Geschenk für Frauenzimmer empfohlen.“ Ferner: 3) Analecten für die Litteratur, von Gotth. Ephr. Lessing. 4 Thle. Bern 1785–1787. „Da von Lessing alles Fragment ist, ausgenommen seine theatralischen Schriften, so war es [132] schwer ihn als Kunstrichter zu beurtheilen, wenn man nicht eine neben einander gestellte Sammlung seiner Recensionen und kritischen Aufsätze hatte. Eine solche wollte ich liefern. Alle meine Bemühungen, von seinen vertrauten Freunden noch nähere Anzeigen zu erhalten, waren vergebliche … Wichtige Reliquien lieferte ich immer noch, die dem Freunde Lessingischer Art und Kunst werth sind … Man sehe meine Vorrede zu jedem der 4 Theile und meinen Plan.“ – 5) Albrecht von Hallers Tagebuch seiner Beobachtungen über Schriftsteller und über sich selbst, 2 Thle., Bern 1787. „Aus vielen Bänden Göttingischer gelehrten Anzeigen habe ich diese Auswahl veranstaltet. Mir war das Handexemplar des seligen anvertraut, wo er bei jeder Recension, die von ihm war, seinen Namen bemerkte. Anordnung, Plan und Ausführung hatten Hofrath Heine’s Beifall, den er auch in der Anzeige meines Buchs aussprach. Der Anfang war ein Auszug aus Hallers eigenem Tagebuch, so mir übergeben wurde, davon öffentlichen Gebrauch zu machen, wie ich es für gut finden würde. Die Welt lernte auch hiedurch Hallern in seinen geheimsten Empfindungen kennen, vorzüglich als Christ.“ – 9) Wünsche an meine Vaterstadt (Ulm). 1790, 4°. Diese kleine Schrift ließ der Verfasser gratis austheilen. – Außerdem Reisehandbücher und eine Schweizer Reisekarte mit Text; ein dictionnaire des voyageurs, franç.-allem. et allem.-français, 3 Auflagen; la grammaire allemande selon Gottsched et Juncker, 3 mal neu gedruckt, „wurde von mir geordnet und mit praktischen Beispielen versehen“. – Wir fügen noch bei, was Weyermann nicht mehr hat, weil seine gedruckten Nachrichten (s. u.) früher enden: Exposé d’un traitement arbitraire, éprouvé par un citoyen d’Ulm de son magistrat. Modèle du gouvernement aristocratique de la Souabe. Strassbourg 1798, 4. Ein Bogen. Dieser citoyen war Heinzmann selber, welcher zum Besuch mit Frau und Kindern nach seiner Vaterstadt gekommen, aber von seinen Reisegefährten, es waren Emigrirte, mit denen er im Postwagen Gespräche geführt hatte, bei dem k. k. Festungsgouverneur denuncirt war, worauf er sofort aus Stadt und Land verwiesen wurde. – Im J. 1802 wollte er von Bern nach Ulm ziehen und daselbst eine Buchhandlung errichten, erkrankte aber auf der Reise in Basel und starb daselbst am 23. November 1802.

Vergl. Albr. Weyermann, Nachrichten von Gelehrten, Künstlern und andern merkwürdigen Personen aus Ulm. 1. Ulm 1798. S. 487.